Mittwoch 13 November 2019, 00:22

Drei Pionierinnen: "Schiedsrichtertätigkeit kennt kein Geschlecht"

Claudia Umpiérrez, Luciana Mascaraña und Mónica Amboya sind zurzeit das Gesprächsthema Nummer eins. Die Schiedsrichter absolvieren in Brasília ein öffentliches Training, doch als erstes reines Schiedsrichterinnenteam, das an einer Männer-WM teilnimmt, stehen sie im Mittelpunkt des Medieninteresses.

Claudia (36) und Luciana (38) kommen aus Uruguay. Die Schiedsrichterin ist Rechtsanwältin und ihre erste Assistentin arbeitet als Sportlehrerin. Mónica (37), eine ehemalige Sportlerin und Mathematiklehrerin aus Ecuador, ist die zweite Assistentin.

Alle drei verfügen über Erfahrung in den Profiligen ihrer jeweiligen Länder. Claudia gab ihr Debüt im Jahr 2010 und ihren letzter Einsatz als Dreier-Team bei einem internationalen Turnier hatten sie bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Frankreich 2019™. Dann stand Brasilien 2019 vor der Tür...

Was ist für Sie das Aufregendste in Bezug auf die Teilnahme an diesem Turnier?

Claudia: In erster Linie die Nominierung, weil sie so unerwartet kam. Nach der WM in Frankreich war das Jahr für uns in punkto globale Turniere eigentlich vorbei – dachten wir. Als ich hier ankam, war ich sehr aufgeregt.

Mónica: Das war der schönste Tag. Alle machten sich an die Arbeit. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, über die wir miteinander kommunizieren. Wir haben vor Freude geschrieen und geweint, denn das ist eine sehr große Chance.

Luciana: Ich war gerade auf dem Weg zur Arbeit, als mich Moni darüber informierte. Ich musste anhalten, weil ich nicht mehr aufhören konnte zu weinen. Dabei gehen einem viele Dinge durch den Kopf... Der Tag, an dem man sich zu fragen beginnt: "Warum mache ich das eigentlich so gerne?". Auch die Familie und Freunde fragen dich, was dir daran gefällt, Schiedsrichterin zu sein...

C: Es sind diese Momente, in denen man erkennt, dass all die Anstrengung der Mühe wert war. Im Laufe einer Karriere läuft nicht immer alles nach Wunsch. Monica und ich sind Mütter – wir haben Schwangerschaften hinter uns und sind danach wieder zurückgekommen. Es gab Momente, in denen wir vor Traurigkeit weinten, weil die Dinge nicht so liefen, wie wir es wollten, und jetzt weinen wir vor Freude, weil wir erkennen, dass sich unsere Träume erfüllt haben.

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Wie ist die Erfahrung innerhalb der Gruppe?

C: Unsere Gruppe ist wunderbar. Wir fühlen uns geehrt, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die in den besten Ligen tätig sind... sie zu beobachten und von ihnen zu lernen. Es ist nicht nur das Turnier, sondern auch alles, was wir in der Vorbereitung lernen: der Einsatz des Videoschiedsrichters oder die Möglichkeit, die Arbeit in Echtzeit zu sehen und zu verbessern. Das sind Dinge, die uns besser machen.

M: Wir können vom Erfahrungsaustausch mit Männern profitieren. Ihre Hilfe und Unterstützung, die uns das Gefühl gibt, Teil der Gruppe zu sein, ist von unschätzbarem Wert. Die Gruppe hat uns sehr gut aufgenommen und wir möchten dieses Vertrauen mit guten Leistungen rechtfertigen.

C: Sie wissen, dass wir uns besonders angestrengt haben und dass wir hier sind, obwohl uns niemand etwas geschenkt hat und wir Spiel für Spiel darum kämpfen mussten.

Auch Sie werden ihnen aus einem anderen Blickwinkel etwas beibringen können...

C: Im ersten Spiel war [der Peruaner] Diego Aro unser vierter Offizieller und er brachte uns ein paar Dinge hinsichtlich der Kommunikation bei. Wir arbeiten schon lange zusammen und das ist auch gut für sie, denn sie sagen uns: "Das ist großartig, das werden wir auch machen".

L: Sie haben uns Ruhe gelehrt. Obwohl es sich um ein Männerturnier handelt, bleiben unsere Kommunikation und unsere Planung unverändert.

Wie hat sich die Behandlung durch die Spieler auf dem Platz entwickelt?

