Sonntag 31 Mai 2020, 13:00

Das Aztekenstadion: Mexikos Fussballtempel

  • Das Aztekenstadion ist eines der berühmtesten Fussballstadien der Welt

  • Dort fanden 19 FIFA WM-Spiele und zwei Endspiele statt

  • Pelé und Papst Johannes Paul II waren beeindruckt

'Das Spiel des Jahrhunderts' 'Das Tor des Jahrhunderts' 'Das Team des Jahrhunderts' Der lauteste Torjubel der Fussballgeschichte Die Geburt der 'La-Ola'-Welle 'Burruchagas längster und schwerster Alleingang' 'Die Hand Gottes'

Wie ist es möglich, dass es in einem einzigen Stadion so viele unvergessliche WM-Momente gab? Sicher, das Aztekenstadion ist das einzige Stadion der Welt, in dem zwei Eröffnungsspiele und zwei WM-Endspiele stattfanden und das Schauplatz von insgesamt 19 WM-Partien war. Doch es steckt noch viel mehr dahinter.

"Das Aztekenstadion hat einfach etwas Unvergleichliches" sagt der große Pelé. "Man muss selbst mitten drin stehen um das zu fühlen, um das zu begreifen. Es ist einzigartig."

"Mexiko wollte nicht einfach nur eine Weltmeisterschaft ausrichten. Wir wollten die beste Weltmeisterschaft ausrichten, die die Welt je gesehen hatte", so Guillermo Canedo, der dieses Ziel ab 1960 nach seiner Wahl zum Präsidenten des mexikanischen Fussballverbands in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte. "Dafür brauchten wir natürlich auch das beste Stadion, das die Welt je gesehen hatte. Brasilien hatte für 1950 das Maracanã-Stadion gebaut. Es war riesig, spektakulär, magisch – aber wir wollten ein noch besseres Stadion."

"Ich hatte das große Glück, dass Canedo für mich wie ein Bruder war, dass ich dem Nationalen Olympischen Komitee angehörte und dass ich neben meiner großen Leidenschaft für Architektur eine noch größere für Fussball hatte", so Ramirez. "Das Projekt war eine enorme Herausforderung, weil die Anforderungen absolut außerordentlich waren.

Vazquez holte den Architektenkollegen und Maler Rafael Mijares Alcerreca ins Boot und die beiden machten sich auf nach Europa, um sich von den dortigen Stadien inspirieren zu lassen. Sie besuchten das Wembley-Stadion, das San-Siro-Stadion, das Camp Nou, das Santiago-Bernabéu-Stadion und viele weitere Arenen.

Der Bau des Aztekenstadions sollte 1961 beginnen, doch Vazquez stieß im wahrsten Sinne des Wortes auf ein steinhartes Problem. Denn zunächst einmal mussten auf einer Fläche von 64.000 Quadratmetern sage und schreibe 180.000 Tonnen Gestein abgetragen werden, bis ein geeigneter, tragfähiger Untergrund hergestellt war, auf dem das Stadion errichtet werden konnte. Zehn Architekten, 35 Ingenieure und 800 Arbeiter waren allein damit fast ein ganzes Jahr beschäftigt. Mit schwerem Gerät und viel Dynamit wurde ein geeigneter Untergrund vorbereitet, bis die eigentlichen Bauarbeiten dann 1962 beginnen konnten.

Die Baukosten verdoppelten sich von den ursprünglich geplanten 95 Millionen Pesos auf mehr als 200 Millionen, bis das Stadion endlich eingeweiht werden konnte. Im ersten Spiel traf Club América, der seine Heimspiele seitdem in dem Fussballtempel austrägt, auf den italienischen Klub Torino FC mit Trainer Nereo Rocco. Das Freundschaftsspiel endete mit einem 2:2-Remis. Damals wussten die 107.000 Zuschauer bereits, dass an gleicher Stelle in wenigen Jahren Fussballgeschichte geschrieben werden würde.

Denn Canedo hatte in der Zwischenzeit unermüdlich für eine FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ in Mexiko geworben. Seine begeisternden Pläne und sein absoluter Enthusiasmus hatten Australien, Kolumbien, Japan und Peru bewogen, sich aus dem Rennen zurückzuziehen. Beim FIFA-Kongress 1964 in Tokio setzte sich Mexiko dann gegen den einzigen verbliebenen Konkurrenten Argentinien durch. Damit stand fest, dass erstmals eine WM-Endrunde außerhalb von Südamerika und Europa stattfinden würde.

