Dienstag 01 November 2016, 08:57

Olsen: Niemand unterschätzt mehr die Färöer

Früher waren gute Ergebnisse in Qualifikationsspielen für die Färöer seltene Ausnahmen. Doch unter Nationaltrainer Lars Olsen hat das Team von der kleinen Inselgruppe im Nordatlantik in jüngster Zeit mehrere bemerkenswerte Siege und Unentschieden gegen renommierte Gegner eingefahren.

Schon in der Qualifikation für die UEFA EURO 2016 setzten sich die Färöer zu Hause und auch auswärts gegen Griechenland durch. In die Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ starteten sie mit einem Heim-Unentschieden gegen Ungarn und einem Auswärtssieg in Lettland. Nicht schlecht für ein kleines Land mit gerade einmal 50.000 Einwohnern.

Dank dieser Resultate belegen die Färöer in der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste derzeit Platz 74, ihre beste Platzierung aller Zeiten. Sie liegen vor Konkurrenten wie Norwegen, Bulgarien oder Finnland. Nachdem sie von den Gegnern in früheren Jahren meist auf die leichte Schulter genommen wurden, ist dies mittlerweile nicht mehr der Fall.

Neue Vorraussetzungen "Wir haben uns in den vergangenen zwei Jahren deutlich gesteigert und werden immer besser", so Olsen gegenüber FIFA.com. "Früher waren Auswärtsspiele für uns meist sehr schwer, doch nun haben wir in jüngster Zeit zwei Mal auswärts gewonnen, zuerst in Griechenland und nun in Lettland."

"Für uns ist es wichtig, uns klarzumachen, dass wir Auswärtsspiele durchaus gewinnen können. Ich hoffe, dass wir uns noch weiter steigern, mehr Punkte holen und unsere Platzierung in der Weltrangliste weiter verbessern können. Allerdings wird das nicht leicht, denn die Gegner unterschätzen uns nicht mehr. Das macht es für uns schwieriger, Punkte zu holen."

In Gruppe B der WM-Qualifikation für Russland 2018 liegen die Färöer nach drei Partien punktgleich mit Ungarn auf Platz drei. Gegner in der Gruppe sind außerdem die Schweiz, Lettland, Andorra und Europameister Portugal. Nach den vier Punkten zum Auftakt stand im vergangenen Monat das enorm schwere Spiel gegen Cristiano Ronaldo und seine Portugiesen auf dem Programm. Die Partie in Torshavn verloren die Gastgeber klar mit 0:6.

"Ich war mit unserem Start in die Qualifikation sehr zufrieden. Aber im letzten Spiel gegen Portugal haben wir unser Potenzial nicht abgerufen", so Olsens nüchterne Analyse. "Wenn uns das nicht gelingt, können wir gegen jeden Gegner verlieren - gegen Portugal, aber auch gegen Andorra. Für mich ist die Leistung das Wichtigste. Wenn wir unser Potenzial voll ausschöpfen, dann können wir jedem Gegner Probleme bereiten."

Der Geist von 1992** **Die Auseinandersetzung mit einem Europameister ist für Lars Olsen nichts ganz Neues – schließlich war er vor 24 Jahren als Spieler selbst einer. Der damalige Verteidiger führte Dänemark als Kapitän bei der UEFA EURO 1992 zum sensationellen Titelgewinn. Dabei waren die Dänen eigentlich in der Qualifikation gescheitert und dann in letzter Minute als Ersatz für das ausgeschlossene Jugoslawien doch noch zum Turnier geholt worden.

Dänemark setzte sich gegen alle europäischen Traditionsteams durch und wurde Europameister. Dieser Sensationserfolg dient kleinen Fussballnationen immer wieder als Motivation und als Beweis dafür, dass im Fussball Umwälzungen möglich sind.

"Ich sage meinen Spielern immer, dass im Fussball alles möglich ist, denn ich habe es bei der EURO 1992 ja schließlich selbst erlebt", so Olsen. "Das war der schönste Moment meiner Karriere und eine Riesenüberraschung für alle. Natürlich bin ich sehr stolz darauf."

"Dänemark ist ein kleines Land und der Gewinn der Europameisterschaft war ein riesiger Erfolg – wohl der größte sportliche Erfolg, den das Land je gefeiert hat. Die Zeit damals 1992 in Schweden war einfach fantastisch."

Doch Olsens damaliger Erfolg ist nicht die einzige Inspiration für die Färöer, die ihre Position in der Weltrangliste weiter festigen und in der WM-Qualifikation weitere Punkte anpeilen wollen. Auch das "Nachbarland" Island hat gezeigt, dass vermeintlich kleine Fische durchaus etwas erreichen können. Bei der UEFA EURO 2016 in Frankreich spielten sich die Isländer mit ihrem unerschrockenen Fussball in die Herzen unzähliger Fans.

Nächster Gegner ist die Schweiz "Auch auf den Färöern sind alle sehr stolz auf die Leistung der Isländer", bestätigt Olsen. "Das Klima und die Lebensweise sind dort sehr ähnlich wie hier und das Team ist für uns eine große Inspiration. Auch wir auf den Färöer-Inseln haben keine echten Starspieler, ganz ähnlich wie Island. Sie haben zwar Gylfi , der in England spielt, aber ansonsten ist das Team der Star – genau wie bei uns."

Die felsig-schroffe Landschaft und das subpolare Klima stellen für den Fussball enorme Hindernisse dar. Daraus ergibt sich im Vorfeld des WM-Qualifikationsspiels gegen die Schweiz am 13. November in Luzern ein weiteres Problem für Olsen:

"Die Saison in unserer heimischen Liga ist gerade zu Ende gegangen. Daher muss ich nun dafür sorgen, dass die Spieler für die Partie in der Schweiz fit bleiben", erläutert er. "Das wird für uns ganz sicher eine harte Nuss. Wir haben gerade erst gegen Portugal mit 0:6 verloren. Für mich wird das Spiel gegen die Schweiz sogar noch schwererer, weil es ein Auswärtsspiel ist. Doch nach der Portugal-Pleite haben wir das Gefühl, dass wir uns selbst beweisen müssen."

Die Färöer fahren zwar als Außenseiter in die Schweiz, doch nach den jüngeren Ergebnissen wäre es dennoch fahrlässig, würden die Eidgenossen Olsens inspirierte Schützlinge unterschätzen.