Freitag 21 September 2018, 03:42

Einsamer Fan wird zur Inspiration

  • Er war der einzige Fan seines Klubs bei einem Auswärtsspiel

  • Starspieler Arturo Vidal: "Das ist ein echter Fan"

  • Wird er den FIFA-Fanpreis 2018 gewinnen?

"Nunca jugarás sólo" (Du wirst nie allein spielen) – Dieses Versprechen machte Sebastián Carrera dem Klub seines Herzens, Club de Deportes Puerto Montt.

Und es scheint ihm wirklich ernst damit zu sein, denn am Sonntag, 22. Oktober 2017, war er der einzige Fan der Albiverde, der die 1500 Kilometer zurücklegte, die Puerto Montt von Coquimbo trennen, um seinen Klub in der Partie der zweiten chilenischen Liga anzufeuern.

Angesichts dieses enormen Treuebeweises wurde er für den FIFA-Fanpreis 2018 nominiert, der anlässlich der The Best FIFA Football Awards vergeben wird.

"Es ist wirklich unglaublich, was seit diesem Tag alles passiert ist", so Carrera im Gespräch mit FIFA.com. "Und dabei wäre ich fast nicht gefahren!", fügt der bescheidene 34-Jährige hinzu.

Vor dem Spiel

Dieses Geständnis kommt überraschend, ist jedoch ein guter Ausgangspunkt für seine Geschichte.

"Am Montag davor sagte ich zu meiner Frau, die ich vor acht Jahren im Stadion kennen gelernt habe, dass ich aufgrund der Familienfeier, die wir an diesem Tag zu Hause hatten, wohl nicht fahren würde. Aber am Freitagnachmittag erfuhr ich dann, dass keiner meiner Freunde fahren würde. Da habe ich mir gesagt: 'Ich darf nicht fehlen'."

Mit der Arbeit gibt es keine Probleme. Sebastián kann die Arbeitszeiten bei einem Einzelhandelsunternehmen auf den Spielplan von Puerto Montt abstimmen. Also machte er sich auf die Reise.

"Mit dem Auto zu fahren war keine Option und Flüge kann ich mir nicht leisten. Also stieg ich noch am Freitag in den ersten Bus nach Santiago. Dort ruhte ich mich ein paar Stunden aus, und nachts ging es dann weiter in Richtung Coquimbo. Ich bin am Sonntag etwa um 5:00 Uhr morgens dort angekommen."

Die Auswärtsfahrt in Zahlen

  • 3000– So viele Kilometer legte er insgesamt an diesem Wochenende zurück

  • 40 – So viele Stunden verbrachte er etwa in Bussen

  • 5000 chilenische Pesos zahlte er an Eintrittsgeld (ca. EUR 6,50)

Bekleidet mit einem Trikot der Albiverde und einer leichten Jacke fühlte er sich von einigen Fans von Coquimbo Unido beobachtet. "Sie sind sehr fanatisch, und um Problemen aus dem Weg zu gehen, bin ich sieben Kilometer an der Küste entlanggelaufen nach La Serena, einer Stadt, in der Fussball eine weniger große Rolle spielt."

Er schlief eine Weile am Strand, aß etwas und machte sich dann zu Fuß auf den Weg ins Stadion. Dort erlebte er dann die erste Überraschung: Gästekasse und Gästetribüne waren geschlossen.

"Sie hatten noch keine einzige Eintrittskarte verkauft und fragten mich, ob noch mehr Leute aus Puerto Montt kommen würden. Ich hatte niemanden gesehen, also haben sie extra für mich geöffnet. Sogar Sicherheitspersonal haben sie eingesetzt."

Während des Spiels

Wir wollten wissen, wie die 4.000 Fans der Heimmannschaft auf ihn reagierten? "Zu Anfang gab es einige Beschimpfungen, aber vor allem machten sie sich lustig. Später, als ich nicht aufhörte, mein Team anzufeuern, fanden sie mich dann sympathisch."

Das Bild, auf dem er ganz allein auf der Tribüne zu sehen war ging schnell viral. Zur Halbzeit hatte der chilenische Star Arturo Vidal bereits ein Foto von Sebastián in seinem Instagram-Account veröffentlicht. Sein Kommentar: "Das ist ein echter Fan."

Nach dem Duell mehrten sich die Sympathiebekundungen von den gegnerischen Fans – und das, obwohl Puerto Montt die Partie überraschend mit 2:1 gewonnen hatte. "Einige applaudierten mir, andere boten mir etwas zu Essen oder zu Trinken an, brachten mich zum Bus ... so etwas war mir vorher noch nie passiert."

Nach dem Spiel

In den sozialen Netzwerken bedankten sich Spieler von Puerto Montt für seine Unterstützung. Er bekam sogar einen Anruf von einem Spieler von Coquimbo Unido, der ihn beglückwünschen wollte.

"Meine Frau sagte, sie sei stolz auf mich. Mein Chef hatte zuvor zwar gewusst, dass ich fanatisch war, aber er hatte sich keine Vorstellung davon gemacht, welche Opfer ich brachte. Auch auf der Straße wurde ich von vielen angesprochen, die mir sagten, ich sei eine Inspiration. Das war alles sehr befriedigend."

Dennoch überraschte ihn die spätere Nominierung für den FIFA-Fanpreis. "Ich habe meine Tochter zur Schule gebracht, und als ich zurückkam, klingelte ständig das Telefon. Ich war aufgrund dessen in mehreren Posts markiert worden."

Bald gab es keinen Zweifel mehr. "Ich habe die Website der FIFA aufgerufen, und auch als es sich bestätigte, kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Nachmittags musste ich arbeiten. Ich war zwar körperlich anwesend, mit den Gedanken aber ganz woanders."

Carrera, der noch nie aus Chile herausgekommen ist, erklärt, dass es für ihn persönlich, aber auch für den Klub, für Chile und für Millionen Fans wie ihn, die es bei allen Klubs gibt, eine große Bedeutung haben würde, den Preis zu gewinnen.