Freitag 05 August 2016, 08:58

Europas Talente für Korea 2017

In exakt 288 Tagen ertönt in Korea Republik der Anpfiff zur FIFA U-20-Weltmeisterschaft 2017 und auch wenn sich das nach einem langen Zeitraum anhört, so ist die Endrunde für viele Spieler schon  greifbar nahe. In Afrika ging beispielsweise gerade die Vor-Qualifikation zu Ende, in Europa wurden Mitte Juli die ersten fünf Teilnehmer neben dem Gastgeber überhaupt ermittelt.

Und natürlich stachen auf dem Alten Kontinent einige Talente heraus, die auch in Asien vom 20. Mai bis 11. Juni 2017 glänzen wollen. Logischerweise richten sich alle Augen erst einmal auf Europameister Frankreich, der im Endspiel so souverän 4:0 gegen Italien triumphierte und auf den überragenden Stürmer Jean-Kévin Augustin, der mit insgesamt sechs Turniertoren den Rekord für eine U-19-Europameisterschaft einstellen konnte. Augustin, der in der Nähe des Parc des Princes aufgewachsen ist, spielt für Paris Saint-Germain und wird gerne einmal mit Jean-Pierre Papin verglichen. "Er ist sehr schüchtern. Er spricht nicht viel, aber er denkt viel über Fussball nach, auch über seine Arbeit und seine Entwicklung. Er weiß genau, was er will", so PSG-Reservetrainer David Bechkoura über Augustin.

Neben dem Pariser begeisterte sein Offensivpartner *K***ylian Mbappé von AS Monaco, der mit fünf Treffern nur einen weniger erzielte als Augustin und im Februar mit 17 Jahren und 62 Tagen Thierry Henry als jüngsten Torschützen in der Liga-Geschichte von Monaco ablöste. "Er hat unglaubliche Anlagen. Aber er hat noch viel, viel Arbeit vor sich, um sein Talent auch komplett abzurufen", sagte Monacos Trainer Leonardo Jardim über den Mann, der aufgrund seiner Dribblings und seines Antritts an den Brasilianer Robinho erinnert. Angetrieben wird das französische Mittelfeld von Kapitän Lucas Tousart**, der dort den Takt angibt und mit gefährlichen Schüssen aus der zweiten Reihe aufwarten kann.

Technik, die begeistert Italien hat zwar im Endspiel gegen Frankreich einen schwarzen Tag erwischt, doch konnte man in den Runden zuvor sehen, dass die Italiener über große Talente verfügen. Allen voran ist da Federico Dimarco zu nennen, der laut Stefano Vecchi, seinem Jugendtrainer bei Inter, "das Zeug dazu hat, einer der besten Linksverteidiger der Welt zu werden. Seine Art, den Ball zu kontrollieren, macht ihn perfekt für diese Position, gerade in einer Fünferabwehrkette." Dass er über einen außergewöhnlichen Schuss verfügt, demonstrierte er auch mit dem Freistoß, der das Halbfinale gegen England entschied. "Er zeigt, dass es nicht immer um die körperliche Überlegenheit geht - seine technischen Qualitäten zählen", meinte Italiens U-19-Trainer Paolo Vanoli.

Es ist keine Überraschung, dass bei den Italienern der Fokus auf der Defensive liegt: Kapitän und Innenverteidiger Filippo Romagna hielt vor dem Finale die Abwehrreihe zusammen und glänzte durch Tempo, starkes Kopfballspiel und guten Spielaufbau. "Insgesamt können wir auf unsere Leistung bei diesem Turnier dennoch stolz sein. Wir haben das Finale in einem sehr hochklassigen Turnier erreicht und große Teams hinter uns gelassen.", so Romagna. Die Azzurrini waren vor allem bei Standards gefährlich und der spielintelligente Mittelfeldmotor Manuel Locatelli war ebenso wie Dimarco gegen Österreich mit einem Freistoß erfolgreich.

Portugal konnte zwar den Erfolg der A-Nationalmannschaft nicht wiederholen, doch bei den Iberern fielen mit Diogo Gonçalves und Buta zwei technisch beschlagene Offensivakteure auf. Benficas Gonçalves glänzte im Mittelfeld der Portugiesen vor allem in Umschaltmomenten und ist eigentlich auf dem Flügel zuhause, wo er seinen schnellen Antritt und seine Endgeschwindigkeit ausspielen kann. Bei der U-19-EM in Deutschland leitete er aber oft das portugiesische Spiel aus der Zentrale. In der UEFA Youth League gelangen ihm letzte Saison sieben Tore in den ersten drei Spielen. Er vergleicht sich gerne mit dem argentinischen Benfica-Flügelspieler Nicolás Gaitán: "Er spielt auf derselben Position wie ich und er gefällt mir sehr gut", verrät Gonçalves.

Butas zwei Treffer machten ihn zum besten Torschützen Portugals in Deutschland; schon in der Qualifikation konnte er mit vier Treffern und drei Vorlagen glänzen. Angefangen hat der torgefährliche Mann sogar mal als Außenverteidiger, doch sein Gespür für die gefährlichen Situationen vor des Gegners Kasten sorgte dafür, dass die Trainer ihn nun fast ausschließlich als Angreifer einsetzen.

Deutschlands ersehnter Stürmer? Beim EM-Gastgeber aus Deutschland stach vor allem der Hoffenheimer Philipp Ochs dank seiner hohen Geschwindigkeit, Antritt und Dynamik hervor. Er erzielte bei der 3:4-Niederlage gegen Portugal alle drei Treffer des DFB-Nachwuchses (zwei Elfmeter) und auch im WM-Playoff-Duell gegen die Niederlande sorgte er für die 1:0-Führung und im Elfmeterschießen zeigte er erneut keine Nerven. Bereits im vergangenen Jahr gab der 19-Jährige, der sich auf der linken Außenbahn am wohlsten fühlt, sein Bundesliga-Debüt. Insgesamt 13 Mal kam er im deutschen Oberhaus bislang zum Einsatz. "Philipp verfügt über große Offensiv-Qualitäten und ist ein außergewöhnliches Talent, das sich in den vergangenen Jahren bei der TSG kontinuierlich weiterentwickelt hat", so 1899-Direktor Profifussball Alexander Rosen im Januar, als Ochs seinen Vertrag bis 2019 verlängerte.

Einen Schritt weiter ist schon Englands Dominic Solanke, der seit Oktober 2015 der jüngste Champions-League-Spieler in der Geschichte des FC Chelsea London ist. Beim 6:0-Erfolg der Blues gegen NK Maribor war der 1,82 Meter große Angreifer eingewechselt worden. Der frühere Chelsea-Stürmer Tore André Flo lobte Solanke einst: "Er arbeitet hart und ist physisch sehr stark und schnell, dazu ist er gut am Ball, egal wie eng die Situation ist oder wie schwer es aussieht." Gemeinsam mit Isaiah Brown bildete Solanke bei der U-19-EM ein durchschlagendes Offensiv-Duo und traf in der Gruppenphase gegen die Niederlande und Frankreich.

Wer am Ende den Sprung zur FIFA U-20-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr schaffen wird, bleibt natürlich abzuwarten. Doch zweifelsohne haben diese Spieler bereits bewiesen, dass sie das Zeug für die internationale Bühne haben – und wer weiß, vielleicht taucht bis dahin noch der eine oder andere Spitzenfussballer auf, der die Fachwelt in Korea 2017 überzeugen und überraschen wird.