Montag 29 August 2016, 08:30

Daniel Torres: Ein Akt des Glaubens

Seine Geschichte ist eine Geschichte der zweiten Chancen. Chancen, die ihm seine Familie, der Fussball und das Leben gegeben haben. Und heute stellt die Geschichte des Kolumbianers Daniel Torres auch eine Inspiration dar. "Es sind Menschen an meine Familie herangetreten, um ihr zu sagen, dass ich ihnen als Vorbild dienen würde, und das macht mich sehr stolz. Menschen dabei zu helfen, Hoffnung zu schöpfen und ihren Weg zu finden, bedeutet mir wesentlich mehr als Tore", betont der Mittelfeldspieler im Gespräch mit FIFA.com.

Mit 26 Jahren hat für Torres bei Deportivo Alavés nun das Abenteuer in der spanischen Primera División begonnen. Außerdem zählt er zu den Stammspielern der kolumbianischen Nationalmannschaft, die bei der Copa América Centenario den dritten Platz erobert hat und um ein Ticket für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ kämpft. Doch dieser erfolgreiche Weg hätte vor sechs Jahren beinahe ein jähes Ende genommen.

Zu einem Wendepunkt kam es, als ihn Ruhm, Geld und Erfolg von seiner Frau und seinem Sohn entfremdeten und er versuchte, sein Leid in Partys und Alkohol zu ertränken. Die Partynächte schlugen sich auch in seinen Leistungen nieder und für den einstigen Hoffnungsträger von Atlético Nacional Medellín ging es nun steil bergab.

Die zweite Chance In einem Taxi erfuhr er in den Radionachrichten, dass sein Klub künftig auf seine Dienste verzichten würde. Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einem ersten Glaubensakt, und seitens seines früheren Arbeitgebers Santa Fe. Trotz seiner Probleme glaubten die Klubverantwortlichen an ihn und öffneten ihm die Tür. Gleichzeitig fand Daniel zu einem weiteren Glauben. Der christliche Glaube half ihm dabei, in dieser entscheidenden Phase seines Lebens wieder auf den richtigen Weg zu kommen und die zweiten Chancen zu nutzen, die ihm geboten wurden:

Da war zunächst einmal die Chance, die sein Klub ihm eröffnet hatte, mit dem er nach einer 36,5-jährigen Durststrecke wieder die Apertura-Meisterschaft gewinnen konnte. Zwei Superliga-Titel, ein Titel im Torneo Finalización und seine herausragenden Leistungen bei der Copa Libertadores gipfelten schließlich in einem Wechsel zu Independiente Medellín.

Doch auch seine Familie gab ihm noch eine Chance. Es kam zur Versöhnung, und er baute sich ein stabiles Zuhause auf. Und schließlich erhielt er auch vom Leben eine zweite Chance. Torres fand den richtigen Weg, wurde glücklich und verwirklichte seine Träume.

Einer dieser Träume war die Berufung in die kolumbianische Nationalmannschaft. "Das habe ich mir durch meine harte Arbeit bei Santa Fe und Medellín verdient. Die Nationalmannschaft war immer schon mein großes Ziel. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch und wusste, dass ich es mit Gottes Hilfe in das Team schaffen kann. Ich glaubte fest daran, hatte Geduld und bekam schließlich die Chance. Es war schwierig, dorthin zu kommen, doch es wird noch schwieriger sein, meinen Platz zu behalten. Das ist eines der großen Ziele, die ich in meiner Karriere noch habe", sagt er.

Im November 2015 gab er unter José Pekerman sein Debüt, und seither verpasste er kein einziges Spiel. "Ich sorge für die richtige Balance im Team. Das ist vor allem im Mittelfeld sehr wichtig. Dort erfolgt der Spielaufbau. Meine Aufgabe besteht darin, die Defensive zu stärken, den Ball zu erobern und einen sauberen ersten Pass zu spielen", erklärt er die Anweisungen seines Trainers.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Die nächsten Gegner in der Südamerika-Qualifikation, in der die Kolumbianer derzeit auf dem fünften Platz rangieren, der die Teilnahme an der interkontinentalen Playoff-Runde bedeutet, heißen Venezuela (am 1. September in Barranquilla) und Brasilien (am 6. September in Manaus).

Beim Duell mit der Seleção kommt es zu einem Wiedersehen mit dem Viertelfinalgegner der letzten Weltmeisterschaft. "Ich habe dieses Spiel zu Hause mit meiner Familie gesehen und als Fussballprofi habe ich abseits des Platzes mehr mitgelitten, als ich es auf dem Spielfeld getan hätte", räumt er mit einem Lächeln ein.

Vor Brasilien 2014 war er unter den Anwärtern auf einen Platz im WM-Kader gewesen. Doch der entscheidende Anruf sollte nicht kommen. Trotzdem ist er im Nachhinein weder wütend noch traurig darüber, dass er sich die Chance mit seinen ausgiebigen Feiern selbst verbaut hat. "Ich bin überzeugt, dass Gott genau weiß, was er tut. Wenn es nicht so gekommen ist, sollte es einfach nicht sein. Für mich war der Moment noch nicht gekommen. Damals konnte ich nichts beitragen", erklärt er mit Bescheidenheit.

Nun wird er alles daran setzen, bei der WM in Russland dabei zu sein und dort seine Qualitäten unter Beweis zu stellen. Die spanische Liga ist das ideale Sprungbrett, um dieses Ziel zu erreichen. "Das ist eine äußerst attraktive Liga. Dort kann ich jedes Wochenende gegen hervorragende Mannschaften mit den besten Spielern der Welt spielen. Dort kann ich jeden Tag mit großartigen Spielern trainieren, die bereits über jahrelange Erfahrung in dieser Liga verfügen. Dort kann ich mich als Spieler und als Mensch weiterentwickeln", analysiert der aus der Gemeinde Cáqueza stammende Mittelfeldspieler.

Sein Landsmann Abel Aguilar, der sechs Jahre lang in Spanien gespielt hatte, diente ihm als Vorbild. In der Primera División, nämlich bei Real Madrid, spielt zwar auch James Rodríguez, doch aus spielerischer Sicht freut er sich mehr auf das Duell mit dem FC Barcelona. "Auf meiner Position ist Sergio Busquets ein Vorbild. Er ist nicht nur ein großartiger Mensch, sondern auch ein fantastischer Fussballer." Das Spiel gegen die Katalanen findet nach den Länderspielen im September statt. Am 10. wird Alavés im Camp Nou zu Gast sein. "Ich werde natürlich versuchen, mein Trikot mit ihm zu tauschen!", meint er mit einem Lächeln. "Zudem spielte er mit der Rückennummer, die auch ich bevorzuge."

Mit der Nummer 16 gab er sein Debüt für Santa Fe. "Diese Nummer hat im Fussball keine große Tradition, doch ich möchte damit für Furore sorgen und Geschichte schreiben. Ich möchte, dass man die Nummer 16 eines Tages mit Daniel Torres in Verbindung bringt."

In der Nationalmannschaft hat er mit dieser Rückennummer bereits zehn Länderspiele bestritten. Er ist davon überzeugt, dass er auch bei der WM 2018 in Russland glänzen und anderen mit seinem Beispiel weiterhin Hoffnung geben kann.