Sonntag 12 Juli 2020, 04:41

Zidane köpft Frankreich in den siebten Himmel

  • FIFA.com erinnert daran, wie Zizou Frankreich 1998 zum Titel führte

  • Gleich zwei Mal traf er per Kopf

  • Erster großer Titel seit 1984 für die Equipe Tricolore

"Er ist größer als der Papst. Bei dieser Weltmeisterschaft wird Ronaldo genauso im Mittelpunkt stehen wie Pelé 1970 und Maradona 1986. Nur der Allmächtige kann Brasilien aufhalten."

Dies waren die Worte des Nigerianers Taribo West. Die Aussage nahmen zahllose andere gegnerische Spieler zähneknirschend hin, als sie 1998 zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ in Frankreich antraten. Ronaldo war mit seinen damals gerade einmal 21 Jahren bereits zweimaliger und amtierender FIFA-Weltfussballer des Jahres. In den 237 Spielen seiner Karriere hatte er bereits 204 Tore erzielt.

Dazu war O Fenômeno nur der leuchtendste Stern einer auch sonst herausragend besetzten brasilianischen Nationalmannschaft. In der Defensive zählten Taffarel, Aldair und Dunga auf ihren jeweiligen Positionen zu den bisher besten Spielern im kanariengelben Trikot. Für offensive Spielzüge standen Mario Zagallo auf den Außenbahnen die bombastischen Flügelläufer Cafu und Roberto Carlos zur Verfügung, dazu Rivaldo, der Meister des offensiven Mittelfelds, sowie Denilson, der damals teuerste Spieler der Geschichte.

Bei der 16. FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ steckte eine ganze Reihe traditionell starker Mannschaften in der Formkrise, darunter die Tschechische Republik, Mexiko, Norwegen, Jugoslawien, Chile und Kolumbien – allesamt Teams aus den Top Ten der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste. Viele hatten das Gefühl, dass, wenn überhaupt, nur ein Team die haushohen Favoriten aufhalten konnte: Frankreich. Der amtierende Weltmeister gegen den Gastgeber – das war das Finale, das sich alle neutralen Beobachter wünschten. Und die Fans bekamen genau dieses Traumfinale serviert.

Im Stade de France herrschte eine packende Atmosphäre. Die Mehrzahl der 80.000 Besucher hatte schon früh Grund zur Freude, als die Franzosen bei ihrem ersten Auftritt überhaupt bei einem Finale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ den Stars aus Brasilien den Schneid abkauften. Stephane Guivarc'h, der Torjäger aus Auxerre, hatte kurz zuvor bereits den Ball per Fallrückzieher über die Latte gejagt. Danach bereitete Zinedine Zidane mit einer Körpertäuschung, einem Übersteiger und einem Doppelpass eine weitere Großchance vor, indem er vor dem Strafraum nach innen zog und brillant für Guivarc'h durchsteckte. Guivarc'h verpasste allerdings auch diese Gelegenheit. Von Junior Baiano bedrängt brachte er nur einen Verlegenheitsschuss zustande.

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Zidane köpft mitten ins Herz Brasiliens

Doch auch in den 27 darauffolgenden Minuten ließ der Druck auf die brasilianische Abwehr nicht nach. Emmanuel Petit schlug einen Eckball in den Strafraum vor den Torraum, wo Zidane weiter hochstieg als Leonardo und den Ball nach unten ins lange Eck wuchtete.

Viele glaubten, dass dies für Brasilien der Weckruf sein würde. Die defensiven Mittelfeldspieler Didier Deschamps und Christian Karambeu sowie die Innenverteidiger Marcel Desailly und Franck Leboeuf ließen die Seleção jedoch nicht in den Spielfluss kommen. So dirigierte weiter Aimé Jacquets Auswahl um den Taktgeber Zidane herum das Spielgeschehen. Junior Baiano konnte Emmanuel Petits Volleyschuss aufs Tor gerade noch neben den Pfosten lenken, bevor Lilian Thuram Guivarc'h mit einem Pass aus der Tiefe ins Eins-zu-eins mit Torhüter Taffarel schickte. Die brasilianische Nummer eins lenkte den Flachschuss der französischen Nummer neun jedoch mit einer brillanten Reaktion ins Toraus.

