Sonntag 28 August 2016, 11:45

Guttmann: Aberglaube und der Fluch des Trainers, der alles gewonnen hat

  • Freitag den 13. verbinden viele Menschen mit Aberglaube

  • Auch im Fussball gibt es viel Aberglaube

  • Eine der spannendsten Geschichten ist die des "Guttmann-Fluchs"

Glück spielt eine Rolle im Fussball. Pech auch. Und wenn man acht Endspiele auf europäischer Vereinsebene in Folge verliert, dann kann man schon mal glauben, dass sich das Schicksal gegen einen verschworen hat. Aber kann Schicksal wirklich die Erklärung für eine solche schwarze Serie sein? Für die Anhänger von Portugals Renommierklub Benfica Lissabon ist jedenfalls klar, dass dem nicht so ist. Sie sind überzeugt davon, dass ihr ehemaliger Trainer Béla Guttmann dahinter steckt, auch wenn der schon viele Jahre tot ist.

Genau genommen kam der "Fluch des Bela Guttmann" im Jahr 1962 über die Encarnados, noch genauer am Abend ihrer Titelverteidigung im Europapokal der Landesmeister. Weil sich Guttmann mit der Vereinsführung nicht auf die Höhe einer Prämie für diesen Erfolg einigen konnte, verließ er den Klub vergrätzt und erklärte, wenn er nicht bezahlt werde, solle Benfica in hundert Jahren keinen Europapokal mehr gewinnen. Was folgte, waren fünf Finalniederlagen im Europapokal der Landesmeister (1963, 1965, 1968, 1988, 1990), eine im UEFA-Pokal (1983) und zuletzt zwei in der UEFA Europa League in den Jahren 2013 und 2014.

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Guttmanns Groll hält sich also hartnäckig. Daran änderte auch die Enthüllung einer Statue zu seinen Ehren im Estádio da Luz nichts, ebenso wenig wie die offizielle Entschuldigung des Klubs aus dem Munde von Eusébio im Jahr 1990. Dabei hatte die Vereinslegende bei dieser Gelegenheit eigens noch ein Bouquet Blumen an der Statue niedergelegt. Der frühere Trainer scheint im Tode noch genauso unnachgiebig und kompromisslos zu sein wie zu Lebzeiten. "Ein Trainer ist wie ein Löwenbändiger. Er dominiert die Tiere so lange, wie er sich selbstsicher zeigt und keine Angst hat. Aber beim ersten Anzeichen von Angst in seinen Augen ist er verloren." So beschrieb Guttmann wiederholt seinen Beruf.

Talent allein genügt nicht

Das erklärt vielleicht auch, warum Konflikte Guttmanns Weg ebenso pflasterten wie Erfolge. Geboren wurde Bela Guttmann in Budapest, damals Hauptstadt der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, als Sohn eines Tanzlehrers. Bis zu seinem 16. Lebensjahr trat er in die Fußstapfen seines Vaters, dann versuchte er sich im Fussball. In seiner Heimat spielte Guttmann lediglich für den Amateurverein Torekvas und ab 1919 für MTK Budapest, ehe er sich in den Zwanzigerjahren von der antisemitischen ungarischen Regierung zu einem Wechsel zu Hakoah Wien mit seiner rein jüdischen Mannschaft gezwungen sah.

Aus politischen Gründen kehrte Guttmann schließlich Europa völlig den Rücken und ließ sich in New York nieder. Dort stagnierte seine Spielerkarriere. Guttmann betätige sich mehr als Betreiber einer Flüsterkneipe während der Prohibition. Im Börsencrash von 1929 hatte Guttmann fast sein gesamtes Vermögen verloren. 1932 kehrte er nach Europa zurück und spielte eine letzte Saison als Aktiver für Hakoah Wien. Dort begann er anschließend auch seine Trainerkarriere. Von Wien aus begann der rastlose Guttmann eine 40 Jahre andauernde Weltreise, die ihn von Hakoah (1933) bis zum FC Porto (1973) führte. Die sieben Jahre des Zweiten Weltkriegs verbrachte er zur Untätigkeit gezwungen im Exil.

