Donnerstag 23 August 2018, 09:11

Dalic: "Die sportlich beste Zeit meines Lebens"

  • Kroatiens Nationaltrainer in der Vorauswahl The Best - FIFA-Welttrainer (Männer)

  • Zlatko Dalic im exklusiven FIFA.com-Interview

  • "Das kann man mit Worten nicht beschreiben"

Über das Jahr 2018 wird man in Kroatien noch lange sprechen und das noch über Generationen - so viel steht schon mal fest. Schließlich erreichten die Vatreni vor rund sechs Wochen bekanntermaßen als kleinstes Land nach Uruguay 1950 ein WM-Finale. Zwar verlor man dort gegen die Franzosen in einem wahrlich spektakulären Spiel mit 4:2, doch der Erfolg des Endspieleinzuges ist dem Team um dem adidas-Goldenen-Ball-Gewinner Luka Modric, Ivan Rakitic und Mario Mandzukic nicht mehr zu nehmen.

Architekt des Erfolges ist Trainer Zlatko Dalic, der es mit akribischer Arbeit geschafft hat, aus einem Team von erstklassigen Individualisten eine Einheit zu formen. Zu Recht steht der 51-Jährige nun auch in der Vorauswahl auf den Titel The Best - FIFA-Welttrainer (Männer).

Dalic als Spieler

  • Position: Defensives Mittelfeld

  • Vereine: u.a. Hajduk Split, Velez Mostar, Varteks Varazdin

Dalic als Trainer

  • Beginn bei Varteks sowie als Assistenztrainers der kroatischen U-21-Auswahl

  • Supercup-Sieger mit Dinamo Tirana. Zudem war er in Saudiarabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten angestellt, wo er mit Al Ain die nationale Meisterschaft gewann

  • Im Oktober 2017 ersetzte er Ante Cacic als Cheftrainer der kroatischen A-Nationalmannschaft

FIFA.com sprach exklusiv mit ihm über die letzten Wochen sowie über die Auszeichnung The Best.

Das WM-Finale ist nun bereits einige Wochen her – wie fühlen Sie sich? Ich habe immer noch das Gefühl, dass das alles für uns wie ein Traum ist. Als wir zurückkamen, wurden wir in Zagreb von mehr als 500.000 Fans erwartet. Diesen Tag wird niemand von uns jemals vergessen. Und danach bekam dann noch jeder von uns seine ganz persönliche Begrüßung in der Heimatstadt. Der ganze Sommer ist einfach unglaublich, eine fantastische Zeit. Erst als wir persönlich sahen, wie viel dieses Abschneiden der ganzen Nation bedeutete, wurde uns klar, wie wichtig unsere Reise nach Russland für alle Kroaten war. Ich bin einfach unendlich stolz auf meine Spieler, die etwas Historisches erreicht haben – für sich selbst, für unseren Fussball und für unser ganzes Land.

Können Sie allmählich erfassen, was Sie und Ihr Team geleistet haben? Es wird möglicherweise noch ein paar Jahre dauern, bis die Tragweite dieses Abschneidens in sportlicher Hinsicht tatsächlich ganz klar wird. Natürlich sehen wir, wie glücklich und stolz wir unser Land gemacht haben, doch ich denke, es wird noch etwas dauern, bis ganz klar wird, wie herausragend und überraschend es ist, dass unser kleines Land mit nur vier Millionen Einwohnern innerhalb von 20 Jahren zwei WM-Medaillen geholt hat. Wissen Sie, wie viele Länder mehr als wir haben? Nur Deutschland und Frankreich. Brasilien nicht, Italien nicht, Argentinien nicht und auch Spanien nicht. Das ist sehr beeindruckend und es ist nicht nur der Verdienst dieses Teams und des Teams von 1998, sondern aller Spieler, Trainer und anderer Mitarbeiter im kroatischen Fussball.

Wie war die Rückkehr nach Kroatien nach dem Finale? Das kann man mit Worten nicht beschreiben. Wenn man sich die Aufnahmen ansieht, dann bekommt man den Eindruck, dass wir die WM gewonnen hätten. Vom Flughafen bis zum zentralen Platz in Zagreb brauchten wir sechs Stunden! Und die Fans standen bis zu zehn Stunden in der prallen Sonne, nur um den Bus mit den Spielern für eine einzige Minute zu sehen. Alle waren überglücklich und stolz. Diese Momente wird niemand von uns jemals vergessen. Am Tag danach gab es dann in den Heimatstädten der Spieler weitere, zum Teil ziemlich verrückte Willkommensfeiern. Im ganzen Land drehte sich in diesen Tagen alles nur um unser Team.