Für eine Mannschaft, die ihre größten Schwächen bei der Verteidigung ruhender Bälle offenbarte, war es ungeschickt, so viele Eckbälle zuzulassen. Les Bleus nutzten diesen Schwachpunkt praktisch mit dem Halbzeitpfiff erneut aus. Youri Djorkaeff drehte das Leder mit dem rechten Fuß vors Tor und Zidane, eigentlich nie ein Kopfballungeheuer, drückte die Hereingabe zum 2:0 zum zweiten Mal über die Torlinie.

Zu Beginn der zweiten Hälfte hatte Brasilien eine starke Phase. Der eingewechselte Denilson bereitete den Franzosen Probleme, während an Ronaldo das Spiel überwiegend vorbeilief. Es gab eigentlich nur eine gefährliche Situation, in der er am langen Pfosten an den Ball kam, den er sich gekonnt vorlegte. Barthez allerdings schaffte es, den harten Schuss aus kürzester Distanz zu kontrollieren.

Guivarc'h vergab dann noch eine weitere Chance, bevor die Seleção nach 68 Minuten wieder hoffen durfte: Desailly, der vorübergehend als rechter Flügelspieler ausgeholfen hatte, brachte Cafu zu Fall. Er erhielt dafür die zweite Gelbe und folgerichtig die Rote Karte.

Brasilien konnte allerdings die zahlenmäßige Überlegenheit nicht in Tore ummünzen. In der Nachspielzeit machte Frankreich dann schließlich alles klar. Nach einer abgefangenen Ecke Denilsons trug Christophe Dugarry den Ball vom eigenen Strafraum bis in die brasilianische Hälfte. Dann passte er ihn nach links außen zum anderen Einwechselspieler Patrick Vieira. Der 22-Jährige setzte daraufhin gleich mit seinem ersten Pass seinen Teamkollegen vom FC Arsenal hervorragend in Szene: Petit schlich sich hinter Cafu davon und schob den Ball an Taffarel vorbei in die rechte untere Ecke. Damit besiegelte er den 3:0-Sieg der Franzosen.

"Zidane ist ein außergewöhnlicher Fussballspieler"

Genau 70 Jahre zuvor war die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft von den beiden Franzosen Jules Rimet und Henri Delaunay aus der Taufe gehoben worden. Nachdem Raymond Kopa, Just Fontaine und Co. 1958 auf Platz drei gelandet waren und das von Michel Platini inspirierte Ballkarussell in den 1980ern zwei Mal ins Halbfinale gekommen war, durften Les Bleus endlich als siebtes Team überhaupt die Trophäe gen Himmel recken.

"Das ist das schönste Gefühl überhaupt. Wir sind Weltmeister", meinte dazu der begeisterte Zidane. "Diese Fans haben es verdient. Sie waren während des ganzen Turniers einfach unglaublich. Ich war noch nie ein besonders guter Kopfballspieler. Ich bin wirklich froh, den Ball zwei Mal sauber getroffen zu haben."

Jacquet fügte hinzu: "Zidane ist ein außergewöhnlicher Fussballspieler. Er hat einfach Übersicht und kann mit dem Ball machen, was er will. Was ihn wirklich besonders macht, ist aber seine Dynamik, die er auch gegen Brasilien gezeigt hat. Das Kopfballspiel ist nicht seine Stärke. Er war jedoch fest entschlossen, an die Eckstöße heranzukommen – was er auch geschafft hat."

Durch seinen Einsatz schnappte er den Brasilianern und R9 den FIFA WM-Pokal vor der Nase weg. Dieser Fussballtag gehört für immer Frankreich und Zizou.

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