Samstag 15 Oktober 2016, 09:01

Anja Mittag und die Erfüllung eines Kindheitstraums

Es war einmal ein junges Mädchen aus dem Land der Dichter und Denker, das träumte davon, später einmal eine große Fussballerin zu werden und bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille zu gewinnen...

So, oder so ähnlich könnte ein Märchen beginnen, in dem Anja Mittag die Hauptrolle spielt. Nur, dass es sich bei der Geschichte der deutschen Nationalspielerin nicht um eine ausgedachte Geschichte handelt. Am 19. August dieses Jahres bekam die in Karl-Marx-Stadt geborene Stürmerin in Rio nach dem 2:1-Sieg im Finale gegen Schweden, die Goldmedaille um den Hals gehängt und kann es knapp zwei Monate später immer noch nicht so recht fassen.

"Das war - und ist - immer noch schwer zu begreifen. Mit dem Abpfiff war mir klar: Du hast jetzt so eine Goldmedaille für dein Land geholt, und ein Kindheitstraum geht in Erfüllung. Es ist der größte Sportevent auf der Welt und man hat selber so eine Medaille in den Händen. Das ist schon unglaublich", beschreibt Mittag ihre Gefühle im exklusiven Interview mit FIFA.com.

Ihr Weg an die Spitze begann für das Offensivjuwel beim VfB Chemnitz, dem Chemnitzer FC und dem FC Erzgebirge Aue. 2002 wechselte Mittag zu Turbine Potsdam und gewann mit den Torbienen in der Saison 2002/2003 das Double aus Pokal und Meisterschaft. Als echtes Ausrufezeichen in ihrer Karriere entpuppte sich allerdings ein Juniorinnen-Turnier.

"Da kann ich gleich mit der U-19-Frauen-WM 2004 in Thailand anfangen, wo wir den Titel gewonnen haben. Das war auf jeden Fall ein Meilenstein und für mich persönlich ein gutes Turnier. Das war der Schritt bei dem Du merkst: 'Das Turnier war gut, hier passiert was. Du schaffst es vielleicht, hast das Talent dazu und das Quäntchen Glück, um es ganz nach oben zu schaffen.' Danach wurde ich in die A-Nationalmannschaft berufen und habe dann auch gleich mein erstes Turnier gespielt."

"Das ist irgendwie noch so unwahr, verrückt"Bereits zwei Jahre zuvor stand die 1,68 Meter große Fussballerin bei der – damals noch – FIFA U-19-Weltmeisterschaft 2002 in Kanada im Kader Deutschlands und wurde Dritte mit ihrer Mannschaft. Dass diese Art der Juniorinnen-Turniere einen beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung junger Spielerinnen hat, davon ist Mittag überzeugt und betont, wie wichtig diese sind. "Super wichtig, vor allem das man die Möglichkeit hat, sich mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern zu messen. Das ist doch noch mal etwas anderes. Man kann sich auch in Deutschland mit der Konkurrenz messen, aber mit anderen Ländern? Das ist schon einmalig. Ich finde es super, dass viele Mädchen diese Möglichkeit haben. Ich bin dankbar dafür, dass ich teilnehmen konnte." Inwiefern ihr die Teilnahme an diesen Wettbewerben dabei geholfen haben, später ihren Platz in der A-Nationalmannschaft zu finden, ist für sie schwer zu sagen.

"Gegen andere internationale Mannschaften zu spielen bringt einen in der Entwicklung weiter und man sieht, was einem noch zu den Topspielerinnen in seinem Alter fehlt. Ob mir das jetzt geholfen hat? Es hat auf jeden Fall ein Stück dazu beigetragen", so die 31-Jährige mit der Passion für Tattoos, deren Erinnerungen an die Turniere in Kanada und Thailand immer noch präsent sind.

"2004 natürlich, als wir gewonnen haben. Wenn man sieht mit welche Spielerinnen man zusammen gespielt hat, wie zum Beispiel Annike Krahn, Melanie Behringer, Simone Laudehr oder Lena Goeßling. Mit denen habe ich jetzt auch Olympia gewonnen und man weiß, man ist den Weg zusammen gegangen. Man hat damals den Titel zusammen gefeiert und 12 Jahre später holt man zusammen die Goldmedaille. Das ist irgendwie noch so unwahr, verrückt.“

Schweden sei Dank...Und für diesen Triumph beim Olympischen Fussballturnier 2016 in Rio gibt es für die 146-fache Nationalspielerin, die in ihrer Karriere auch mit schwächelnden Leistungen zu kämpfen hatte und ausgerechnet bei der Heim-WM nicht im Kader stand, einen Grund. "Dass ich am Ende noch die Goldmedaille geholt habe, ist sicherlich auch meinem Wechsel nach Schweden * zu verdanken. Das hat sehr großen Anteil daran, wenn man bedenkt, dass ich die WM 2011 verpasst habe. Durch den Wechsel habe ich noch mal so einen Schub bekommen und es ging aufwärts. Das war schon ein bedeutender Schritt in meiner Karriere. Man hat wieder eine Wertschätzung bekommen, und es war auf jeden Fall der richtige Schritt.“

In knapp einem Monat wird in Papua-Neuguinea die achte Auflage der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft angepfiffen. Auch dieses Mal wird Mittag, die inzwischen in der Bundesliga für den VfL Wolfsburg auf Torejagd geht, dabei sein - wenn auch nur vor dem Fernseher. "Ich schaue es natürlich schon, wenn ich es kann und nicht gerade selbst Training habe. Man weiß ja selbst, wie es war. Es ist schön so jungen Spielerinnen zuzusehen und zu gucken, was die Zukunft Deutschlands macht. Das ist schon interessant", gibt sie zu Protokoll und den jungen Nachwuchstalenten noch den einen oder anderen Ratschlag mit auf den Weg.

"Ganz wichtig ist der Spaß am Fussball. Das sollte im Vordergrund stehen. Man darf die Freude nicht verlieren, sollte fleißig sein, Sachen annehmen und sich verbessern wollen. Aber man sollte trotzdem nicht den Spaß am Leben verlieren, ein gewisses Maß finden und einfach an sich arbeiten."