Donnerstag 05 November 2015, 16:00

Chilenische Leidenschaft beim Grassroots-Festival

Das Grassroots-Projekt gehört bereits seit einiger Zeit zu den Prioritäten des chilenischen Verbands des Profifussballs (Asociación Nacional de Fútbol Profesional de Chile - ANFP). Das Fussballfieber ist in dem südamerikanischen Land nach den Erfolgen der A-Nationalmannschaft und der Austragung der FIFA U-17-Weltmeisterschaft beträchtlich gestiegen - und damit auch das Interesse von Jungen und Mädchen an dieser Sportart sowie potenziellen Trainern.

So fanden sich zum Abschluss der Trainerschulung am 30. Oktober 240 Jungen und Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren aus 14 Nachwuchszentren des Landes und 30 Ausbilder in den Einrichtungen des Parque La Araucana im Südosten Santiagos ein. Der Kurs fand diese Woche im Rahmen des Nachhaltigkeitsprogramms der FIFA in der chilenischen Hauptstadt statt.

"Die Kinder und Ausbilder, die hier dabei sind, sind das Zukunftskapital des chilenischen Fussballs", meint Mauricio Marqués, Grassroots-Instruktor der FIFA, und deutet mit einem Lächeln auf die beim Festival anwesenden Kinder. Natürlich spielt die technische Ausbildung eine wichtige Rolle, allerdings ist es auch ein Projektziel, das Fussballinteresse in den Ländern zu steigern, in denen die Initiative gastiert, und eine Basis zu schaffen, die eine adäquate Ausbildung von Nachwuchsspielern und Trainern ermöglicht. In diesem Sinne gibt es eine klare Botschaft: "In diesem Alter ist es am wichtigsten, dass die Kinder sich für den Fussball begeistern."

Daher drehte sich im praktischen Teil alles um eine Reihe von Technik- und Taktikparcours, die auf einem Dutzend Kleinfeldern aufgebaut waren. Sie dienten der Verbesserung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Jungen und Mädchen.

Gleichzeitig nutzte Marqués die Gelegenheit, um das hohe Niveau der chilenischen Ausbilder zu loben, die in Kürze in der Lage sein werden, solche Aktivitäten regelmäßig in allen Regionen Chiles zu organisieren und zu verbreiten und so starke Bande an der Basis zu knüpfen. "Ich bin vor allem überrascht über das hohe Niveau in Chile", so der erfahrene brasilianische Instruktor. "Wir haben einen größeren Schritt getan, als ich erwartet hatte. Wir haben uns mit Trainern getroffen, die gleichzeitig Sportlehrer und Spieler mit sehr interessanten Fussballkenntnissen sind."

Ausbau der Basis Luis Ramírez, Technischer Entwicklungsdirektor des ANFP, widmet sein ganzes Leben der Nachwuchsarbeit im Fussball. Zunächst war er beim Club Deportivo Universidad Católica tätig und nun bringt er seine Fachkompetenz bereits seit mehreren Jahren im höchsten Lenkungsorgan des chilenischen Fussballs ein. Während er die Aktivitäten vom Spielfeldrand aus beobachtet, weist er auf ein wichtiges Detail hin: "Unsere ersten Spieler haben das Fussballspielen auf der Straße gelernt, auf kleinem Raum, und das ist beim Grassroots-Festival ganz ähnlich."

Dies war in dem Land im südlichen Südamerika über Generationen der klassische Start in die Fussball-Laufbahn. In den letzten Jahren ist hier allerdings etwas verlorengegangen: "Die Kinder spielen schon Fussball, aber ganz spontan", meint er. "An einem Tag spielen sie, am nächsten nicht. Eine Person bringt ihnen etwas bei, dann wieder eine andere, es werden Schritte übersprungen. Wir müssen das Ganze systematisieren", so Ramírez, der wöchentlich über 150 Männer- und Frauenfussball-Spiele im gesamten Land koordiniert.

Um die Entwicklung vom Fan zum Nachwuchsspieler und später zum Profi in feste Bahnen zu lenken, bieten die Kurse einen guten Anhaltspunkt: "Die größte Problematik ist, das Ganze auf eine breite Basis zu stellen, und bei Grassroots erfahren Jungen, Mädchen, Trainer und Väter, wie sie von Beginn an arbeiten müssen", berichtet Ramírez.

Zahlreiche Trainerteams von Klubs, deren Nachwuchskicker am Grassroots-Festival teilnahmen, verfolgten das Ganze aus nächster Nähe und stimmten diesem Vorgehen bei der Stärkung der Basis weitestgehend zu: "Die FIFA unternimmt große Anstrengungen auf der Suche nach neuen Ansätzen und Methoden und der chilenische Fussball muss sich über solche Aktivitäten auf den neuesten Stand bringen", erklärt Carlos Pedemonte, technischer Leiter der Nachwuchsabteilung des chilenischen Spitzenklubs Colo-Colo.

Chile 2015 als Inspirationsquelle Die frischen Impulse der FIFA U-17-Weltmeisterschaft und die Initiativen im Rahmen des Nachhaltigkeitsprogramms der FIFA geben den Plänen und Vorhaben des chilenischen Fussballs neuen Schwung. "In Bezug auf die Verbreitung bleibt noch viel zu tun", so Ramírez weiter. "Wir müssen mehr Ausbildungszentren eröffnen und schon bei den Jüngsten alles richtig machen. Außerdem gilt es, den Frauenfussball voranzutreiben."

Wir fragten, wo der chilenische Fussball wohl in einem Zeitraum von zehn Jahren sein wird, wenn alles planmäßig verläuft. "Wir sollten in Zukunft in der Lage sein, gute Ergebnisse zu erzielen, wenn es uns gelingt, den Fussball in diesen Altersklassen auf eine breite Basis zu stellen", so der chilenische Ausbilder abschließend.

Der letzte Tag des Grassroots-Festivals in Santiago bot ein Bild, an das man sich noch lange erinnern wird. Auf dem Gruppenfoto sehen Jungen, Mädchen und Trainer ausgesprochen zufrieden aus, während am Rand die Familien darauf warten, die Geschichten der zukünftigen Sánchez', Vidals oder Bravos, aber auch die von Allende, Mazuela, Leiva und Co. zu hören, die alles gegeben haben, um dem chilenischen Fussball neue, junge Anhänger zu verschaffen. Im Augenblick erinnert der Fussball des südamerikanischen Landes an einen Vulkan, dessen Ausbruch nicht aufzuhalten ist.