Samstag 22 August 2020, 06:00

"Professor" Tuchel gegen "Anti-Simeone" Flick

  • Paris Saint-Germain gegen FC Bayern oder Tuchel gegen Flick

  • Erich Rutemöller, Trainer-Ausbilder beider, spricht über die Finalisten

  • Flick ein "emphatischer Leader", Tuchel ein "Fussball-Professor"

Wenn am Sonntag, den 23. August, in Lissabon das Finale der UEFA Champions League zwischen Paris Saint-Germain und dem FC Bayern München angepfiffen wird, stehen sich mit Hansi Flick und Thomas Tuchel zwei deutsche Trainerkollegen gegenüber. Wie schon 2019 mit dem von Jürgen Klopp trainierten Liverpool FC wird also der Champions-League-Sieger dieses Jahres ebenfalls von einem deutschen Übungsleiter angeführt werden. Mit Julian Nagelsmann (RB Leipzig) stand zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte ein dritter deutscher Trainer im Halbfinale der Königsklasse.

"Das ist ein tolles Zeichen und steht für eine gute Ausbildung und ein tolles Dozententeam in Deutschland", freut sich Erich Rutemöller, der jahrelang Ausbildungsleiter für die Erlangung der Fussballlehrerlizenz beim Deutschen-Fußball-Bund (DFB) war und findet lobende Worte für seine Nachfolger Frank Wormuth und Daniel Niedzkowski sowie das Team dahinter.

Zudem hat Rutemöller sowohl Bayern-Trainer Flick (2003) als auch PSG-Trainer Tuchel (2006) auf der Ausbildungsbank vor sich sitzen gehabt, als diese ihre Lizenzen erwarben. "Flick kam in die Trainerausbildung und wollte alles wissen, er wurde gemeinsam mit Thomas Doll Jahrgangsbester. Sein Weg hat sich für mich abgezeichnet und es wundert mich nicht, dass er nun da steht, wo er ist", so der heutige Berater des 1. FC Köln, Rutemöller gegenüber FIFA.com.

"Tuchels Entwicklung hat mich hingegen überrascht. Er kam in die Ausbildung und hatte gerade sein Sportwissenschaftsstudium abgeschlossen und war im Jugendbereich für den FC Augsburg tätig. Ich dachte, dass er in der Verbandssportlehre oder im Jugendbereich Karriere macht und nicht Vereine wie den BVB oder PSG trainieren wird. Umso mehr freut mich diese Entwicklung von Thomas."

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Doch was zeichnet die beiden Trainer besonders aus und hebt sie von anderen ab?

Flick der Anti-Simeone

"Trainer zu vergleichen, das ist immer so eine Sache. Denn jeder Trainer entwickelt seinen eigenen Stil. Was ich aber sagen kann, ist, dass Flick schon als Spieler ein Trainer-Mindset hatte. Er hat Dinge und sich stets hinterfragt. Wir haben über einen 'Gameplan' diskutiert und er war ein absoluter Teamplayer", erzählt Rutemöller, der 1990/91 Flicks Cheftrainer beim 1. FC Köln war und führt weiter aus: "Die größte Stärke von Flick ist seine ruhige und emphatische Art. Er weiß, dass er kein Diego Simeone ist und das nicht authentisch wäre, wenn er sich so an der Seitenlinie verhalten würde. Er ist die Art Trainer, die er schon bei mir als Spieler war. Er war ein sachlicher Mittelfeldspieler mit viel Ausdauer, der nicht für das Spektakuläre stand, aber seine Aufgabe erfüllt hat und immer bereit war zu lernen."

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Tuchel macht Neymar Beine

"Thomas Tuchel ist ein ausgebuffter Fussball-Professor. Im Halbfinale gegen RB Leipzig hat man seine Handschrift erkennen können und deutlich gesehen, was für ein toller Trainer er ist. Er hat es geschafft, sein Team, welches mit absoluten Weltklassespielern bestückt ist, hinter sich zu bringen", so Rutemöller und geht weiter ins Detail, "Mir hat besonders die Lauffreudigkeit des gesamten Teams imponiert. Ich habe Neymar selten so viel laufen sehen. Und er hat es gemacht, weil er es wollte und nicht, weil er es musste. Wenn man als Zuschauer bei einer Mannschaft dieses Gefühl hat, dann spricht das für eine exzellente Arbeit des Trainers."

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Wer gewinnt am Sonntag?

"'Fussball ist ein ständiger Kampf gegen den Zufall', das hat José Mourinho mal gesagt und ich finde, es ist sehr passend. Es wird am Sonntag auf Kleinigkeiten ankommen und ich erwarte ein enges Spiel. Vor allem die Abwehrreihen werden gegen die jeweils starken Offensiven gefragt sein", analysiert Rutemöller und verrät dann: "Mein Herz schlägt natürlich für den FC Bayern als deutsches Team. Aber ich freue mich vor allem auf ein richtig gutes Fussballspiel, denn es stehen in meinen Augen die richtigen beiden Teams in diesem Finale."

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Foto: Der DFB-Trainerlehrgang 2003; Erich Rutemöller (hinten rechts), Hansi Flick (3. Reihe, 3. von links)