Mittwoch 29 Juli 2020, 09:25

Silva: "Wollen zeigen, dass es keine reine Männerwelt mehr ist"

  • Catia Silva ist schon seit frühester Kindheit eingefleischter Fussballfan

  • Gemeinsam mit Maria Laura Ordonez startete sie kürzlich den Podcast 2Goals

  • Die Beiden wollen Frauen zur Arbeit in verschiedensten Bereichen im Fussball inspirieren

"Noch bevor ich überhaupt auf dem Platz war, sagten sie mir, ich solle in die Küche gehen. Hätten sie allerdings meine Kochkünste gekannt, dann hätten sie ganz gewiss nicht gewollt, dass ich auch nur in die Nähe einer Küche komme", erzählt Catia Silva, die erst vor wenigen Jahren einen Bachelor in Portugiesischer Sprachwissenschaft gemacht hat und einen weiteren in Literatur- und Kunstgeschichte anstrebte, lachend im Interview mit FIFA.com von ihrer Zeit als Schiedsrichterin.

Es hilft ihr, solche Erinnerungen etwas ins Lächerliche zu ziehen. Und ebenso half ihr diese Einstellung auch, dafür zu sorgen, dass so mancher Mann keine abfälligen Bemerkungen mehr über sie machte, sondern ihr für ihre Leistungen Respekt zollte. Außerdem hat sie mitten in der COVID-19-Pandemie zusammen mit Maria Laura Ordonez den Podcast 2Goals gestartet, der Frauen nicht nur inspiriert, ihre Träume zu verfolgen, sondern diese Träume auch fest in ihren Köpfen verankert.

"Es war ja nicht so, dass mir eine Karriere auf dem Gebiet, das ich studiert hatte, keinen Spaß gemacht hätte. Aber tief in mir drin wusste ich, dass ich im Fussball arbeiten wollte", so die Portugiesin. "Der Fussball war schon mein ganzes Leben meine größte Leidenschaft."

Und das meint Catia wörtlich.

"Meine Leidenschaft für den Fussball und für Benfica Lissabon begann schon früh in meiner Kindheit", erzählt sie. "Als ich ein oder zwei Jahre war, nannte man mich in Portugal schon Caniggia, der damals in seiner Blütezeit für Benfica stand. Ich konnte zwar noch nicht richtig sprechen, aber ich habe trotzdem versucht, mich [Michel] Preud'homme zu nennen.

"Ich komme aus einem kleinen Städtchen mit rund 3.000 Einwohnern namens Vilarinho. Mein Vater leitete einen der Fussballklubs in der Gegend, den Futebol Clube de Vilarinho. Damals war es der Höhepunkt meines Tages, wenn ich ihn über die Trainingseinheiten ausfragen konnte, was alles so passierte. An den Wochenenden war ich immer bei Spielen, entweder bei Vilarinho oder bei Benfica. Ich liebe diese Live-Atmosphäre bei Fussballspielen." Simao Sabrosa war mein größtes Idol auf dem Feld. Ich erinnere mich sehr gern an diese Zeiten. Rückblickend war es bestimmt so, dass es damals Sexismus gab. Ich weiß noch, dass ich das einzige Mädchen war, das Fussball schaute. Sicher haben mich viele Leute schief angesehen, aber das habe ich gar nicht richtig bemerkt, weil ich so auf den Fussball fixiert war!"

Den latenten Sexismus auf den Tribünen hat Catia also eher ignoriert, doch als sie 2013 als Schiedsrichterin anfing, bekam sie das Problem auf dem Spielfeld zu spüren.

"Ich wusste, dass es schwer werden würde: Erstens, weil ich eine Frau war und zweitens, weil ich Schiedsrichterin war", sagt sie. "Ich habe nur ein einziges Mal ein Frauenspiel gepfiffen, ansonsten nur Männerspiele.

"Ich bekam immer wieder zu hören, dass ich in die Küche gehörte, und auch noch eine Menge weiterer Beleidigungen. Solange das Spiel läuft, konzentriert man sich auf seine Aufgaben. Doch danach macht man sich natürlich so seine Gedanken: Ist es die ganze Sache wert, sich Beleidigungen und Drohungen anzuhören? Ich kann nicht sagen, dass es keine Zeiten gegeben hätte, als es besonders schwer war und ich sehr verärgert war, doch ich wollte auf keinen Fall aufgeben und sie gewinnen lassen. Und manchmal kam es auch vor, dass Spieler, die mich zuvor noch beschimpft oder beleidigt hatten, bemerkten, dass ich meiner Aufgabe gewachsen war, und mir dann mit Respekt begegneten. Das bedeutet dann eine große Genugtuung. Doch im Großen und Ganzen ist es immer noch eine Männerwelt. Das muss sich ändern. Wir brauchen viel mehr Frauen in solchen Positionen und Frauen brauchen viel mehr Möglichkeiten."

