Donnerstag 10 November 2016, 08:20

Israels Brighton-Boys träumen von Russland

"Wenn dein Freund, jemand, mit dem du aufgewachsen bist, zu dir kommt – insbesondere wenn du im Ausland wohnst – und sein Leben mit dir teilt, dann gibt es kein besseres Gefühl."

Beram Kayal und Tomer Hemed stehen sich nahe. Sie haben am selben Tag ein Jahr auseinander Geburtstag, spielten zusammen in der Jugend von Maccabi Haifa und laufen für die israelische Nationalmannschaft und sogar für denselben Verein auf. Die Worte weiter oben verdeutlichen, wie sehr sich Kayal freute, dass Hemed im Juni 2016 ebenfalls zu Brighton and Hove Albion an der englischen Südküste wechselte, sechs Monate, nachdem er selber von Celtic den Weg dorthin gefunden hatte.

"Tomer hat mir ein paar Fragen über den Verein und die Stadt gestellt", sagte Kayal im exklusiven Gespräch mit FIFA.com. "Trainer und Verein hier in Brighton hatten auch einige Fragen über Tomer an mich. Ich habe ihnen gesagt, dass er nicht professionell genug ist, kein guter Kerl ist, Sie wissen schon… . Natürlich habe ich ihnen nur Gutes über Tomer berichtet."

Während des ganzen Gesprächs mit den beiden wird viel gelacht, woran man die enge Bindung dieser zwei Spieler erkennen kann, die nun schon viele Jahre andauert.

"Wir kennen uns schon, seit wir noch klein waren waren", sagte Hemed. "Es ist sehr schön für uns, dass wir nun beide in Brighton sind und unser Leben miteinander teilen. Unsere Kinder sind beste Freunde. Wir sind so etwas wie eine kleine Familie und genießen das Leben zusammen. Dass Beram mit seiner Familie hier war, machte es mir leichter, selber hier herzukommen."

Religion unwichtig Diese Freundschaft, die einst in den Jugendmannschaften in Haifa entstand und nun beim englischen Zweitligisten und Aufstiegskandidaten Brighton ihre Fortsetzung findet, hat sogar einen kulturellen Aspekt: Kayal ist ein israelischer Araber, während Hemed Jude ist.

"In Israel gibt es viele Bereiche, in denen wir zusammenleben: Araber und Juden", so Hemed. "Für uns ist das vielleicht deshalb etwas ganz Normales, hier zusammenzuleben, weil wir uns von klein auf kennen. Ich denke, dass das überall so sein sollte."

"Wir können zusammenleben, da kommt es nicht auf die Religion an – vor allem sind wir doch Menschen. Ich denke, dass man das bei Beram und mir sehen kann. Es ist toll, dass wir allen zeigen können, dass es nicht darauf ankommt, wo man herkommt, sondern einfach als Menschen zusammenleben kann. Ich denke nicht, dass solche Sachen Beziehungen oder Freundschaften beeinflussen sollten, nicht nur im Fussball, sondern überall im Leben."

Das Duo kennt die jeweils andere Familie sehr gut – Kayal meinte zum Spaß, dass er "viele interessante Geschichten" über Hemed kenne. Sie reisen auch immer gemeinsam zur israelischen Nationalmannschaft, die es in einer sehr schweren Gruppe in der Qualifikation zur FIFA Fussball-WM 2018™ mit Spanien und Italien zu tun bekommt. Hemed hat eine besondere Beziehung zu Spanien, da er dort für Mallorca und Almeria spielte, bevor er dank Kayal den Weg nach Brighton fand.

"Es war für mich etwas Besonderes, dort gegen einige der besten Spieler der Welt zu spielen", so der Stürmer über seine Zeit in La Liga. "Das waren vier unglaubliche Jahre für mich. Es wird ebenfalls etwas ganz Besonderes, dort gegen viele Spieler zu spielen, mit denen ich es damals in der Liga zu tun bekam. Das Leben dort war sehr schön, das Wetter super. Vielleicht beende ich meine Karriere dort."

Kayals Beziehung zu Italien dagegen ist sogar noch etwas spezieller. "Ich habe im Achtelfinale der UEFA Champions League mit Celtic gegen Andrea Pirlo gespielt ", erinnert sich Kayal. "Für mich war das ein außergewöhnlicher Moment. Als Mittelfeldspieler will man immer seinen Idolen nacheifern und eines davon war Pirlo."

"Als ich gegen ihn gespielt habe, war meine Frau noch schwanger, wir hatten uns noch nicht für einen Namen entschieden. Obwohl er nach 70 Minuten ausgewechselt wurde, wartete er im Spielertunnel auf mich, wünschte mir alles Gute und tauschte sein Trikot mit mir. Dann sagte ich ihm, dass ich meinen Sohn 'Pirlo' nennen würde. Jetzt ist er zwei Jahre alt und liebt Fussball, vielleicht wird er ja der neue Pirlo! ."

Israels Traum von Russland Israel hat aus den drei Spielen bisher sechs Punkte geholt – nach dem 1:3 gegen Italien gab es 2:1-Siege gegen die EJR Mazedonien und Liechtenstein. Als nächstes geht es gegen Albanien, wobei Hemed hofft, dass er seine starke Form bestätigen wird, denn in den letzten beiden Spielen erzielte er drei Tore.

"Sie haben eine sehr starke Mannschaft", sagte Hemed. "Wir müssen uns auf ein schwieriges Spiel einstellen und dort unser Bestes geben. Natürlich wollen wir die drei Punkte, aber letztendlich müssen wir bereit sein. Wir denken erst einmal an den dritten Platz – und träumen ein wenig davon, noch besser abzuschneiden. Aber momentan können wir uns keine höheren Ziele setzen."

Die Blau-Weißen haben seit ihrem Debüt 1970 keine WM-Endrunde mehr erreicht und da nun La Roja und die Azzurri im Weg stehen, wird der Weg nach Russland sehr schwer. Es gibt aber immer Hoffnung.

"Im Fussball ist alles möglich", lächelt Kayal. "Wir müssen nur daran glauben. Es gibt viele Beispiele dafür, wie Island bei der EURO, sie haben das gut gemacht und alle überrascht. Wir träumen davon, bei der WM dabei zu sei. Ein Ergebnis im Fussball kann alles in der Gruppe auf den Kopf stellen. Wir hoffen, dass wir eines Tages dabei sein werden."

Die Jungs aus Brighton werden darauf spekulieren, dass es nicht so lange dauern wird, bis Baby-Pirlo erwachsen ist, bevor Israel das nächste Mal bei einer WM-Endrunde dabei sein wird.