Montag 14 Dezember 2020, 12:52

Bouhaddi: "Im Herzen bleibe ich eine Spielerin"

  • Sarah Bouhaddi ist Finalistin für die Auszeichnung The Best – FIFA-Welttorhüterin

  • Die Torfrau von Olympique Lyon rief zur Schaffung dieser Auszeichnung auf

  • Bouhaddi: "Torhüterinnen werden manchmal zu viel kritisiert"

Als in den Jahren 2017 und 2018 die Gewinner der The Best-Auszeichnungen der FIFA offiziell bekanntgegeben wurden, brachte Sarah Bouhaddi ihre Gefühle auf Twitter zum Ausdruck. "Schade, dass es keine Auszeichnung für die beste Torhüterin gibt", schrieb die Torfrau von Olympique Lyon seinerzeit. Ein Jahr später schrieb sie uns eine Nachricht, in der sie ihre Freude über die Schaffung der Auszeichnung The Best – FIFA-Welttorhüterin zum Ausdruck brachte.

"Das war nicht für mich persönlich besonders wichtig, sondern für alle Torhüterinnen", meint Bouhaddi im Gespräch mit FIFA.com, die dieses Jahr unter den drei Finalistinnen der Kategorie steht. "Wir machen den gleichen Job wie die Männer, und ich fand es schade, dass wir nicht ebenso in den Blickpunkt gerückt wurden. Insbesondere, weil es auf dieser Position eine beträchtliche Entwicklung gegeben hat und wir heute im Frauenfussball hervorragende Torhüterinnen haben."

Heuzutage gibt es ein größeres Bewusstsein für den Einfluss, den Torhüterinnen auf die Leistungen eines Teams haben", so die 34-jährige Französin. "In den letzten zehn Jahren hat es eine ganz schöne Entwicklung gegeben, und uns wird heute viel mehr abverlangt. Ich persönlich versuche, so viel wie möglich am Spiel meines Teams teilzuhaben und die besten Bedingungen für meine Mitspielerinnen zu schaffen."

Ihre Qualität mit dem Ball am Fuß wurde kürzlich von Camille Abily in einem Interview mit FIFA.com gelobt, in dem die ehemalige Spielerin und aktuelle Co-Trainerin von OL auch erklärte: "Ihre vielleicht einzige Schwäche ist, dass sie manchmal den Ball etwas zu langsam wieder ins Spiel bringt, wenn sie noch etwas direkter sein könnte. Aber das ist nur eine Kleinigkeit und sie hat das auch fast ganz abgelegt."

"Im Herzen bleibe ich eben eine Spielerin", so Bouhaddi. "Aber tatsächlich versuche ich diese spielerischen Einlagen wo weit wie möglich zu reduzieren, wenn ich auf dem Platz stehe, weil es Risiken gibt, die man nicht eingehen sollte, um das Team nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Ich kann mich mit dem Ball am Fuß noch verbessern, wobei ich glaube, dass den Leuten gar nicht bewusst ist, wie gefragt ich [als Anspielstation] bin. Ich bin nicht sicher, ob es viele Torhüterinnen gibt, die es pro Spiel auf mehr als 50 Ballberührungen bringen. Das ist eine meiner Stärken und gleichzeitig ist es die Eigenschaft, für die ich am häufigsten kritisiert werde."

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Eine Position im Wandel

Laut Bouhaddi, gibt es sowohl mit Bezug auf die eigene Wahrnehmung als auch auf die Ausbildung und Infrastruktur für Torhüterinnen noch viel zu tun. "Bei den Nationalteams oder den großen Klubs bekommen Torhüterinnen ein spezielles Training. Das ist ausgesprochen wichtig, um gute Ergebnisse zu erzielen", betont die Torhüterin, die diese Entwicklung gern überall im Frauenfussball sehen würde.

"Torhüterinnen stehen manchmal zu sehr in der Kritik, daher ist es gut, wenn sie auch einmal positiv in den Blickpunkt gerückt werden. Oftmals erinnern sich die Leute nur an das Negative, aber das ist eine sehr anspruchsvolle Position. Was wir tun, ist schwierig, und es sollten mehr Anstrengungen unternommen werden, die positive Entwicklung im Frauenfussball hervorzuheben."

Letztes Jahr schaffte Bouhaddi es nicht unter die drei Finalistinnen für die The Best – FIFA-Welttorhüterin. "Das ist normal. Es war ein WM-Jahr und die drei Finalistinnen haben alle einen starken Eindruck hinterlassen. Die Leute erinnern sich oftmals eher an Schlüsselsituationen als an die ganze Saison. Aber bei den Männern lässt sich das Gleiche beobachten", so die Spielerin von OL, deren beständige Leistungen auf höchstem Niveau im gesamten letzten Jahrzehnt respekteinflößend sind. Sie kann sage und schreiben zehn französische Meistertitel in Folge und fünf Titelgewinne in der Champions League für sich verbuchen.

Lyon auf Trophäenjagd

Was die Auszeichnung zur The Best – FIFA-Weltfussballerin angeht, gibt Bouhaddi einer Spielerin klar den Vorzug: "Ich mag es, wenn jemand über lange Zeit erfolgreich ist. Wenn man sich den Werdegang von Wendie Renard anschaut, dann hat sie mit ihrem Klub alles gewonnen, ist ein Aushängeschild des Nationalteams und macht überall mit ihren Führungsqualitäten von sich reden."

Auf jeden Fall möchte die Teamkollegin von Renard, dass ihr Klub bei der Vergabe der The Best FIFA Football Awards nach einer weiteren herausragenden Saison gut abschneidet. Außerdem wäre das in ihren Augen eine Belohnung für die gute Arbeit, die dort seit vielen Jahren geleistet wird. "Manche denken vielleicht, dass es für Lyon leicht ist, aber die anderen Klubs werden jedes Jahr stärker und wir müssen unser Niveau auch anheben. Das ist nicht so einfach, wir sind schließlich keine Roboter. Es wird immer schwieriger zu gewinnen. Heutzutage möchte jeder Olympique Lyon zu Fall bringen. Die anderen Teams geben 2000 Prozent, wenn sie gegen uns antreten, aber das motiviert uns nur noch mehr", so Bouhaddis Analyse.

Die jüngsten Ergebnisse untermauern ihre Aussage. Da wäre zum Beispiel die Niederlage im Ligaspiel gegen Paris Saint-Germain am 20. November und der hart erkämpfte 3:2-Sieg gegen Juventus Turin – ein erst seit drei Jahren bestehendes Team – in der Champions League. Der Konkurrenzdruck wächst, und zwar sowohl in Frankreich als auch auf kontinentaler Ebene.

"Es wird Spiele geben, die wir verlieren", meint sie. Wir tun wirklich alles, um diese Entwicklung hinauszuzögern. Aber von einer Machtübergabe wird man erst reden können, wenn wir die Titel nicht mehr holen. Noch ist das nicht der Fall, noch sind wir in Europa der Spitzenklub." Das ist natürlich eine Auszeichnung, die man gar nicht hoch genug bewerten kann.

Die Gewinnerinnen und Gewinner in allen Kategorien, einschließlich des FIFA-Fanpreises und des FIFA-Fairplay-Preises, werden am 17. Dezember 2020 ab 19.00 Uhr MEZ in einer TV-Show gekürt.

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