Boquete: "Natürlich hat diese Erfahrung mich verändert"

Jede Serie endet irgendwann einmal, und genau das passierte auch der spanischen U-19-Mannschaft der Frauen. "Alles deutete darauf hin, dass wir verlieren würden. Niemand hat uns favorisiert, aber der Schlüssel zu unserem Erfolg war unsere mannschaftliche Stärke. Ich habe diese Stärke schon bei der Teambesprechung vor dem Finale gespürt." Diese Aussage stammt von einer der Protagonistinnen des Teams, das sich mit Pauken und Trompeten gegen keinen Geringeren als Deutschland durchsetzte. Anschließend musste man die Spielerinnen fast gewaltsam aus dem Stadion in Finnland vertreiben, weil sie einfach nicht aufhören wollten zu feiern.

Schließlich hatten sie gerade die U-19-Europameisterschaft gewonnen, den ersten Titel in der Geschichte des spanischen Frauenfussballs, und reisten später hoch erhobenen Hauptes und entschlossen zur FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft 2004 nach Thailand. Seither sind zwölf Jahre vergangen, doch die Erinnerung daran ist immer noch lebendig, ebenso wie die Auswirkungen. Unsere Protagonistin, Verónica Boquete, ist ein Paradebeispiel dafür.

"Natürlich hat diese Erfahrung mich verändert. Ich wollte zwar schon vor dieser Reise Fussballspielerin werden und auf höchstem Niveau ankommen, doch damals wurde mir klar, dass es tatsächlich möglich ist. Das hat mir das nötige Selbstvertrauen gegeben und mich endgültig dazu motiviert, ganz auf ein Leben als Profispielerin zu setzen. Ich wollte so etwas unbedingt noch einmal erleben", erklärt Boquete von ihrer Wohnung in München aus, wo sie für den FC Bayern spielt.

Es ist ihr nicht nur gelungen, Profispielerin zu werden, sondern sie ist mittlerweile zur bekanntesten und erfolgreichsten Fussballerin Spaniens avanciert. Auch das WM-Erlebnis konnte sie wiederholen, und zwar auf höchstem Niveau. Im vergangenen Jahr nahm sie nämlich mit der Roja an der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ in Kanada teil und gehörte sogar zu den Spielführerinnen.

An ihrer Seite spielten Ruth García und Natalia Pablos, zwei weitere Vorreiterinnen, die bereits bei der besagten U-19-WM in Thailand dabei gewesen waren. "Das Team von 2004 war fantastisch. Vor der Europameisterschaft waren wir zu einem einmonatigen Trainingslager in Galicien zusammengekommen . Dort sind wir wirklich zusammengewachsen, und im Finale gegen Deutschland haben wir gezeigt, dass Zusammenhalt stark macht", meint die Spielerin rückblickend, die 2015 mit dem 1. FFC Frankfurt die UEFA Champions League gewann.

Die Monate vor der Reise nach Südostasien liefen nicht ganz so reibungslos ab, weil es kein langes Trainingslager gab und die Spielerinnen sich individuell bei ihren Klubs vorbereiten mussten. Außerdem fand das Turnier während der Schulzeit statt, und es gestaltete sich schwierig, beides unter einen Hut zu bringen. "Es hat uns ausgerechnet im zweiten Jahr der Sekundarstufe II erwischt, in dem die Noten besonders wichtig für die Wahl des Studiums sind. Das waren schwierige Monate, denn schließlich waren wir noch keine Profis, sodass die Zukunft vom Schulabschluss abhing. Wir mussten lernen, Prüfungen ablegen und mehr trainieren als je zuvor. Viel persönlicher Einsatz war erforderlich und der Stress war enorm", betont sie.

Doch die Investition sollte sich auszahlen, auch wenn die sportlichen Ergebnisse auf der Weltbühne nicht gerade brillant waren. Spanien landete mit Russland, den USA und der Republik Korea in einer Gruppe und schied nach der Gruppenphase aus. "Die Vorfreude war riesig", erinnert sich Boquete. "Das war der Beginn unserer Karrieren und wir hatten viele Zukunftsträume."

Die offensive Mittelfeldspielerin hat einen Traum nach dem anderen wahr gemacht, und zwar mit derselben Ruhe, die sie auch im Gespräch ausstrahlt. Und auch mit derselben Entschlossenheit. Nach der WM 2004 schloss sie erst die Schule ab und unterzeichnete dann einen Vertrag bei Prainsa Saragossa. Später wechselte sie dann zu Espanyol Barcelona , bevor sie zu einer wahren Weltenbummlerin wurde, mit Stationen in den USA, Schweden, Russland und jetzt Deutschland. Ganz im Stile der emigrationsfreudigen Galicier.

Wendepunkt Die Generation von 2004 läutete wirklich eine Wende ein. Heute sind die spanischen Juniorinnenteams bei Kontinentalturnieren und Weltmeisterschaften keine Außenseiter mehr. Während man früher kaum Erwartungen an das Team stellte, zählen die Spanierinnen mittlerweile zum Favoritenkreis. La Roja hat auf U-17-Ebene bereits drei Europameistertitel geholt, mit der U-19-Auswahl mehrmals den zweiten Platz belegt und kann bei U-17-Weltmeisterschaften eine Bronze- und eine Silbermedaille für sich verbuchen.

"Es freut mich sehr zu sehen, welche Fortschritte der spanische Frauenfussball jetzt macht. Viele Spielerinnen haben jahrelang hart dafür gearbeitet, in diesem Bereich Türen zu öffnen. Es ist wirklich eine große Freude zu sehen, dass die Mädchen jetzt Finalspiele bestreiten. Und die Zukunft verspricht noch besser zu werden", erklärt die 28-jährige Mittelfeldspielerin optimistisch. Sie selbst erreichte mit der spanischen Nationalmannschaft 2013 das Viertelfinale der UEFA Frauen-EM, damals bereits ein großes Vorbild im Nationaltrikot.

Solche Vorbilder gab es für Boquete und ihre Teamkameradinnen seinerzeit nicht, erst in Thailand, auf der Weltbühne, bekamen sie einen Eindruck davon, was möglich war. "Wenn du es nicht selbst erlebst, weißt du nicht, dass es existiert, wie es sich anfühlt. Bei einer WM siehst du plötzlich eine andere Realität, du informierst dich und es eröffnet sich eine ganze Palette neuer Möglichkeiten. Das motiviert dich. Es ist sehr wichtig, gesehen zu werden", erklärt die Spielerin, die kürzlich zur Botschafterin der spanischen Frauenliga ernannt wurde.

Doch eine WM zieht nicht nur berufliche Veränderungen nach sich, sondern ist auch auf persönlicher Ebene eine bereichernde Erfahrung. Das kann Vero nur bestätigen und hat noch einen Rat für Spielerinnen aller Altersklassen, die vor einem Auftritt auf der Weltbühne stehen. "Man weiß nie, ob sich das noch einmal wiederholen wird. Und wenn man nicht dabei ist, vermisst man das Ganze. Mein Rat ist, genießt es in vollen Zügen. Manchmal konzentriert man sich bei einem Wettbewerb nur auf den Fussball, aber ich habe mittlerweile gelernt, alles zu genießen: die Trainingseinheiten, die Orte, die man besucht, die Menschen, die man kennenlernt, das Essen, einfache jede Sekunde des Tages. Was uns in diesem Leben bleibt sind die Erfahrung, die Momente, die Menschen."