Sonntag 14 April 2019, 10:16

Rossi, Kaiser der chinesischen Fans

  • Li Wengang ist in China als "Rossi, Kaiser der Fans" bekannt

  • Er organisierte den ersten Fanklub Chinas

  • Seit 1982 ist er bei fast jedem Heimspiel der Nationalmannschaft dabei

Rossi ist kein chinesischer Name. Und doch ist er bei den chinesischen Fussballfans sehr beliebt. Wenn Sie einen Fan der chinesischen Nationalmannschaft treffen und nach Rossi fragen, wird er aller Wahrscheinlichkeit nach antworten: "Rossi? Ich kenne ihn. Er ist der Kaiser der Fans."

Alles begann bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Spanien 1982™, bei der Paolo Rossi mit sechs Treffern bester Torschütze des Turniers wurde und Italien zum dritten Weltmeistertitel verhalf. Praktisch über Nacht war der Name Rossi zum Gesprächsthema der Fussballfans in Anshan, einer Industriestadt 400 Meilen nördlich von Peking, geworden.

Li Wengang war damals 38 Jahre alt und in einem Umspannwerk beschäftigt. Unter den Fans vor Ort war er für seine große Fussball-Leidenschaft bekannt. Während dieser WM hatte er plötzlich alle Hände voll zu tun und fuhr nach der Arbeit nicht nach Hause, sondern zum Fantreffen. Er wurde gebraucht, um die Spiele des Tages zusammenzufassen. Er beantwortete alle Fragen der anderen Fussballanhänger – viele davon über Rossi.

Aufgrund seiner beneidenswerten Fussballkenntnisse und seiner Ähnlichkeit mit der italienischen Legende erhielt er alsbald den Spitznamen "Rossi".

Kaiser der Fans

Für Li wurde der Fussball bald zur Obsession. Er träumte davon, dass die chinesische Nationalmannschaft eines Tages in die Fußstapfen Italiens treten und Weltmeister werden würde. Er beschloss, seine Unterstützung zu zeigen, indem er jedes Heimspiel des Teams im Stadion verfolgte.

Er bat seinen Chef um Urlaub, um an den Spieltagen durch das ganze Land reisen zu können. Dabei freundete er sich mit Fans in ganz China an und stand bei Fantreffen immer im Mittelpunkt.

"All diese Jahre seit 1982 habe ich versucht, das Nationalteam bei jedem Heimspiel zu begleiten. Insgesamt habe ich nur sechs Spiele verpasst", erklärt er im Gespräch mit FIFA.com.

Irgendwann sollte er seine Arbeitsstelle verlieren und eröffnete ein Restaurant, das "Rossi Pub", das sofort zum Veranstaltungsort der Fantreffen wurde. Für andere eingefleischte Fans wie ihn, die von weither anreisten, um ihn zu sehen, gab es kostenlose Mahlzeiten und Freibier – unabhängig davon, ob sie dem eigenen Lager oder einem anderen angehörten.

"Ich habe schon etwas Geld verdient, aber weit mehr ausgegeben, um diese Fans und Freunde willkommen zu heißen. Der Fussball hat uns zusammengeführt", meint er.

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Wichtige Erfolge:

  • Gründung von Chinas erstem Fanklub im Jahr 1986

  • Durchquerte 1992-1993 das halbe Land mit dem Fahrrad, um für den Fussball zu werben

  • Als "Kaiser der Fans" wurde er zum ersten Mal bei einer landesweiten Fanveranstaltung bezeichnet, die im Dezember 1992 in Chengdu stattfand.

  • Er war bei fünf FIFA Fussball-Weltmeisterschaften™ dabei, unter anderem 2018 in Russland.

Nachdem China die Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 1990™ in Italien knapp verpasst hatte, beschloss Li, etwas zu unternehmen, um die nachlassende Begeisterung bei Fans und Spielern wieder anzukurbeln. Er startete 1992/93 eine Mammut-Fahrradtour, bei der er im Laufe von 16 Monaten das halbe Land durchquerte und dabei Tausende von Fans traf und zur Unterstützung aufforderte.

Heute ist dieser Spitzname so bekannt, dass kaum jemand noch seinen richtigen Namen kennt. Wegen seiner großen Fussball-Leidenschaft ist er zum Inbegriff der chinesischen Fans geworden.  Er wird bei wichtigen Spielen der Nationalmannschaft vom Fernsehen als Gastkommentator eingeladen und ist bei großen Fussballveranstaltungen vertreten. Letztes Jahr hat er seine Biografie veröffentlicht, und sein Markenzeichen, der Cowboyhut mit der chinesischen Flagge, wird im FIFA Welt Fussball Museum ausgestellt.

"Meine Frau mag mich verlassen haben, aber ich hänge mit ganzem Herzen an einem 18-jährigen Mädchen, das ich heiraten möchte – das ist Fussball", meint er abschließend.