Dienstag 24 Oktober 2017, 11:27

Indisches Paar lebt für die WM-Leidenschaft

  • Pannalal und Chaitali Chatterjee waren bei neun Weltmeisterschaften

  • Alles begann 1982 in Spanien

  • Das Paar freut sich, dass Indien die FIFA U-17-WM ausrichtet

Pannalal und Chaitali Chatterjee können es sich nicht leisten, einfach ein Restaurant in Kolkata zu besuchen, ohne sich um die Preise auf der Speisekarte zu kümmern. Und sie können es sich ebenfalls nicht leisten, mal eben zu einer Reise nach England, Frankreich oder Mexiko aufzubrechen.

Dennoch bereitet sich das Paar derzeit darauf vor, 2018 in Russland zum zehnten Mal vor Ort bei einer FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ dabei zu sein. Chaitali war vor einigen Wochen zu Gast bei der Enthüllung der Trophäe der FIFA U-17-Weltmeisterschaft in Kolkata. Dort erfuhr FIFA.com von der WM-Leidenschaft, die sie und ihren Mann 1982 nach Spanien, 1986 nach Mexiko und seitdem zu jeder WM-Endrunde bis Brasilien 2014 geführt hat.

Chaitali erzählte zunächst, dass sich die Reise zur ersten WM-Endrunde rein zufällig ergab. Ohne diesen glücklichen Zufall hätte sie und ihr Mann wahrscheinlich nie erfahren, wie sehr sie durch ihre Liebe zum Fussball geprägt sind.

"Ein Jugendfreund meines Mannes lebte in Sussex (England) und sollte bald Bürgermeister der Provinz werden. Er wollte alle seine Freunde um sich herum haben, um diesen besonderen Moment mit ihnen zu teilen, und so entschlossen wir uns, hinzufahren", erzählt Chaitali. "Zufällig ging gerade die WM in Spanien über die Bühne – und die beiden alten Freunde konnten sich keinen besseren Weg vorstellen, um den glücklichen Anlass zu feiern, als etwas Fussball zu genießen. Als wir dann dort im Stadion waren, wurde mir klar, dass wir das jedes Mal machen müssen. Ich betrachte dies als Geschenk Gottes, denn wenn wir damals nicht nach England gefahren wären, wären wir auch nie in Spanien gewesen und unser Leben hätte niemals die Wendung genommen, die es genommen hat."

Die Entscheidung, von nun an zu jeder WM-Endrunde zu fahren, bedeutete für das Paar unzählige Opfer. Sie mussten nicht nur beim Essen sparen, sondern in allen Bereichen des täglichen Lebens, um sicherzustellen, dass ihr Sparstrumpf alle vier Jahre prall genug gefüllt war. Es war keine so schlechte Entscheidung, wie man sehen konnte, als sie mit leuchtenden Augen auf die Frage nach ihrem schönsten WM-Moment der letzten 35 Jahre antwortete.

"Das war Maradonas Glanz bei der Weltmeisterschaft 1986", so Chaitali. "Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie hilflos sich die gegnerischen Verteidiger anblickten, denn sie konnten kaum etwas tun, wenn der kleine Kerl den Ball am Fuß hatte. Ich habe die berüchtigte "Hand Gottes" direkt miterlebt! Was könnte diesen Moment übertreffen?" Chaitali ist leidenschaftlicher Brasilien-Fan aus Bengali (sie und ihr Mann wurden sogar mit Pelé fotografiert), doch sie gibt unumwunden zu, dass Maradona immer ihr Lieblingsfussballer bleiben wird.

Wie sehr sie den brasilianischen Fussball liebt, erkennt man auch, als sie von der unvergesslichen 1:7-Niederlage der Gastgeber gegen Deutschland im Halbfinale 2014 in Belo Horizonte spricht, bei der sie natürlich im Stadion dabei war. "Sie haben ja keine Ahnung, wie es ist, so etwas Herzzerreißendes mit eigenen Augen zu sehen. Wenn man hinter einem Team steht, dann ist das einfach so", meint sie. "Man musste kein Brasilianer sein, um mit den Tränen zu kämpfen, als das Team wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel."

Zu Hause allerdings spielt Brasilien nur die zweite Geige hinter ihrer wahren Liebe, dem einheimischen Klub Mohun Bagan. Denn ihre Liebe zum indischen Fussball ist ebenso beständig wie die zur WM. Schon 31 Mal hat sie in allen Teilen des Landes das Entscheidungsspiel um die Santosh Trophy gesehen. "Wenn man mir die Pulsadern aufschneiden würde, dann könnte man sehen, dass Mohun Bagan durch meine Venen fließt. Daran wird sich niemals etwas ändern", sagt sie mit einem Lächeln.

Als sie über die Unterschiede zwischen Fussball im Stadion und Fussball im Fernsehen spricht, zeigt sich noch einmal ihre ganze Leidenschaft für das "wahre" Erlebnis. "Wenn man ein Spiel im TV sieht, verfolgt die Kamera einfach nur den Ball. Und es gibt eine Menge Leute, die sich damit zufrieden geben", sagte sie. "Aber ich brauche mehr. Ich will zum Beispiel auch sehen, wie die Verteidiger sich positionieren, wenn ein gegnerischer Angriff anrollt. Es geschieht sehr viel ohne den Ball und alles gehört einfach dazu."

Die derzeit in Indien stattfindende FIFA U-17-Weltmeisterschaft macht es den beiden natürlich leicht, das schönste aller Spiele live zu erleben. Sie sind sehr dankbar, dass in Kolkata nicht weniger als elf Spiele stattfinden, darunter auch das Finale am Samstag. Und trotzdem kann man sich schon einmal darauf vorbereiten, die Chatterjees im kommenden Jahr bei der neuesten Auflage des größten Fussballturniers der Welt in Russland zu sehen.