Freitag 25 September 2020, 09:00

Josef Bican - besser als Pelé?

Kennen Sie Josef Bican? Wenn Sie ihn spielen sehen haben, dann sind Sie zweifellos 100 Jahre alt oder werden es bald sein. Ist das nicht der Fall, dann haben Sie seinen Namen möglicherweise in Statistiken oder Geschichtsbüchern gelesen, denn der aus Wien stammende Spieler ist mit insgesamt 805 Toren im Zeitraum von 1931 bis 1955 schlichtweg der beste Torschütze aller Zeiten. Trotzdem ist sein Name nicht wirklich bekannt.

Anlässlich des Geburtstages dieses legendären Spielers, der am 25. September 1913 das Licht der Welt erblickte, zeichnet FIFA.com ein Porträt von Josef Bican, der die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 1934 mit seinem Geburtsland Österreich bestritt und danach für die Nationalmannschaft seiner Wahlheimat Tschechoslowakei auflief.

Fussball in den Genen

Josefs Vater František war ebenfalls Fussballer und spielte für Hertha Wien. Er wurde für den Ersten Weltkrieg eingezogen, aus dem er unbeschadet heimkehrte, nur um sich in einem Fussballspiel zu verletzen! Er zog sich eine schwere Nierenverletzung zu, an der er schließlich starb. Josef war zu diesem Zeitpunkt acht Jahre alt, und seine Familie stürzte durch den Tod des Vaters in Armut.

Schuhe konnte er sich nicht leisten, daher begann er barfuß mit dem Fussballspielen und sagte später, dies habe zweifellos sein herausragendes Ballgefühl gefördert. Er wurde vom Klub seines Vaters ausgebildet und startete seine Karriere 1931 bei Rapid Wien.

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Wunderbares Österreich

1933 gab Bican sein Länderspieldebüt für Österreich, das den europäischen Fussball zur damaligen Zeit dominierte. Im folgenden Jahr bestritt er die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Italien 1934, wo das Wunderteam sich im Halbfinale gegen den Gastgeber geschlagen geben musste. Bican erzielte bei diesem Turnier einen Treffer, und zwar im Achtelfinale gegen Frankreich, wo er seinem Team einen 3:2-Sieg nach Verlängerung sicherte. Insgesamt bestritt er 19 Spiele für die österreichische Nationalmannschaft und erzielte in deren Verlauf 14 Tore.

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Tschechoslowakei, meine Liebe

1937 wechselte Bican zu Slavia Prag. Damit begann eine echte Liebesgeschichte, denn er sollte elf Jahre für diesen Klub spielen und anschließend dort Trainer werden. Die Tschechoslowakei wurde seine neue Heimat. Er beantragte erfolgreich die Staatsbürgerschaft des Landes und lief sogar zwischen 1938 und 1949 noch 14 Mal für dessen Nationalmannschaft auf (12 Tore). Leider konnte er aufgrund eines administrativen Fehlers nicht an der WM 1938 teilnehmen. Ohne ihn erreichten die Tschechoslowaken das Viertelfinale. Damals erlaubte das FIFA-Reglement den Spielern noch, für mehrere Nationalmannschaften aufzulaufen.

Nachdem er die Fussballschuhe an den Nagel gehängt hatte, schlug Bican die Trainerlaufbahn ein und war für unterschiedliche Klubs in der Tschechoslowakei tätig, in der er bis an sein Lebensende blieb. Er verstarb am 12. Dezember 2001 in Prag.

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Zitate

"Ich glaube, das Auffälligste an ihm war seine Fähigkeit, Tore zu schießen, und zwar unabhängig davon, in welchem Fussball oder Spielsystem er gerade unterwegs war. Das Wichtigste im Fussball ist es nun einmal, Tore zu erzielen, und diese Aufgabe hat er voll und ganz erfüllt." Josef Masopust (Fussball-Legende aus der Tschechoslowakei)

"Bican hatte das unglaubliche Pech, dass es auf dem Höhepunkt seiner Karriere, 1942 und 1946, aufgrund des Krieges keine Weltmeisterschaften gab. Wenn beispielsweise die WM-Auflage von 1942 stattgefunden hätte, dann wäre er heute mit Sicherheit wesentlich bekannter. Vielleicht hätte er dann ebenso berühmt werden können wie Pelé." Radovan Jelinek (Sporthistoriker)

"Wenn ich mit jungen Journalisten spreche, sagen sie immer: 'Herr Bican, zu ihrer Zeit war es einfacher, Tore zu schießen!' Dann frage ich immer: 'Warum das? Schauen Sie hin. Gibt es heute etwa keine Torchancen?' Sie erwidern dann: 'Natürlich, es gibt viele.' Dann sage ich: 'Na also. Wenn es heute keine Chancen geben würde, dann wäre es schwierig. Aber wenn es sie gibt, dann bedeutet Tore schießen noch immer dasselbe wie vor 100 Jahren und so wird es auch in weiteren 100 Jahren noch sein. Das wird immer so bleiben." Josef Bican (1990 im tschechischen Fernsehen)