Eben diese Möglichkeiten fand Catia, die eigentlich vorhatte, als digitale Archivarin zu arbeiten, in Portugal kaum vor. Daher zog sie nach ihrer Master-Prüfung 2016 in die Schweiz um.

"Ich habe zwei Jahre in der Essen- und Getränkeversorgung eines Krankenhauses gearbeitet, um Geld ansparen zu können", so Catia. "Damit habe ich dann meinen Studiengang zum Master im Fussball-Business an der Football Business Academy (FBA) in Genf gemacht. Das war sehr hilfreich. Ende 2019 habe ich im Rahmen meines FBA-Masters ein Praktikum bei Women in Football gemacht und schließlich noch zwei Monate für den WFC Brighton gearbeitet.

"In meiner Zeit bei Women in Football dachte ich oft: 'Ich bin Portugiesin und in Portugal aufgewachsen. Wie viele portugiesische Frauen kenne ich, die im Fussball-Bereich arbeiten?' Mir fiel nur eine einzige ein. Also stellte ich Freundinnen und Freunden die gleiche Frage. Niemand konnte mir auch nur einen Namen nennen – niemand. Und das ist keineswegs nur in Portugal ein Problem, sondern ein ganz allgemeines Problem. Wir brauchen mehr Plattformen, um die Menschen auf Frauen aufmerksam zu machen, die im Fussball arbeiten. Ich wollte etwas auf die Beine stellen, um deren Geschichten zu erzählen. Aber dabei hatte anfänglich noch nicht an einen Podcast gedacht.

Als ich meinen Master machte, begann die COVID-19-Pandemie und wir saßen sozusagen zu Hause fest. Doch wir hatten Computer, also konnten wir etwas machen. Meine Kollegin Maria Laura ist Kolumbianerin. Wir konnten Erdteile und zwei Netzwerke zusammenbringen und haben einen Podcast auf die Beine gestellt, in dem die Geschichten von Frauen im Fussball erzählt werden. Wir wollen die Menschen inspirieren. Wir wollen, dass unser Publikum unsere Gäste hört und sagt: 'Ich will wie sie sein'. Und zwar nicht nur diejenigen, die selbst spielen wollen, sondern auch diejenigen, die in anderen Bereichen im Fussball arbeiten wollen."

"Wir wollen ihnen Mut machen und ihnen zeigen, dass es keine reine Männerwelt mehr ist. Wir wollen, dass sie hören, wie beispielsweise eine Frau Business-Analystin oder Anwältin im Fussball werden kann. Sie haben vielleicht einen anderen Beruf oder arbeiten auf eine andere Qualifikation hin, und haben dabei eine große Leidenschaft für den Fussball. Wir wollen ihnen zeigen, wie Frauen beides kombinieren können.

"Es bedeutet uns sehr viel, dass viele unserer Gäste uns sagen: 'Vielen Dank. So hat sich noch nie jemand für uns interessiert.' "

Zu den bisherigen Gästen gehören beispielsweise Arianna Criscione (Torhüterin bei Paris Saint-Germain), Lorena Soto (Ex-Kapitänin von Paraguay) und Helen Ward (Rekordtorschützin von Wales). Auch viele Pionierinnen des Frauenfussballs waren dabei, wie Manuela Acosta, Xavi Bove, Tatiana Briseno, Tais Cotta und die Autorin Susie Petruccelli, deren kürzlich erschienenes Erstlingswerk bereits einen prestigeträchtigen Preis gewonnen hat.

"Unser Traumgast wäre zweifelsohne FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura. Sie hat zahlreiche Hürden überwunden und es nach ganz oben geschafft. Sie ist ein Vorbild und kann eine wirklich faszinierende Fussballgeschichte erzählen.Und wenn wir sie irgendwie bekommen könnten natürlich auch Megan Rapinoe! (lacht) Nicht nur wegen des Fussballs, sondern auch wegen der Politik und ihrer Ansichten. Sie inspiriert unzählige Menschen."