Mittwoch 05 Oktober 2016, 10:04

Sissoko: "Ein schwieriger Sommer"

Nach einer rabenschwarzen Saison bei Newcastle United gehörte Moussa Sissoko nicht zu den Spielern, die man bei der UEFA EURO 2016 ganz oben auf der Liste erwartet hätte. So mancher Beobachter wunderte sich, dass er überhaupt im Kader stand, zumal es auf dieser Position in Frankreich nicht gerade einen Mangel an Talenten gibt. Aber der kräftige Mittelfeldakteur strafte die Kritiker schon bald Lügen.

Mit einer herausragenden Turnierleistung machte er deutlich, warum ihn Didier Deschamps als eine der tragenden Säulen des Teams schätzt.  Sissoko, der von seinen Teamkameraden wegen seiner Robustheit, Geradlinigkeit und Ruhe "der Roboter" genannt wird, leistete einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen des Finales, das nach Verlängerung gegen Portugal verloren wurde.

Trotz dieses glanzvollen Auftritts musste der ehemalige Spieler von Toulouse bis zum Schluss des Transfersommers warten, um in Tottenham eine neue Anstellung zu finden. Im Vorfeld der Partien Frankreichs gegen Bulgarien und die Niederlande in der Qualifikation zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ sprach der 27-Jährige mit FIFA.com über diesen bewegten Sommer.

Moussa Sissoko, wie fühlen Sie sich nach diesen drei Monaten, die hinter Ihnen liegen? Ich habe einen schwierigen Sommer erlebt. Die Finalniederlage bei der EURO war ein sehr harter Schlag, denn wir haben zu Hause um den Titel gespielt. Wir haben ein tolles Turnier gemacht und ich glaube, dass wir es verdient gehabt hätten, es zu gewinnen. Auch wenn man weiß, dass Überlegenheit nicht den Sieg garantiert. Aber es gab auch Positives. Es war für uns alle ein tolles Ereignis und wir haben großes Verlangen und Engagement gezeigt. Die Fans haben eine solidarische und geeinte französische Nationalmannschaft gesehen. Das ist es, was alle von uns erwartet haben, vom Trainer bis zum Publikum. Wir haben bewiesen, dass wir immer noch eine große Nation sind. Auch nach all den Ereignissen in Frankreich vor der EURO, den Attentaten, hat uns das besonders stolz gemacht. Das Land stand unter Druck und ich glaube, dass unsere Leistung Balsam auf die Seelen der Franzosen war.

Wie haben Sie die Zeit nach dem 10. Juli erlebt? Ich bin in Urlaub gefahren und alle wussten, dass ich Newcastle verlassen wollte, um zu einem größeren Klub zu wechseln, der in der Champions League und in der Meisterschaft oben mitspielt. Gott sei Dank konnte ich bei Tottenham unterschreiben. Es gab lange Diskussionen im Vorfeld, die sich in den letzten Stunden aufgelöst haben. Ich hätte mir gewünscht, dass alles früher geregelt worden wäre. Ich konnte mich dennoch etwas erholen, aber psychisch hat das Kraft gekostet. Außerdem ist es mir wichtig, die Saisonvorbereitung mit der Mannschaft zu machen, weil es leichter ist, sich zu integrieren. Am Ende der Transferperiode anzukommen, ist nicht das Gleiche, auch wenn ich das Glück gehabt habe, gut empfangen worden zu sein. Es ist alles gut gelaufen.

Sie sagten, dass die französische Nationalmannschaft die Erwartungen erfüllt hat. Haben Sie persönlich aber den Eindruck, sie sogar übertroffen zu haben? In den Augen vieler Franzosen und der Medien vielleicht. Es gab in der Vergangenheit einige harte Äußerungen in meine Richtung, aber das akzeptiere ich. Das berührt mich nicht, jeder hat das Recht, den einen oder anderen Spieler zu bevorzugen. So ist das im Fussball und im Leben. Für mich ist es wichtig, das Vertrauen des Trainers und meiner Teamkameraden zu haben, denn wir leben auf und neben dem Platz zusammen. Außerdem hatte ich eine schwere Saison mit Newcastle hinter mir, nach der wir am Ende abstiegen. Ich verstehe also die Kritiken. Ich würde sogar sagen, dass sie mich motivieren und antreiben, noch härter zu arbeiten.

Man hat sie im Angriff unternehmungslustiger als sonst gesehen. Wie erklären Sie sich das? Die Explosivität und meine Vorstöße waren schon immer meine Stärke und werden es bleiben. Es gab bei der EURO viele Dinge, die mich motiviert haben. Wir haben vor unseren Fans gespielt, ich hatte eine frustrierende Saison hinter mir und musste mir einen neuen Klub suchen. Nicht zuletzt die Aussicht, zu Hause ein großes Turnier zu gewinnen. So kam es, dass ich in bester Verfassung war.

Didier Deschamps hat Ihnen stets sein Vertrauen ausgesprochen. Macht Sie das stolz? Ich hatte das Glück, dass er mich schon kurz nach seiner Amtsübernahme berief, in der Qualifikationspartie zur WM 2014 gegen Spanien. Seitdem hat er immer auf mich gezählt. Ich freue mich sehr darüber und bin ihm dankbar, obwohl ich weiß, dass er das nicht tut, um mir einen Gefallen zu tun, sondern weil er denkt, dass ich dem Team viel geben kann. Er wünscht sich vor allem eine sehr solide Mannschaft und er weiß, dass ich mich gut in das Kollektiv einfüge und vielseitig einsetzbar bin. In jedem Fall motiviert mich sein Vertrauen, über mich hinauszuwachsen und alles für das Team zu geben.

Wie schätzen Sie die Leistung von Les Bleus gegen Belarus (1:1) im September ein? Die ganze Mannschaft war motiviert, konzentriert und bei der Sache, aber wir waren nicht alle in der gleichen körperlichen Verfassung, da wir uns nicht alle gleichzeitig erholt hatten. Fünf Tage zuvor hatten wir gegen Italien ein gutes Spiel gemacht, mit einer soliden Leistung und einem tollen Sieg (3:1), aber dort trafen wir auf ein kompaktes Team und hatten Probleme. Wir haben viele Chancen gehabt und wenn wir zwei genutzt hätten, hätte es geheißen, dass wir ein großartiges Spiel gemacht haben. Wir mussten uns mit einem Punkt begnügen, aber es kommen zwei neue Spiele und unser Ziel ist, sie zu gewinnen.