Freitag 16 September 2016, 13:06

Ruiz: Abschied als ewiger Torjäger

Es gibt verschiedene Arten von Abschieden. Fröhliche, melancholische, bittere, unbemerkte und solche, die das Herz vieler Menschen berühren - wie bei Carlos Ruiz. Der Guatemalteke ließ es sich zudem nicht nehmen, sich zum Abschluss mit goldenen Lettern in die Geschichtsbücher einzutragen.

Nach 18 Jahren treuer Dienste im Trikot seines Heimatlandes, viele davon mit der Kapitänsbinde um den Arm, sagte El Pescadito der Nationalmannschaft endgültig Adieu. Er verabschiedete sich standesgemäß: Dank seiner fünf Treffer in der Partie gegen St. Vincent und die Grenadinen am vergangenen 6. September geht er mit 39 Länderspieltoren als Rekordtorschütze der Qualifikation zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ in den wohlverdienten Ruhestand.

"Der Rekord fiel in einer schweren Partie, in der wir zwölf Tore schießen und darauf hoffen mussten, dass Trinidad und Tobago gegen die USA gewinnt", erklärt er im Exklusiv-Interview mit FIFA.com. "Wir waren nur darauf fokussiert. Jedes Mal, wenn wir trafen, holten wir sofort den Ball, um schnell wieder anfangen und den nächsten Treffer versuchen zu können. Es gab keine Zeit, um zu feiern, als ich ihn brach. Obwohl ich schon für eine Umarmung zu Torhüter Paulo César Motta lief, der auf der Bank saß und mit dem ich in der Nationalelf viele gemeinsame Jahre verbracht habe", ergänzt der 37-jährige Stürmer, der fünf WM-Qualifikationen miterlebt hat.

"Nach dem Spiel kamen die Leute natürlich schon zu mir, um mir zu gratulieren. Es wäre schön gewesen, wenn wir uns auch für die Hexagonal-Finalrunde qualifiziert hätten, aber es hat nicht sollen sein. Ich habe viele Glückwünsche aus Guatemala und von ehemaligen Teamkameraden bekommen, die mich in meiner neuen Funktion im Fussball unterstützen. Es war eine schöne Woche", sagt er, nachdem er den Iraner Ali Daei überholt hat, der bisher mit 35 Toren den Rekord als erfolgreichster Torschütze der WM-Qualifikation hielt.

Ein emotionaler Abschied Der 1979 geborene Carlos Ruiz begann schon im zarten Alter von 16 Jahren seine Profikarriere bei Municipal. 2002, als er bereits Nationalspieler war, wechselte er zu LA Galaxy, wo ein langer Karriereabschnitt im Ausland begann, der ihn in die USA, nach Mexiko, Kanada, Paraguay und Griechenland führen sollte. Als 35-Jähriger schließlich kehrte er 2014 zu seinem Heimatklub zurück.

Eine Zeit, in der er einen reichen Erfahrungsschatz gesammelt hat, die aber auch ihren Tribut gefordert hat. Die Beine dribbeln nicht mehr ganz so schnell wie früher, die Lungen haben Mühe, eine ganze Partie durchzustehen, und auch die Reflexe sind nicht mehr die gleichen. Doch Ruiz, mit einem etwas grauer gewordenen Bart, zeichnete sich bis zum letzten Spiel durch sein Engagement und seinen Einsatzwillen aus, die ihn im Nationaltrikot schon immer charakterisierten.

"Ich bin etwas wehmütig, weil es viele Jahre waren, die ich der Nationalmannschaft meines Landes gewidmet habe. Gleichzeitig freue ich mich, weil sich ein Kreis meiner sportlichen Karriere schließt. Die Zeit wird zeigen, ob meine Leistung gut, mittelmäßig oder schlecht war. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich immer mit Leib und Seele dabei war. Leider habe ich mit der Mannschaft nie einen Titel gewonnen, dennoch bin ich persönlich zufrieden", sagt der 132-fache Nationalspieler.

Für eine bessere Zukunft In unmittelbarer Zukunft wird er noch eine Weile auf Vereinsebene die Fussballstiefel schnüren, doch im Anschluss steht für ihn fest: Momentan will er nicht auf die Trainerbank wechseln, sondern sein Fachwissen dafür einsetzen, die Entwicklung des guatemaltekischen Fussballs voranzutreiben.

"Guatemala ist steckengeblieben. Ich werde weiterspielen, bis die nächsten Wahlen des guatemaltekischen Verbands anstehen und für das Amt des Präsidenten kandidieren. Es ist wichtig, dass Leute aus dem Fussball die Leitung übernehmen, um eine ganzheitliche Planung auszuarbeiten. Wir müssen die Prozesse in den verschiedenen Nationalauswahlen mit Geduld angehen. Wir wollen, dass viele junge Spieler es schaffen, Profi zu werden", sagt der erfahrene Torjäger.

Denn Carlos Ruiz hat eines nicht vergessen: Er wuchs als Kind in einem Viertel auf, in dem die Versuchung groß war, in der Kriminalität einen einfachen Ausweg zu finden. Er nahm stattdessen den steinigeren Weg und hielt an seiner Leidenschaft für den Fussball fest. Er mühte sich ab und arbeitete hart. Das Leben belohnte ihn dafür. Dies erträumt er sich nun auch für die jungen Generationen heute.

El Pescadito möchte weiterhin das Vorbild für Kinder und Jugendliche sein, damit diese sich anstatt für Waffen, Drogen oder Alkohol für den Fussball entscheiden. "Jeder Fussballer hat eine andere Geschichte. Aber viele von uns haben eine ähnliche: Der Weg aus Vierteln, in denen man auf Sandplätzen spielt und unter schwierigen Bedingungen aufwächst. Und es gibt dort draußen immer noch viele, die darauf warten, entdeckt zu werden", sagt er.

"Wir müssen in diese Bereiche vordringen, in denen es für sie keine Möglichkeiten gibt und wo die Kriminalität steigt. Und dann werden wir ihnen die Chance geben können, eine andere Lebenserwartung zu haben", sagt der Spieler, der zwar nicht mehr in der Nationalelf, aber noch lange in den Herzen und Träumen vieler junger Guatemalteken spielen wird.

Denn als El Pescadito seinen Abschied nahm, begann seine Legende. Er geht als ewiger und unermüdlicher Torjäger für immer in die Fussballgeschichte Guatemalas ein.