Mittwoch 18 September 2019, 13:41

Owen nimmt Puskás-Anwärter unter die Lupe

  • Michael Owen gehört zu dem Expertengremium, das über den FIFA-Puskás-Preis entscheidet

  • Der englische Ex-Nationalstürmer erzielte in seiner Karriere mehr als 200 Tore

  • Sein Tor bei der FIFA Fussball-WM 1998 ist für ihn das schönste seiner Karriere

Wie definiert man das perfekte Tor? Vor dieser wenig beneidenswerten Aufgabe stehen zehn Fussball-Legenden in ihrer Rolle als Expertengremium, das über den diesjährigen Gewinner des FIFA-Puskás-Preis entscheidet. In einer öffentlichen Abstimmung wurden aus anfänglich zehn Anwärtern die besten drei ermittelt. Aus diesen drei Traumtoren von Lionel Messi, Juan Fernando Quintero und Daniel Zsori wählt das Expertengremium nun den Gewinner des FIFA-Puskás-Preises 2019.

Zur Jury gehört auch Michael Owen, der in seiner Karriere 40 Länderspieltore für England und mehr als 150 für seine Klubs erzielte, darunter Spitzenteams wie der FC Liverpool, Real Madrid und Manchester United.

FIFA.com sprach mit dem früheren Torjäger über die drei nominierten Tore und darüber, was ein großartiges Tor ausmacht.

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FIFA.com: Ähnelt eines der drei Tore in der Endauswahl einem Tor aus Ihrer eigenen Karriere? Michael Owen: Ich habe keine Freistöße geschossen, damit fällt Quinteros Tor schon einmal weg. Fallrückzieher hatte ich durchaus drauf. Ich habe mal per Fallrückzieher gegen Arsenal getroffen. Heber über den Torwart wie bei Messis Tor sind mir ein, zwei Mal gelungen. Allerdings waren sie wohl kaum mit diesem Traumtor Messis zu vergleichen! Eins davon schoss ich für Liverpool gegen Newcastle vor der Kop-Tribüne an der Anfield Road. Es war der Siegtreffer zum 1:0. Ich ließ den Ball von der Brust abtropfen und hob ihn dann über den Torhüter. Der Ball traf noch die Latte und ging dann ins Tor. In dieser Hinsicht war es also schon ein bisschen ähnlich wie bei Messis Tor. Aber es war innerhalb des Strafraums und aus einem spitzeren Winkel, also eine andere Schusstechnik als bei Messi. Eigentlich gibt es keine allzu große Ähnlichkeit…

Gäbe es einen Puskás-Preis nur für Tore von Michael Owen, welche drei Treffer würden es in die Endauswahl schaffen? Das Tor gegen Argentinien bei der FIFA Fussball-WM 1998 wäre wohl meine persönliche Nummer 1. Hätte es damals schon den Puskás-Preis gegeben, wäre dieses Tor vielleicht sogar nominiert worden! Kurz nach der WM spielten wir auswärts gegen Newcastle und mir gelang ein Hattrick. Das dritte Tor war besonders schön. Ich rieb mir danach die Hände vor Freude. Dieses Tor wäre auch dabei. Und dann noch das Tor gegen Newcastle, das ich eben schon erwähnt habe, bei dem ich den Ball zum 1.0-Sieg über den Torhüter lupfte. Das wären meine drei Favoriten.

Owen über das Tor von Messi: Dieses Tor konnte nur ein Genie erzielen. Wenn der Ball aus diesem Winkel zu dir kommt, ist es sehr schwer, viel Kraft in den Schuss zu legen, ohne dass der Ball sehr hoch fliegt. Bei diesem Heber über den Torhüter konnte er sich so gut wie keinen Fehler erlauben. Das war ein absolut präziser Abschluss. Ich versuche, mir Alternativen aus dieser Position vorzustellen, aber das war die einzige Abschlussmöglichkeit, mit der das Tor erzielen konnte.

Owen über das Tor von Quintero: Es ist sehr selten, dass ein Spieler aus dieser Distanz trifft. Von so weit draußen und aus diesem Winkel braucht es schon etwas sehr Spezielles. Ein Linksfuß hat von dieser Seite wohl einen kleinen Vorteil und kann besser ausholen. Nicht viele Spieler würden bei einem Freistoß aus dieser Position überhaupt versuchen, direkt aufs Tor zu schießen. Man hätte wohl zu 99 Prozent mit einer Flanke gerechnet. Der Torhüter war daher wohl ziemlich überrascht, aber um von dort zu treffen, musste es auch ein absolut präziser Schuss sein.

Owen über das Tor von Zsori: In meiner aktiven Zeit wären mir an seiner Stelle wohl zwei, drei andere Dinge viel eher als seine Aktion durch den Kopf gegangen. Direkt zu schießen wäre mir wohl erst als letztes in den Sinn gekommen. Der Ball ist weit weg vom Tor und lässt sich nur schwer annehmen, er bewegt sich zudem noch vom Tor weg und fliegt ziemlich hoch. Ich hätte wohl geschaut, ob ich ihn für einen Mitspieler ablegen oder einfach annehmen und halten kann. Nicht nur die technische Klasse des Tores ist atemberaubend, sondern auch die Idee an sich. Ich habe mich in meiner Karriere wohl auch fast in jeder Situation gefragt, 'Wie kann ich zum Torerfolg kommen', aber dass er in diesem Ball tatsächlich eine Torchance erkannt hat, ist unglaublich. Kreativität, Kühnheit und Technik – in jeder Hinsicht fantastisch!

Welches ist das schönste Tor, das Sie je gesehen haben? Absolut atemberaubend, mehr als alle anderen Tore, war das Volleytor von [Marco] van Basten im Finale der UEFA EURO 1988 gegen die UdSSR. Ich war damals noch jung und leicht zu beeindrucken, aber auch das war so ein Schuss, bei dem man kaum glauben kann, dass er aus diesem Winkel überhaupt ins Tor treffen kann. Er hätte versuchen können, zurück vors Tor zu flanken oder den Ball anzunehmen und irgendwie zu verwerten, aber er entschied sich, voll draufzuhalten – und dann ist er im Netz! Dieses Tor, diese Technik, diese Dynamik – all das hat mir als jungem Spieler regelrecht den Atem genommen.

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