Freitag 21 September 2018, 07:00

Assistenztrainer Stephan unterstreicht die Stärken von Deschamps

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  • Guy Stephan ist seit 2009 Assistenztrainer von Didier Deschamps

  • Er spricht über die Stärken des Trainers der "Bleus"

  • Kritik an der Spielweise des Weltmeisters weist er zurück

Sich mit den richtigen Menschen zu umgeben, ist für den Erfolg eines jedes Vorhabens von entscheidender Bedeutung. Diese Weisheit kennt auch Didier Deschamps. Als er 2009 zum Trainer von Olympique Marseille ernannt wurde, holte er Guy Stephan als Assistenztrainer. Die Zusammenarbeit setzte er auch fort, als er 2012 die Leitung der französischen Nationalmannschaft übernahm.

Sechs Jahre später gewannen die Bleus zum zweiten Mal in ihrer Geschichte die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™. Im Gespräch mit FIFA.com äußerte sich Deschamps' rechte Hand über das Erfolgsrezept seines Chefs, der bei den The Best – FIFA Football Awards™ in der Endauswahl als FIFA-Welttrainer im Männerbereich steht.

Wie haben Sie Didier Deschamps als Spieler gesehen? Ich kenne ihn schon seit 2000, als ich Assistenztrainer des damaligen französischen Nationaltrainers Roger Lemerre war. Didier war Mannschaftskapitän und er dachte schon damals wie ein Trainer, eine echte Führungsfigur. Wenn ich mir damals jemanden auf der Trainerbank vorstellen konnte, dann ihn. Allerdings hätte ich mir nicht träumen lassen, dass wir später zusammenarbeiten würden.

Sie waren in dieser Zeit auch Trainer von Zinédine Zidane. Hätten Sie gedacht, dass auch er eine erfolgreiche Trainerkarriere einschlagen könnte? Nein, ich würde lügen, wenn ich das behaupten würde. Bei ihm war diese Berufung nicht so deutlich wie bei Didier. Zizou hat sich nach seinem Rücktritt als Spieler auch entsprechend Zeit genommen. Er hat seine Trainerscheine gemacht und sich mit Bedacht und viel Intelligenz entwickelt. Was er mit Real Madrid erreicht hat, ist einfach beeindruckend.

Was beeindruckt Sie heute an Deschamps am meisten? Er weiß das Team zu führen und den Menschen seine Visionen zu vermitteln. Er ist ein guter Zuhörer und hat ein großartiges Verhältnis zu den Spielern. Er kennt seinen Job ganz genau und weiß alles über den Spitzenfussball. Am meisten beeindruckt mich allerdings seine Fähigkeit, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen. Er hat bei der WM die richtigen Entscheidungen getroffen und sich nicht beirren lassen, als Kritik laut wurde.

Wie ist er während eines Spiels? Sehr ruhig. Er ist in den letzten sechs Jahren sehr viel ruhiger geworden. Er verfügt über die großartige Gabe, die Dinge gut analysieren zu können. Er fragt mich oft nach meiner Meinung und ich sage sie ihm. Letztlich ist er zwar derjenige, der die Entscheidungen trifft, doch wir sprechen sie immer vorher durch.

Was haben Sie ihm zu bieten? Vielleicht, dass auch ich einmal Cheftrainer war. Das sagte er jedenfalls 2009, als man ihn zu meiner Ernennung befragte. Ich weiß, was er braucht. Auch meine Erfahrungen als Trainer im Ausland, in Afrika und in der Türkei, sind in seinen Augen wichtig. Wir arbeiten jetzt seit neun Jahren zusammen, also muss er wohl zufrieden sein (lacht).

Welche Antwort haben Sie auf die Kritik an der Spielweise der "Bleus" in Russland? Es wurde kritisiert, wir hätten nicht genug Ballbesitz, was nicht richtig ist: Wir hatten während des gesamten Turniers 49 Prozent Ballbesitz. Die Mannschaft hatte viele Stärken. Insbesondere das Umschaltspiel hat hervorragend funktioniert. Sobald die Mannschaft den Ball hatte, ging es direkt in Richtung gegnerisches Tor. Auch bei Standardsituationen hat das Team geglänzt. Und in der Defensive standen wir sehr solide. Man braucht ein gutes Fundament, wenn man ein Haus bauen will. Wir haben hochklassigen Fussball gespielt, schnelle Angriffe gezeigt und tolle Tore erzielt, beispielsweise das 2:2 von Benjamin Pavard gegen Argentinien. Den Pass auf ihn hat Lucas Hernandez gespielt. Wenn der Linksverteidiger eine Flanke für den Rechtsverteidiger bringt, dann heißt das wohl, dass die Spieler sich auf dem Platz ihre Freiheiten nehmen.

Während des gesamten Turniers lagen wir nur neun Minuten lang zurück. Das zeigt, dass wir nie die Kontrolle verloren haben. Wir mussten kein einziges Mal in die Verlängerung und wir haben im Finale vier Tore erzielt. Das hatte es schon sehr lange nicht mehr gegeben. All diese Fakten lassen nur einen Schluss zu: Frankreich hat sehr, sehr gut gespielt. Abgesehen von all dem spielerischen Talent war auch der Teamgeist im Quartier fantastisch. Das gilt für alle, auch für den gesamten Stab.

Deschamps ist erst der dritte Mann, der die WM als Spieler und als Trainer gewonnen hat. Warum ist ihm das gelungen, was denken Sie? Wie ich schon gesagt habe: Er hat das Talent, den Leuten seine Ideen zu vermitteln und sie davon zu überzeugen. Eine Nationalmannschaft besteht ja nicht nur aus dem Trainer und seinen Spielern. Es gibt auch noch den ganzen Stab drumherum, vielleicht rund 20 Menschen. Diese ganz verschiedenen Persönlichkeiten müssen zwei volle Monate auf engem Raum zusammen leben und alle für das gleiche Ziel arbeiten.

Er spricht nicht besonders gern über die Vergangenheit, richtig? Das stimmt. Er nutzt zwar seine Erfahrung, doch er spricht nicht darüber, was er als Spieler gemacht und erreicht hat. Er sagt nie so so etwas wie: ‘1998 habe ich dies und das gemacht’. Er lebt in der Gegenwart. Das war schon 1998 der Schlüssel zum Erfolg und nun auch 20 Jahre später. Dennoch haben wir natürlich etwas aus dem Scheitern bei der EURO 2016 gelernt. Dank dieser Lektion sind wir in Russland mit einer klar besseren Einstellung ins Finale gegangen, mit mehr Ruhe und Besonnenheit. Didier hat sich enorm entwickelt. Und er ist noch ein junger Trainer, der noch viele gute Jahre vor sich hat. Er weiß, was er tut und er weiß, was er will.