Freitag 04 Dezember 2020, 20:39

Lindahl: "Mein verrückter Kindheitstraum ist wahr geworden"

  • Hedvig Lindahl träumte schon immer davon, die Beste zu sein

  • Die Rekordtorhüterin Schwedens ist erneut bei den FIFA Football Awards nominiert

  • Lindahl spricht über ihre wichtigsten Eigenschaften und stolzesten Erfolge

Viele Fussballer spielen die Bedeutung individueller Auszeichnungen gern herunter. Nicht so jedoch Hedvig Lindahl.

Die schwedische Nationaltorhüterin in Diensten von Atlético Madrid ist stolz darauf, eine gute Teamplayerin zu sein und schreibt ihre jahrzehntelangen Erfolge nicht zuletzt ihrer Fähigkeit zu, mit den Spielerinnen vor ihr eine solide Einheit zu bilden. Doch Lindahl empfindet zudem seit ihrer Kindheit auch das brennende Verlangen, persönlich herauszuragen und als Einzelspielerin zu glänzen. Der Bereich 'Meine Geschichte' auf ihrer Website hedviglindahl.com beginnt so: "Wann immer mich in meiner Kindheit jemand fragte, was ich später einmal werden will, antwortete ich, dass ich die beste Torhüterin der Welt werden wollte. Ich habe mich auf meinem gesamten Lebensweg stets von dieser Vision leiten lassen."

Daher bedeutet ihr die Anerkennung ihrer Zugehörigkeit zur Weltspitze sehr viel. Die heute 37-Jährige war begeistert, als sie 2018 in die FIFA/FIFPro World 11 – Frauen gewählt wurde. 2019 gehörte sie zu den drei Finalistinnen um die erstmals vergebene Auszeichnung The Best – FIFA-Welttorhüterin und nun freut sie sich, erneut zu den Nominierten zu gehören.

"Das bedeutet mir wirklich sehr viel", sagte sie gegenüber FIFA.com. "Als ich in meinem kleinen Dorf in Schweden aufwuchs, reifte in mir dieser Traum, die beste Torhüterin der Welt zu werden. Doch erst in den letzten Jahren kommen solche Auszeichnungen. Daher habe ich das Gefühl, dass durch diese Nominierung für die Weltauswahl und die FIFA Football Awards mein Kindheitstraum nun endlich wahr wird.

"Ich träume trotz meines Alters durchaus noch davon, diese Auszeichnung noch zu gewinnen. Das wird allerdings sehr schwer, wegen all dieser großartigen jungen Torhüterinnen, die nachrücken. Aber ich denke, ich habe durchaus gezeigt, dass ich mit ihnen mithalten kann, wenn ich hart trainiere. Ich kann beweisen, dass ich eine der Besten, wenn nicht sogar die Allerbeste bin."

Die erfahrene Schwedin ist jedenfalls mit Abstand die älteste der Nominierten. Konkurrentin Ellie Roebuck war noch ein Kleinkind, als Lindahl bereits zur ersten ihrer mittlerweile fünf FIFA Frauen-Weltmeisterschaften™ fuhr. Und noch gibt es keinerlei Anzeichen, dass ihre Kräfte schwinden. Im Gegenteil. Bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Frankreich 2019™ zeigte Lindahl mit ihre besten Leistungen aller Zeiten – und danach gewann sie mit dem Team des VfL Wolfsburg das Double und stieß bis ins Finale der UEFA Champions League der Frauen vor.

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"Das war eine großartige Phase", sagt sie. "Die Weltmeisterschaft war wirklich wichtig, um mich wieder aufzubauen. Mein Glaube an mich selbst hatte zum Ende meiner Zeit bei Chelsea doch etwas gelitten. Ich brauchte dieses Erlebnis, um allen – auch mir selbst – zu zeigen, dass ich immer noch eine der besten Torhüterinnen bin.

"Ich war sehr dankbar, dass ich nach dieser Weltmeisterschaft gleich zu einem Klub wie Wolfsburg kam, mit einem der besten Kader der Welt. Ich empfand großen Respekt für die Spielerinnen, habe viele tolle Freundschaften geschlossen und einige große Erfolge gefeiert. Es war für mich auch ein großer Lerneffekt. Ich habe gesehen, was dieses Team über so viele Jahre hinweg so erfolgreich gemacht hat und wie bescheiden, arbeitsam und professionell alle dort sind. Das war jedenfalls eine der angenehmsten Saisons meiner Karriere."

In den vergangenen Monaten hatte Lindahl wegen einer Verletzung und aufgrund der Einschränkungen wegen COVID-19 kaum Möglichkeiten, sich für ihren neuen Klub und ihr Land zu profilieren. Doch sie genießt das Leben bei Atlético Madrid und hat bei einem weiteren großen internationalen Turnier ihre fünfte Teilnahme im Visier. "Wenn ich mit nach Tokio fahre, wäre das meine fünfte Olympiateilnahme. Ich glaube, das hat noch niemand vor mir geschafft, in Schweden jedenfalls ganz sicher nicht. Das ist also durchaus eine tolle Perspektive", so Lindahl. "Was die nächste WM angeht (Lindahl hatte zuvor gegenüber FIFA.com gesagt, dass Frankreich 2019 "definitiv" ihre letzte WM werde), kann man nie wissen.

