Dienstag 03 März 2020, 20:18

Fussball und Bücher bilden eine nicht aufzuhaltende Kraft

  • Am 5. März begeht Großbritannien den World Book Day

  • Dan Freedman schrieb eine Serie brillanter Fussballbücher für Kinder

  • FIFA.com erzählte er seine faszinierende Geschichte

1995: Eine ambitionierte Kinderbuchautorin ist felsenfest davon überzeugt, dass sie auf ihrer altmodischen mechanischen Schreibmaschine auf eine Goldader gestoßen ist. Doch der 29-Jährigen aus dem Süden Englands flattert eine Ablehnung nach der anderen ins Haus - zwölf Stück an der Zahl.

Ausgerechnet die 13. Antwort war dann diejenige, die den Grundstein zum überwältigenden Erfolg von J.K Rowling mit ihrer Fantasiewelt rund um die Zaubererschule Hogwarts legte. Harry Potter und der Stein der Weisen war der erste Band einer beispiellosen Bestseller-Reihe und der dritterfolgreichste Kinofilm aller Zeiten. Rowling gehört seitdem zu den erfolgreichsten Autorinnen und einflussreichsten Persönlichkeiten auf unserem Erdball.

2007 erlebte ein damals 29-Jähriger aus Südengland eine ganz ähnliche Geschichte.

"Zu der Zeit wurde Harry Potter gerade eine wirklich große Sache. In meiner naiven Vorstellung meinte ich, 'Wenn Geschichten über einen Jungen, der zum Zauberer wird, so beliebt sind, dann sollten doch auch Geschichten über einen Jungen, der Fussballer werden will, sehr beliebt sein'", so Dan Freedman im Gespräch mit FIFA.com.

"Ich hatte für den englischen Fussballverband FA gearbeitet und war sieben Jahre lang mit dem englischen Nationalteam rund um die Welt gereist. Ich war bei zwei WM-Endrunden dabei – Korea/Japan 2002 und Deutschland 2006 – und hatte im gleichen Hotel wie die Spieler gewohnt und viele von ihnen kennen gelernt. Ich hatte viele Interviews geführt, mit Spielern wie Cristiano Ronaldo. Daher hatte ich unzählige Fussballgeschichten im Kopf."

"Ich hatte Zeit mit [Steven] Gerrard und [Wayne] Rooney verbracht und die Idee war, etwas aus der die Kindheit solcher Typen zu erzählen – oder auch von jemandem wie Gazza. Wie wäre es wohl gewesen, wenn es bei diesen Jungs in der Schule oder zu Hause Probleme gab? So entstand also mein erstes Buch über diesen Typ, dem ich den Namen Jamie Johnson gab.

Natürlich hatte ich riesige Ambitionen und machte mir große Hoffnungen. Aber mein Buch wurde buchstäblich von jedem Verlag in Großbritannien abgelehnt.

Die Leute begriffen nicht, worum es ging. Man fragte: 'Was soll an diesem Jamie Johnson so Besonderes sein? Wird er ein besserer Spieler, wenn es regnet?'

Und ich sagte: 'Nein, im Gegenteil. Er ist ein ganz normales Kind mit ganz normalen Problemen. Sein Vater ist nicht da, er lebt bei seiner alleinerziehenden Mutter, sein Großvater ist sein Vorbild und sein bester Freund ist ein Mädchen namens Jack. Er ist einfach ein völlig normales Kind – aber auf dem Fussballplatz zeigt er unglaubliches Können.'"

"Bei jeder einzelnen Ablehnung wollte ich den Grund verstehen, damit ich versuchen konnte, das Buch noch besser zu machen. Dann endlich, nach rund drei Jahren, kapierten die Leute es – und plötzlich wollten alle das Buch haben.

Ich fühlte mich wie ein Spieler mitten in einer Transferschlacht zwischen mehreren Klubs! All die vielen Ablehnungen waren zwar schwer zu verdauen, doch sie haben mich als Autor besser werden lassen. Als dann klar wurde, dass das Buch tatsächlich erscheinen würde, war dies natürlich sehr aufregend."

Jamie Johnson: The Kick Off erschien im Juni 2007. Zu Weihnachten wurde das Buch in Großbritannien ähnlich oft verkauft wie die Computerspiele Guitar Hero III: Legends of Rock, FIFA 08 und die PlayStation 3. Es war der Auftakt zu einer mittlerweile acht Bücher umfassenden Serie und Vorlage für eine enorm populäre BBC-Fernsehserie mit Kurzauftritten von Steven Gerrard, Gary Lineker und John Stones.

"Genau so hatte ich es mir erträumt", so Freedman, "aber meistens kommt es ja eben nicht so, wie man es sich erträumt hat. Noch heute ist es für mich ein fast surreales, tolles Erlebnis, wenn ich irgendwo in Großbritannien – oder auch rund um die Welt, da die TV-Serie ein globaler Hit wurde – in ein Klassenzimmer gehe und frage 'Kennt Ihr Jamie Johnson?' und alle Hände gehen in die Höhe."

