Samstag 06 Februar 2016, 15:23

Léger hebt ab

Für Marie-Charlotte Léger endete die UEFA U-19-EM der Frauen im vergangenen Juli mit einer großen Enttäuschung. Die französische Kapitänin hatte ihr Team im Halbfinale gegen Spanien zwar in Führung gebracht, doch am Ende musste die Entscheidung im Elfmeterschießen fallen, und ausgerechnet Léger vergab den letzten Versuch. Les Bleuettes schieden aus. "Das war eine schwere Prüfung", räumt die 19-jährige Akteurin im Gespräch mit FIFA.com ein. "Es ist mir schwergefallen, das zu akzeptieren. Doch im Spitzenfussball muss man seine Fehler akzeptieren, und das habe ich letztlich getan."

Neben dieser Mentalität eines angehenden Champions gab es aber einige weitere Faktoren, die der in Abbeville geborenen Spielerin dabei halfen, das enttäuschende Erlebnis zu verdauen. Zunächst einmal die Tatsache, dass die erfolgreichste Torschützin des Turniers dennoch einen wesentlichen Beitrag dazu leistete, dass Frankreich in die Runde der letzten Vier einzog. Damit ist das Team automatisch für die FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft Papua-Neuguinea 2016 qualifiziert.

Außerdem wurde Léger, die beim FC Metz mit einer Bilanz von acht Treffern gerade ihre erste Saison in der höchsten französischen Spielklasse hinter sich gebracht hatte, schon von ihrem neuen Klub Montpellier erwartet. Damit konnte sie in der Elite bleiben und ist nun für ein Team aktiv, das seit vielen Jahren in den oberen Regionen der Meisterschaft rangiert. Doch das schönste Erlebnis sollte erst noch kommen: Léger wurde für das Freundschaftsspiel gegen Brasilien am 19. September in die A-Nationalmannschaft berufen. "Ich habe das durch meine Teamkameradinnen in Montpellier erfahren, sie haben mir Glückwünsche geschickt. Erst dann habe ich meinen Namen im Internet auf der Liste gesehen. Ich hatte das gar nicht erwartet", sagt sie strahlend. Die Torjägerin kam beim 2:1 der Französinnen sogar zu einem Kurzeinsatz in den Schlussminuten.

"Es war das erste Mal, dass ich diese Mädchen wirklich getroffen habe. Früher habe ich ihnen beim Spielen zugesehen und war während der WM ein Fan von ihnen. Und von heute auf morgen trainiere und esse ich mit ihnen und bin ständig mit ihnen zusammen. Das macht Spaß", berichtet Léger. Anschließend wurde sie auch für die Freundschaftspartien am 23. Oktober gegen die Niederlande (1:2) sowie am 26. Januar gegen Norwegen (1:0) nominiert, in denen sie sich jedes Mal über ein wenig mehr Spielzeit freuen konnte.

Aussicht auf lange ReisenEs in dem Jahr in die französische Nationalauswahl zu schaffen, in dem sich am Horizont das Olympische Fussballturnier der Frauen Rio 2016 abzeichnet, ist natürlich besonders aufregend für die junge Akteurin. Obgleich der Umstand, sich plötzlich unter Weltklassespielerinnen wie Marie-Laure Delie, Eugénie Le Sommer oder Elodie Thomis wiederzufinden, durchaus eine einschüchternde Wirkung hat. "Man muss diese Schüchternheit überwinden, um seine Leistung zu bringen", erwidert Léger. "Wenn man gestresst ist, leidet das Niveau. Ich bin zwar noch sehr jung, lerne aber enorm viel von diesen Mädchen mit ihrer Erfahrung."

Philippe Bergeroo zumindest scheint von den Qualitäten der Neu-Nationalspielerin und mit elf Treffern aktuell besten Torjägerin der französischen Meisterschaft sehr angetan zu sein. Die Neigung des Nationalcoaches, die Konkurrenz zu beleben und den Jungen eine Chance zu geben, wird zweifellos dadurch verstärkt, dass er die kommende FIFA Frauen-Weltmeisterschaft im eigenen Land vorzubereiten hat. "Der Präsident hat mich gebeten, die Weichen für die Zukunft zu stellen und 2019 vorzubereiten. Ich hätte auch mit anderen Spielerinnen antreten können, doch wir haben vereinbart, die Jungen und Talentierten spielen zu lassen", erklärte er im vergangenen September im Vorfeld des Nationalelfdebüts von Léger.

Das Warten bis zu jenem Ereignis wird der kraftvollen Stürmerin durch die verlockende Aussicht versüßt, schon in diesem Jahr im August die Olympischen Spiele und im November die U-20-WM zu bestreiten. "Ich hätte nie gedacht, es so früh in die A-Nationalelf zu schaffen. Doch für mich wäre es großartig, wenn ich beide Turniere machen könnte. Aber dafür werde ich alles geben müssen, denn das Schwerste ist nicht, dorthin zu kommen, sondern dort zu bleiben", sagt sie zum Abschluss.