Jetzt sind Sie als The Best – FIFA-Welttrainer - Männer nominiert. Was sagen Sie zu dieser Nominierung? Ich fühle mich sehr geehrt, weil ich zu dieser Gruppe gehöre. Die Kollegen schätze und respektiere ich alle sehr. Persönliche Auszeichnungen sind immer die Folge einer guten Teamleistung. Das gilt für die Spieler und mehr noch für die Trainer. Ich kann meinen Spielern nur für ihre herausragenden Leistungen bei der WM danken, durch die ich erst in diese Situation gekommen bin. Natürlich bin ich glücklich, dass ich zu diesem historischen Ergebnis für Kroatien beitragen konnte. Doch die Ehre dafür gebührt in erster Linie den Spielern, denn sie sind es, die auf dem Platz stehen und spielen.

Denken Sie, dass Sie die Auszeichnung gewinnen? Die wichtigen Siege waren diejenigen bei der Weltmeisterschaft, gegen Nigeria, Island, Argentinien, Dänemark, Russland und England. Eine persönliche Auszeichnung ist nicht annähernd so wichtig wie die Silbermedaille, die wir als Team gewonnen haben. Natürlich würde ich diese Auszeichnung sehr schätzen und mich darüber freuen, doch ob ich sie gewinne oder nicht ändert nichts an der Tatsache, dass dieser Sommer die sportlich beste Zeit meines Lebens war.

Was sagen Sie zu den anderen Nominierten? Wenn ich mir die Liste der nominierten Trainer ansehe, fühle ich mich sehr geehrt, dass ich unter all diesen Kollegen bin, die alle mit ihren jeweiligen Teams großartige Arbeit leisten. Ich freue mich, dass nicht weniger als fünf WM-Trainer nominiert sind. Das unterstreicht, wie wichtig dieses Turnier ist. Ich erwarte auch, dass dieses Jahr ein Nationaltrainer die Auszeichnung gewinnt. Didier Deschamps hat mit Frankreich natürlich absolut großartige Arbeit geleistet. Doch es war auch sehr beeindruckend, wie Cherchesov Außenseiter Russland bis ins Viertelfinale führte, wie Southgate das junge englische Team sogar bis ins Halbfinale führte oder wie Martinez mit Belgien eine Medaille holte. Sie alle haben fantastische Arbeit geleistet. Ich danke allen, die unseren bemerkenswerten Erfolgslauf bei der WM schätzen. Ich denke, wir haben alle Gegner übertroffen, selbst Frankreich im Finale, wobei ich den Franzosen zu ihrem verdienten Titelgewinn gratuliere.

Ihr Starspieler Luka Modric ist ebenfalls nominiert. Er hat bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ den Goldenen Ball gewonnen. Denken Sie, dass er auch zum The Best – FIFA-Weltfussballer gewählt wird? Ich weiß nicht, ob er gewinnen wird, doch ich habe keinen Zweifel daran, dass er es verdient hätte. Er ist schon seit vielen Jahren ein Schlüsselspieler bei Real Madrid, wo er schon vier Mal die UEFA Champions League gewonnen hat. Es ist für alle anderen Spieler sehr schwer, eine individuelle Auszeichnung zu gewinnen, solange Messi und Ronaldo von Jahr zu Jahr mit ihren Torrekorden Geschichte schreiben. Genau deswegen waren sie ja während der vergangenen zehn Jahre stets zurecht nominiert. Aber Luka hat bei der FIFA Klub-Weltmeisterschaft 2017 den Goldenen Ball gewonnen, er war auch beim neuerlichen Titelgewinn in der UEFA Champions League ein Schlüsselspieler, und dann hat er verdient den Goldenen Ball bei der WM gewonnen, wo er Kroatien als Spieler und Kapitän zu großem Ruhm geführt hat. Was könnte er noch tun? Mir fällt kein besserer Spieler ein, der Ronaldo und Messi auf den Thron folgen könnte. Luka ist ein bescheidener Spieler, der hart arbeitet und stets sein Bestes gibt, der mit gutem Beispiel vorangeht und alle Spieler um ihn herum mitreißt. Ich sehe keinen Spieler, der es in diesem Jahr mehr verdient hätte als Luka und ich bin sicher, dass die gesamte Fussballwelt es genau so sieht.

Können Sie uns Ihre Arbeitsweise als Trainer beschreiben? Es ist schon ein Unterschied, ob man eine Klubmannschaft oder eine Nationalmannschaft trainiert. Man muss sich an die Gegebenheiten anpassen, an die Spieler, die zur Verfügung stehen und den Wettbewerb und die Konkurrenten. Ich versuche jedenfalls, ein Trainer für die Spieler zu sein. Ich will ein gutes Verhältnis zu den Spielern, das von Vertrauen geprägt ist. Ich will den Spielern gegenüber vollkommen offen sein und ihnen meine Ideen und Pläne klarmachen. Das sind erwachsene Männer und so behandle ich sie auch. Dafür erwarte ich, dass sie mich, meinen Stab und die Teamkameraden ebenfalls mit Respekt behandeln. Wenn alle verinnerlicht haben, dass wir füreinander da sind und dass die Mannschaft vor jedem Einzelnen kommt, dann haben wir eine gute Grundlage und können an Dingen wie Taktik, Fitness und allen anderen fussballerischen Aspekten arbeiten.