Guttmanns Weg führte ihn von Österreich bis ins ferne Argentinien. Dazwischen lagen Stationen in Brasilien, Zypern, Griechenland und Uruguay. Bei insgesamt 25 kleineren und großen Klubs stand Guttmann an der Seitenlinie und vermittelte die stets gleiche Philosophie: "Es ist egal, ob man drei oder vier Gegentore kassiert, wenn man fünf oder sechs Tore schießt", lautete eines seiner Credos. "Talent allein genügt nicht", ein anderes. "Wenn die Spieler auf den Platz gehen, müssen sie den unbedingten Siegeswillen haben."

Zum schier unerschöpflichen Fundus an Anekdoten von und über Guttmann gehört auch, dass er sich in seiner Zeit bei Maccabi Bukarest in Gemüse bezahlen ließ, das nach dem Krieg nur schwer zu bekommen war. Vereinsoberen, die sich in die Mannschaftsaufstellung einmischen wollten, schlug er auch schon mal die Tür krachend vor der Nase zu. Kurz, Guttmann konnte es nicht leiden, wenn seine Autorität untergraben wurde. Bester Beweis: Bei Honvéd Budapest trainierte Guttmann neben Sándor Kocsis, József Bozsik und Zoltán Czibor auch einen gewissen Ferenc Puskás – allesamt Spieler der legendären ungarischen Jahrhundertelf. Doch der Trainer und sein Star verstanden sich nicht. Streitereien waren an der Tagesordnung, bis es schließlich zur Trennung kam.

Verträge und Tricks

In einem Spiel gegen Györ geriet Guttmann ob der Leistung von Verteidiger Mihaly Patyi derart in Rage, dass er ihm die Rückkehr auf den Rasen verbieten und lieber zu zehnt weiterspielen wollte. Puskás intervenierte und wies seinen Mannschaftskameraden an, nach der Pause wieder mit aufzulaufen. Auf diesen Affront reagierte Guttmann, indem er erst das Stadion verließ ... und dann den Klub.

Weitere Beispiele für Guttmanns Temperament gefällig? 1956 wurde Guttmann wegen zwischenmenschlicher Probleme beim AC Mailand entlassen, obwohl er nach 19 Spieltagen an der Spitze der Serie A stand. Danach ließ er sich in seine Verträge konsequent eine Klausel hineinschreiben, die seine Entlassung untersagte, solange er Tabellenführer war. Und ob bei Honvéd Budapest, dem AC Mailand, dem FC São Paulo, CA Peñarol, dem FC Porto oder Benfica Lissabon – Tabellenführer war Guttmann mit seinen Mannschaften oft.

Kraft seines Charakters und seiner Erfolge war Guttmann praktisch überall der Alleinherrscher. So konnte er bei seinem Antritt bei Benfica 1959/1960 ganze 20 Spieler trotz laufender Verträge aussortieren, um Eigengewächsen eine Chance zu geben. Ergebnis? Am Ende wurde Lissabon Meister. Ein weiteres sprichwörtliches Meisterstück des Ungarn bei und für Benfica war es, im Dezember 1960 schnell zu schalten und dem Stadtrivalen Sporting einen jungen Torjäger aus Mosambik wegzuschnappen.

Sein Name? Eusébio, Gewinner des Europapokals der Landesmeister 1961 und 1962. Guttmann ließ ihn unter falscher Identität in Portugal einreisen und sperrte ihn anschließend mehrere Tage im Hotel weg, bis der Vertrag unterschrieben war. An die Erfolge in der Königsklasse konnte Benfica nie wieder anknüpfen – und vielleicht bleibt es bis 2062 dabei. Es sieht nicht so aus, als habe der Ex-Trainer seine Meinung geändert und ließe sich gnädiger stimmen…