Donnerstag 03 Dezember 2020, 05:59

Matthäus: "Es kann nur einen geben: Lewandowski"

  • Der erste FIFA-Weltfussballer im Interview

  • Wer sind seine The Best-Favoriten?

  • "Lewandowski - alles andere wäre ein Wunder"

Pure Dynamik, beeindruckende Physis und unbändiger Siegeswille: Lothar Matthäus verkörperte als Spieler all das, was man früher im Fussball gemeinhin als "die deutschen Tugenden" bezeichnete. Noch dazu war er es, der die begehrteste Trophäe 1990 in Rom für den insgesamt viermaligen Weltmeister in die Höhe stemmen durfte - sein persönliches "Sommermärchen".

Vor knapp 30 Jahren, am 8. Dezember 1991, wurde der heute 59-Jährige als erster FIFA-Weltfussballer des Jahres ausgezeichnet. Der Kapitän der deutschen Weltmeistermannschaft von 1990 sprach mit uns über die The Best FIFA Football Awards 2020™, seine Favoriten und die DFB-Auswahl.

Herr Matthäus, die Top 3 für The Best werden in Kürze bekanntgeben. Wer sind Ihre Favoriten bei der Wahl zum FIFA-Weltfussballer?

Für mich kann es nur einen geben: Robert Lewandowski. Das ist klar wie nichts in den letzten Jahren. Im Fussball hat er alle Titel gewonnen, hat überall entscheidende Tore erzielt, führt Torschützenlisten an. Er hat alles, um einem Spieler diesen Titel zu verleihen. Da kommt keiner ran, nicht in Deutschland und in Europa. Alles andere wäre ein Wunder. Er hat inzwischen Eigenschaften, die ihn noch mehr auszeichnen als früher. Er arbeitet für die Mannschaft und ist ein richtiger Sieger geworden, einer der vorangeht und nach hinten arbeitet. Er war noch nie so gut wie jetzt. Er lebt professionell, bereitet sich akribisch vor, ist nie verletzt. Deswegen ist es bemerkenswert, dass er fast jedes Spiel macht und das dann auf höchstem Niveau.

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Und bei den Trainern?

Die deutschen Trainer haben aktuell einen richtig guten Ruf. Das war auch mal anders. Man hat gesehen, dass wir ausgezeichnete Trainer haben. Joachim Löw ist vor sechs Jahren Weltmeister geworden. Der deutsche Fussball wird mehr respektiert als vor fünf, sechs Jahren. Ich freue mich erstmal, dass die deutschen Trainer so erfolgreich sind. Hansi Flick mit Bayern München, Jürgen Klopp mit Liverpool, aber auch Thomas Tuchel in Paris konnten Erfolge feiern. Ich bin da aber pro Bayern München. Das ist allerdings nicht durch eine Vereinsbrille gesehen, sondern Flick ist einer, der etwas Unmögliches möglich gemacht hat. Er hat in seiner ersten Saison als Cheftrainer gleich eine schwierige Situation gemeistert. Er hat Ruhe und Erfolg reingebracht und junge Spieler integriert. Es geht nicht immer nur um die Titel, die man holt, sondern auch um das, wie man mit der Mannschaft umgeht. Diese Dominanz, die Bayern national und international gezeigt hat, diesen Offensivfussball mit vielen Toren und Rekorden - das ist beeindruckend. Bei allem Respekt vor den Erfolgen der anderen Trainer, aber einer war halt etwas erfolgreicher. Und das war Flick.

Geht bei den Torhütern ein Weg vorbei an Manuel Neuer, der wie Flick und Lewandowski in diesem Jahr alles gewonnen hat?

Neuer ist für mich hinter Lewandowski auch einer, der sogar als FIFA-Weltfussballer auf dem Treppchen stehen müsste. Manuel hat super Leistungen gebracht. Den Titel Welttorhüter hat er allemal verdient.

Lewandowski und Neuer auf dem Treppchen. Wer ist der Dritte im Bunde?

Ronaldo oder Messi würde ich sagen. Ersterer hat immerhin noch etwas gewonnen mit Juventus. Er macht in Italien auch seine Tore und ist Rekordspieler Portugals. Dennoch war er nicht so dominant wie in den Jahren zuvor. Ich bin zwar eher ein Messi-Fan von seiner Spielweise her, und Messi hat auch seine Tore erzielt. Beide sind nach wie vor top. Salah wäre auch einer, der die Premier League gewonnen hat oder Neymar und Kylian Mbappe in Paris, wobei ich die französische Liga nicht so stark sehe.

ZURICH, SWITZERLAND - JANUARY 12: FIFA Ballon d'Or nominees Manuel Neuer of Germany and FC Bayern Munich, Lionel Messi of Argentina and FC Barcelona and Cristiano Ronaldo of Portugal and Real Madrid (L-R) pose after a press conference prior to the FIFA B

Welche Erinnerungen und Emotionen verbinden Sie mit Ihrer Auszeichnung als Weltfussballer des Jahres 1991?