M: Die Akzeptanz ist groß. Zu Beginn hätte es angesichts von drei Frauen auch Bedenken geben können, doch in Anbetracht der Arbeit, die wir auf dem Platz geleistet hatten, erkannten sie schließlich, dass wir den Männern um nichts nachstehen und dieselben Entscheidungen treffen können. Darauf bereiten wir uns vor.

C: Mit richtigen Entscheidungen gewinnt man an Glaubwürdigkeit. Die Schiedsrichtertätigkeit kennt nachweislich kein Geschlecht. Es braucht eine gute Vorbereitung und ein hohes Maß an Professionalität, denn wenn man nur zu Hause vor dem Fernseher sitzt und dann die Möglichkeit bekommt, sich zu beweisen, wird das nicht gut gehen. Man muss arbeiten, arbeiten und noch mehr arbeiten. Es gibt keinen anderen Weg.

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Abseits der offiziellen Leistungsbeurteilung – wie analysieren Sie sich selbst?

C: Wir haben die Möglichkeit, alle Spiele zu streamen, sie anzusehen und zusammenzuschneiden. In der WhatsApp-Gruppe haben wir uns bereits vor dem Turnier gegenseitig Spielsituationen geschickt und kommentiert. Sind noch Situationen übriggeblieben? Ich habe die App auf dem Handy und nach dem Spiel schneide ich Spielzüge zusammen und schicke sie weiter. Dann sprechen wir über Dinge, die gut gelaufen sind, und Dinge, die nicht so gut gelaufen sind.

L: Wir versuchen immer, das Beste herauszuholen. Warum ist mir das passiert? Wo habe ich gestanden? Vielleicht war es die Position. Wir versuchen, alles zu bewerten, und manchmal können es Außenstehende besser sehen.

M: Es ist wichtig, sich selbst zu sehen, um zu erkennen, was man besser machen muss, und dies auch mit anderen zu teilen. Denn abgesehen davon, dass wir ein eingespieltes Team sind, sind wir auch sehr gute Freundinnen. Wir sind wie eine Familie.

C: Wir müssen immer selbstkritisch sein, denn manchmal liegt man selbst falsch, manchmal liegen die anderen falsch, aber am Ende sind wir bestrebt, dass die Teamarbeit erfolgreich ist. Das ist unsere große Stärke.

Sprechen Sie untereinander darüber, das Finale zu leiten? Oder ist dieses Thema tabu?

L: Davon wollen wir nichts wissen! Wir lassen uns überraschen! Jedes Spiel ist ein Finale – egal, ob bei den Männern oder bei den Frauen. Man weiß nie, ob man noch eine Möglichkeit bekommt. Und wie es auch kommen mag – man muss jedes Spiel genießen, als ob es das Finale wäre.

C: Wir reden immer darüber. Wir müssen uns bewusst werden, dass es nur von uns abhängt. Und darum geht es in den 90 Minuten plus Nachspielzeit eines jeden Spiels. Deshalb gehen wir in jede Partie, als ob es unsere letzte wäre. Wir sind als Team sehr glücklich über die Möglichkeiten, die wir bekommen haben, darüber, wie wir uns in diesen Wochen weiterentwickelt haben, sowie über unsere Leidenschaft und das Vertrauen, für drei Spiele nominiert worden zu sein.

Welche Tipps können Sie Mädchen geben, die davon träumen, wie Sie zu sein?

C: Wenn ich eingeladen werde, Vorträge in Schulen zu halten, verwende ich immer einen Satz, der eine Lebensweise ist: beharren, durchhalten, widerstehen und niemals aufgeben. Wenn man einen Traum hat, muss man hart dafür arbeiten. Es wird Widerstände geben, doch man muss allen zeigen, dass einen diese Widerstände nicht behindern, sondern stärker machen.

M: Man muss immer träumen, doch damit Träume in Erfüllung gehen, muss man sich zu 100 Prozent dafür einsetzen. Ich habe zwei Töchter und sage ihnen immer, dass man einen Traum niemals aufgeben sollte, denn es ist schwieriger, das wieder zu bekommen, was man bereits erreicht hat, als weiterhin zu kämpfen, um seine Ziele zu erreichen.

L: Ich bin Sportlehrerin und immer wieder höre ich von Mädchen, dass sie ihr Vater oder ihre Mutter nicht Fussball spielen lässt. Sie wachsen mit diesen Klischees auf, doch wenn sie einen Traum haben, müssen sie dagegen ankämpfen. Wir sind hier und all die Anstrengung war der Mühe wert.