Und das Aztekenstadion wurde zum Schauplatz spektakulärer Partien. Zu den herausragenden Höhepunkten gehören das 'Spiel des Jahrhunderts' (Italiens 4:3-Sieg gegen die BR Deutschland im Halbfinale), Jairzinho, der als erster Spieler in jedem WM-Spiel traf, Carlos Alberto mit einem der schönsten Tore der WM-Geschichte und Pelé, der als erster und bis heute einziger Spieler drei Mal die Weltmeisterschaft gewann, womit sich Brasilien den Jules-Rimet-Pokal dauerhaft sicherte.

"Wir hatten in Italien einige der besten Stadien, doch wir alle waren absolut begeistert von den Spielen im Aztekenstadion. Italien und Westdeutschland in Mexiko – wir hätten uns niemals träumen lassen, wie unglaublich die Atmosphäre sein würde. Und so war es gleich vom Anpfiff an - eigentlich sogar schon davor. Und das nicht nur wegen der vielen Tore."

Canedo gab seinen Posten nach diesem Spiel auf, doch weithin herrschte die Überzeugung vor, dass er sein Ziel in jeder Hinsicht erreicht hatte: Mexiko hatte die beste FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ der Geschichte ausgerichtet.

Die Begeisterung war so groß, dass Mexiko 1986 als erstes Land die WM ein zweites Mal ausrichtete. Dabei wurde die bis heute beliebte 'La-Ola-Welle' weltweit bekannt, und Manuel Negretes Scherenschlag löste den wohl lautesten Torjubel der Fussballgeschichte aus: 115.000 Fans im "Koloss von Santa Ursula" waren nicht mehr zu halten, als Mexiko dank dieses Treffer zum ersten und bis heute einzigen Mal den Einzug in die K.o.-Phase schaffte.

Es lässt sich kaum bestreiten, dass die Fans in diesem Fussballtempel mehr legendäre WM-Momente als irgendwo sonst erlebten.

Hätten Sie's gewusst?

  • 132.000 Zuschauer sahen 1993 im Aztekenstadion einen Boxkampf zwischen dem mexikanischen Publikumsliebling Julio Cesar Chavez und dem U.S.-Amerikaner Greg Haugen. Der Mexikaner gewann den Kampf in der fünften Runde durch technischen K.O. seines Gegners, der vor dem Kampf getönt hatte, Chavez hätte die meisten seiner bisherigen Siege "gegen Taxifahrer gefeiert, die selbst meine Mutter K.o. schlagen könnte." Es war der Boxkampf mit der zweithöchsten Zuschauerzahl aller Zeiten. Noch mehr Zuschauer (135.000) hatte es nur 1941 bei einem Kampf zwischen Tony Zale und Billy Pryor gegeben, allerdings war dabei der Eintritt frei gewesen.

  • Bevor die beiden Teams 1968 erstmals im Aztekenstadion gegeneinander antraten, lautete Mexikos Bilanz aus acht Spielen gegen Brasilien sieben Niederlagen und ein Unentschieden. Im Aztekenstadion hingegen sorgte Enrique Borja mit einem Doppelpack für den 2:1-Sieg Mexikos gegen Brasilien mit Spielern wie Carlos Alberto, Gerson, Rivelino, Jairzinho und Tostao, die zwei Jahre später Weltmeister werden sollten. Und auch im Finale des FIFA Konföderationen-Pokals 1999 setzte sich El Tri mit Cuauhtemoc Blanco gegen Brasilien mit Ronaldinho durch.

  • 1983 erlebten 110.000 Zuschauer, wie Brasilien mit Jorginho, Dunga und Bebeto das Finale der FIFA U-20-Weltmeisterschaft gegen Argentinien gewann.

  • Das Aztekenstadion ist das einzige Stadion, das bei vier verschiedenen FIFA-Turnieren genutzt wurde, nämlich der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™, der FIFA U-20-Weltmeisterschaft, dem FIFA Konföderationen-Pokal und der FIFA U-17-Weltmeisterschaft.

  • Dänemark gewann dort 1971 die internationale Fussball-Meisterschaft der Frauen, einen Vorläufer der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™. Die Torjägerinnen Susy Augustesen und Elisabetta Vignotto ragten bei diesem Turnier heraus.

  • Am Aztekenstadion finden sich Bronzeplaketten zur Erinnerung an das 'Spiel des Jahrhunderts' und auch an das 'Tor des Jahrhunderts'.

  • Im Aztekenstadion gab es sechs der zehn größten Zuschauerkulissen in der Geschichte der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™.