"Als ich Ihnen das vor Frankreich sagte, konnte ich mir nicht vorstellen, das alles noch einmal durchzumachen. Die Teilnahme an einem Turnier wie der WM und gute Leistungen dort erfordern sehr viel Anstrengung, körperlich und mental. Derzeit sehe ich nicht, dass ich 2023 noch dabei bin. Aber wenn ich die entsprechende Wertschätzung spüre und das Gefühl habe, dass ich noch etwas Wertvolles zum Team beitragen kann, dann würde ich es nicht vollständig ausschließen. Sag niemals nie!"

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#TheBest: Lindahl über Lindahl

#TheBest Meine besten physischen Merkmale

"Ich war schon immer ziemlich explosiv. Schon als Kind war ich muskulös, schnell, stark und kraftvoll. Diese Eigenschaften habe ich mir während meiner gesamten Karriere bewahrt. Das hat mir definitiv sehr geholfen. Und auch meine Körpergröße ist für mich als Torhüterin eine gute Eigenschaft."

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#TheBest Meine besten mentalen Merkmale

"Vielleicht meine Hartnäckigkeit und die Weigerung, aufzugeben. Das ist ein wichtiger Teil meiner Persönlichkeit und nicht selten durchaus eine Herausforderung. Ich kann in Diskussionen regelrecht sturköpfig sein und ich bin sicher, dass nicht wenige meiner Bekannten in den letzten Jahren auch mal gedacht haben: 'Nun sei doch endlich mal still!' Mein Geist ist schon fast hyperaktiv. Das kann aber sogar negativ sein, denn ich habe in der Vergangenheit manchmal auch zu viel analysiert. Doch was das Erreichen von Zielen und das Überwinden von Hindernissen angeht (Verletzungen, Kritik, Fehler usw.) ist es ein großer Vorteil, dass ich so willensstark, entschlossen und zielorientiert bin. Ich denke auch, dass ich meinen Kopf in den letzten Jahren etwas besser nutze, ruhiger geworden bin und nicht mehr alles bis ins letzte Detail analysiere."

#TheBest Der beste Erfolg meiner Karriere

"Das ist eine schwere Frage. Da gibt es mehrere einmalige Erfolge - Turniere, Auszeichnungen usw. – aber auch viele längerfristige Dinge, die mir sehr wichtig sind. Es war fantastisch, als wir 2015 mit Chelsea das Double geholt haben, denn vor dieser Saison hatte der Klub noch nie irgendetwas gewonnen. Auch der Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2016 – nachdem wir im Viertelfinale die USA besiegt hatten – war eine fantastische Sache. Schon allein, dass ich für all diese Turniere nominiert wurde und mehr Länderspiele für Schweden absolviert habe als jede andere Torhüterin und jeder andere Torhüter ist etwas, worauf ich sehr stolz bin, denn für diese Rekorde muss man einfach über sehr lange Zeit sehr viel bringen."

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#TheBest Die beste Rettungstat

"Eine meiner Stärken als Torhüterin ist es, dass ich die Abwehr vor mir gut organisieren kann. Das soll eigentlich dazu führen, dass ich meist keine allzu spektakulären Paraden zeigen muss! Ich denke nicht, dass ich wirklich viele tolle Paraden zeige und als Torhüter will man das eigentlich auch gar nicht nötig haben. Vielleicht sind es die gehaltenen Elfmeter bei großen Turnieren. Der gegen [Janine] Beckie in Frankreich war klasse, doch am meisten bedeutet mir der gehaltene Elfmeter von Alex Morgan bei den Olympischen Spielen in Rio. Einen Schuss von einer solchen Spielerin in einem historischen Elfmeterschießen zu halten, und damit gegen die USA mit Hope Solo zu gewinnen – die mir beim Erreichen meines große Zieles immer wieder im Weg stand – das war wirklich ein fantastischer Moment für mich."

#TheBest Der beste Rat, den ich jungen Torhüterinnen geben kann

"Einer der wichtigsten Aspekte ist es, immer eine neue Herausforderung zu finden. Es ist auch wichtig, sich bei allen Zielen immer auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren - nicht auf das, was morgen oder nächstes Jahr passieren wird oder wovon du hoffst, dass es passieren wird. Ich würde auch dazu raten, dafür zu sorgen, dass man sich immer in einem herausfordernden Umfeld befindet und mit guten Torwarttrainern – und verschiedenen Trainern – zusammenzuarbeiten, denn das Kennenlernen verschiedener Ansätze und Stile hilft sehr, sich zu verbessern und frisch zu halten."

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