"Die Serie hat die ganze Welt erobert – von Island bis Indonesien. Eine der besten E-Mails, die ich je bekam, war von einem Lehrer mitten im Himalaja-Gebirge. Er schrieb mir, dass die Kinder an seiner Schule einen eigenen Jamie-Johnson-Klub gegründet haben. 'Sie lesen die Bücher und dann gehen sie raus und spielen Fussball. Falls Sie jemals in der Nähe sind, holen wir Sie am Flughafen in Delhi ab - das sind rund 14 Stunden mit dem Geländewagen - und dann können Sie unseren Jamie-Johnson-Club in Action erleben.'"

"Hier wirken zwei enorm starke Kräfte zusammen: Geschichten, die unsere Vorstellung fesseln und uns Informationen verschaffen, und Fussball, die wohl stärkste gesellschaftliche Kraft, wenn es darum geht, Menschen zusammen zu bringen."

Vor 14 Jahren traf Freedman einen anderen Mann, der die Kraft der Bücher und die des Fussballs nutzte, um Menschen zusammenzubringen.

"Die Kinder fragen mich oft, wer die tollste Persönlichkeit ist, die ich bei meiner Arbeit im Fussball oder als Autor getroffen habe", erzählt Dan. "Sie erwarten dann immer eine Antwort wie [Cristiano] Ronaldo, [Lionel] Messi oder [David] Beckham.

Ich gehörte 2006 zu einer englischen Delegation, die Nelson Mandela in seinem Haus besuchte. Er wollte sein Land wieder zusammenführen, und dafür wollte er die Fussball-WM nach Südafrika holen, denn dieses Event strahlt hell wie kein anderes auf das ganze Land.

Mandela war stark vom Lesen geprägt. Er hat ja in seinem Leben unglaublich viel gelesen, insbesondere in den vielen Jahren im Gefängnis. Das hat ihn nachhaltig geprägt. Und auch er nutzte die Kraft der Bücher und die des Fussballs, um sein Land zu einen.

Ich arbeite daran, dass viele junge Spieler, die ihre Karriere noch vor sich haben, ihre Lese-, Schreib- und Kommunikationsfähigkeiten verbessern, und ich sehe keinen Grund, warum in Zukunft nicht einige davon zu Führungspersönlichkeiten werden sollten. Der frühere U.S.-Präsident Reagan war ein Schauspieler, und fast alle kannten ihn. Warum sollte dann beispielsweise jemand wie Marcus Rashford nicht der zukünftige Premierminister sein?"

Derzeit haben die Behörden in Großbritannien viel mit Messerstechereien und ausufernder Bandenkriminalität zu kämpfen. Diese Themen greift Dan Freedman auch in seinem jüngsten Buch mit dem Titel Unstoppable auf.

"Ich war in den vergangenen 13 Jahren an rund 2.000 Schulen zu Gast", erzählt er. "Ich spreche immer mit den Schülern und frage, was in ihrem Leben passiert, welche Probleme sie haben. Einmal prahlte tatsächlich ein Zehnjähriger in einer Grundschule in einem Londoner Vorort damit, dass er ein Messer habe.

Das macht Angst, aber wer regelmäßig die Nachrichten schaut, kann davon eigentlich nicht überrascht sein. Bei mir als Buchautor stellen sich bei solchen Sachen gleich die Empfangsantennen auf. Ich denke, mit der Erzählkraft von Geschichten hat man eine tolle Plattform, um solche Missstände aufzugreifen, damit sich auch Kinder damit beschäftigen und über Dinge reden, über die sie sonst nicht reden würden. Viele Organisationen nutzen das Buch Unstoppable, um mit Kindern zum Thema Messer und Messerstechereien ins Gespräch zu kommen."

Wie lautet nun Dans Botschaft am World Book Day?

"Ganz egal, wofür du dich interessierst, was immer deine Leidenschaft ist: Nimm ein Buch zur Hand und finde mehr darüber heraus", so Freedman. "Ein gutes Buch ist in etwa so, als hättest du einen sehr guten Freund immer bei dir, wenn du mit ihm sprechen willst.

Das ist das Beste, was du in deinem Leben für dein Wohlbefinden, dein Potenzial und deine Verwirklichung tun kannst, und gleichzeitig auch ein überaus angenehmer Zeitvertreib. Der World Book Day ist eine großartige Möglichkeit, eines der besten Dinge der Welt zu genießen: ein gutes Buch zur Hand zu nehmen, dich völlig darin zu verlieren und jedes einzelne Wort zu genießen."

Der ehemalige britische Boxer Mark Prince hat eine Empfehlung für alle, die noch kein gutes Buch für den heutigen Tag gefunden haben: Kiyan, der Sohn des Ex-Boxers, der damals im Jugendteam der Queens Park Rangers spielte, wurde von einem Messerstich tödlich ins Herz getroffen, als er versuchte, einen Streit an seiner Schule zu schlichten.

"Nichts gegen Shakespeare, aber das Buch Unstoppable sollte für alle jungen Menschen im Land zur absoluten Pflichtlektüre gehören", so der Vater des Opfers, der sich seitdem enorm im Kampf gegen Messer und Messerstechereien engagiert.