Mittwoch 21 September 2016, 12:02

Ñáñez: Heute traurig, morgen in der Arena

Carlos Ñáñez hat gerötete Augen, sein Blick ist leer, seine Gestik mürrisch. Dafür gibt es natürlich einen guten Grund. Er war in der Partie gegen Paraguay der herausragende Akteur und hielt seinen Kasten sauber. Dennoch muss Kolumbien sich nach einer Niederlage im Sechsmeterschießen im Achtelfinale der FIFA Futsal-Weltmeisterschaft im eigenen Land aus dem Turnier verabschieden.

"Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Wir sind sehr traurig", erklärt die Nummer eins Kolumbiens im Gespräch mit FIFA.com.Er ist der einzige Spieler, der aus Cali stammt, wo die kolumbianische Auswahl ihre vier Spiele bestritt. "So viele Zuschauer waren hier, ich hatte die Unterstützung von meiner Familie, Freunden, meiner Frau und meiner Tochter", erklärt er mit stockender Stimme. "Es ist ziemlich bitter, ihnen diese Freude nicht machen zu können."

Seine Worte hallen in den Gängen des Coliseo El Pueblo, während sein Trainer Arney Fonnegra sich zur Pressekonferenz begibt und seine Teamkameraden nach und nach aus der Kabine kommen. Der 31-jährige Torhüter durchbricht die Stille mit einer Analyse des Spiels.

"Wir haben die Sicherheit in der Defensive wiedergefunden, die wir vor vier Jahren in Thailand gezeigt haben. Wir haben weniger Fehler gemacht und waren konzentrierter. Ich glaube, dass wir zu nervös waren, um im Abschluss effektiv zu sein. Und die Sechsmeter… die sind immer ein Glücksspiel", meint er.

Trotz des bitteren Ergebnisses weiß Ñáñez, dass er alles in seiner Macht stehende getan hat. "Der Trainer hatte mir gesagt, ich müsste Sicherheit ausstrahlen, und ich glaube, heute habe ich gezeigt, dass das Team sich auf mich verlassen kann. Ich habe alles gegeben…und das Team hat alles gegeben."

Der Torhüter möchte Spekulationen lieber vermeiden und nicht darüber nachdenken, wie das Ganze wohl ausgegangen wäre, wenn die gesperrten Angellot Caro und Jorge Abril sowie der verletzte Yulián Díaz dabei gewesen wären. Letzterer hatte sich zwar noch die Spielkleidung angezogen, war am Ende aber doch nicht zum Einsatz gekommen.

"Vielleicht wäre es dann anders gelaufen, aber es ist zu spät, um darüber zu spekulieren. Der Trainer hat 14 Spieler ausgewählt, weil alle gut genug waren, um hier bei Bedarf zum Einsatz zu kommen. Und wir haben im Sechsmeterschießen verloren!", meint er nachdrücklich.

"Ich werde mir die Spiele anschauen" Was die Zukunft angeht, bleibt Ñáñez optimistisch. "Was die Mannschaft angeht, bleibt abzuwarten, was der Trainer, die technische Kommission und der Verband entscheiden. Wir haben einen guten Kader, eine gute Mannschaft und eine große Zukunft vor uns."

Und auf persönlicher Ebene? "Ich werde weiterhin an mir arbeiten, um in der Nationalmannschaft zu bleiben", so die Nummer eins von Club Deportivo Lyon. Dort ist er bereits seit 2011 aktiv, als er den Gedanken an eine Torwartkarriere in der Rasenvariante des Fussballs aufgab, die Einladung einer Gruppe von Freunden annahm und sich für den Futsal begeisterte.

Auf jeden Fall wird es in seinem Leben jedoch einige Veränderungen geben. "Mein Ziel war es, bei einer WM Stammtorhüter zu sein. Das habe ich erreicht. Um das zu schaffen, habe ich einige Dinge ruhenlassen, wie meine Laufbahn als Physiotherapeut. Jetzt werde ich an mich und meine Zukunft denken."

In den nächsten Stunden wird Ñáñez seine Wunden lecken, und zwar vor allem durch Gespräche mit seiner Frau: "Sie ist mir eine wichtige Stütze und wird mir helfen, über diese Traurigkeit hinwegzukommen."

Danach plant er, den Rest der WM live vor Ort zu verfolgen. "Obwohl es weh tut, werde ich kommen, um mir die Spiele anzuschauen. Schließlich ist dies der Sport, für den ich mich begeistere, und jetzt kommt das Beste. Ich habe von einer WM in Kolumbien geträumt und werde sie mir nicht entgehen lassen."