Wenn ich an diese Auszeichnung zurückdenke, erfüllt es mich natürlich immer noch mit sehr großem Stolz. Ich gehöre damit zu einem sehr auserlesenen Kreis der besten Fussballer aller Zeiten. Man steht in einer Reihe mit den größten und besten Sportlern, die der Fussball je hervorgebracht hat. Deshalb bin ich sehr froh und sehr dankbar, dass ich diese Auszeichnung erhalten habe. Es war einfach ein tolles Jahr für mich, und diese Auszeichnung war nicht nur eine Auszeichnung für mich persönlich, sondern es war ein Verdienst der ganzen deutschen Mannschaft. Aber es ist natürlich schön, wenn man so eine (individuelle) Auszeichnung entgegennehmen kann. Die Zeit um die Weltmeisterschaft 1990 war eigentlich die schönste Zeit meiner ganzen Karriere. Die besten Spieler haben sich in Italien gemessen, viele internationale Stars waren dort. Diese Rivalität und diese Herausforderung jedes Wochenende haben einen natürlich auch persönlich stärker gemacht.

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Erling Haaland wandelt bei Borussia Dortmund auf den Spuren von Lewy und hat mit 20 Jahren bereits den ein oder anderen Rekord gebrochen - Ist er schon besser als Lewandowski?

Wenn ich Haaland mit dem 20-jährigen Lewandowski vergleiche, dann ist der Dortmunder schon weiter. Lewandowski kam ungefähr zu dem Zeitpunkt erst aus der zweiten polnischen Liga nach Dortmund, und Haaland spielt nun schon in der Champions League und beherrscht mit Lewandowski die Torjägerliste. Er hat in zwölf Spielen 16 Tore erzielt. Er ist ein Phänomen. Er bringt alles mit und das in einem jungen Alter. Er ist schon jetzt ein Führungsspieler. Er ist schnell, robust und hat die richtigen Laufwege. Er hat die Leidenschaft. Er hat alles, was ein Topstürmer braucht. Wenn er so weiter macht und von Verletzungen verschon bleibt, dann wird er irgendwann zu den Top-Spielern Europas gehören, wenn er nicht schon längst dazu gehört. Er wird irgendwann in die Fußstapfen von Ronaldo oder Lewandowski treten. Er bringt vieles mit, was andere mit 20 Jahren noch nicht hatten.

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Kommen wir zum Schluss zur DFB-Auswahl, die nach der 0:6-Pleite gegen Spanien in der Kritik steht. Bundestrainer Joachim Löw steht dabei besonders im Fokus...

Wichtig ist, dass er mit sich selbst im Reinen ist. Wenn ich merke, dass ich die Mannschaft nicht mehr erreichen und die Stimmung gegen mich ist, dann ist ist etwas, was sich auch auf die Mannschaft niederschlägt. Ich habe das Gefühl, dass er nicht mehr diese Souveränität und Lockerheit mitbringt. Er ist schnell eingeschnappt und beleidigt. Er gibt nicht mehr die freundlichen Antworten wie sonst. Das verstehe ich auch, denn im Erfolg ist es immer einfacher. Und wenn es dann nicht mehr so läuft, zieht man sich etwas zurück. Jetzt muss er sich selbst hinterfragen, ob er weiterhin der Richtige ist. Es ist ja nicht alles schlecht, was er macht. In den letzten 16 Spielen gab es zwei Niederlagen. Besser sind die Spanier oder Franzosen auch nicht. Der Gesamteindruck ist halt aber nicht mehr so wie früher.

Die Rufe nach dem aussortierten Trio Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels werden lauter. Glauben Sie an ein Comeback?

Die beste Chance der Drei zurückzukommen ist, wenn die Leistung stimmt. Daher bin ich auch der Meinung, dass Löw da einen Fehler gemacht hat. Er hätte sagen können, dass die Spieler bei der WM 2018 enttäuscht haben und auch nach der WM war in den Vereinen die Form nicht da. Daher verzichte ich auf sie. Aber er hätte die Tür nicht zumachen müssen. Das war vielleicht etwas voreilig. Man hätte sagen können, dass erst andere und jüngere ihre Chance bekommen. Er hat das Potenzial in den Spielern gesehen, die 2017 den FIFA Konföderationen-Pokal gewonnen haben. Aber diese brauchen selbst noch etwas Führung. Man braucht auch erfahrene Spieler, um erfolgreich zu sein. Im Spiel gegen Spanien wurde deutlich, dass Toni Kroos oder Illkay Gündogan, die Mannschaft nicht führen können, wenn es mal schwierig wird.

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