Montag 04 April 2016, 08:53

Carlos Bacca: Mit Geduld zum Erfolg

Ganz Kolumbien war in Sorge. Mit nur vier Punkten aus vier Spieltagen war der Beginn der Südamerika-Qualifikation zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018 ohnehin nicht optimal verlaufen. Das Team ging als Tabellensiebter in den Doppelspieltag im März. Zusätzlich beunruhigte die Fans, dass weder Radamel Falcao, Teofilo Gutierrez noch Jackson Martinez zur Verfügung standen.

Doch mit Siegen gegen Bolivien und gegen den Tabellenführer Ecuador tankten die Cafeteros neues Selbstbewusstsein und konnten gleichzeitig einen neuen Helden bejubeln, der mit seinen Glanztaten einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Carlos Bacca, Stürmer beim AC Mailand, erzielte beim Gastspiel in La Paz den zweiten Treffer und steuerte in Barranquilla gleich zwei Tore bei. Es waren die ersten Tore in einem Pflichtspiel für Kolumbien von einem Spieler, der insgesamt erst elf Länderspieltreffer auf dem Konto hat.

Auf den ersten Blick erscheint dies eine recht geringe Ausbeute für einen 29-jährigen Spieler. Doch der Schein trügt, denn die Karriere von Bacca verlief etwas weniger geradlinig als üblich. Der Angreifer debütierte erst vor sieben Jahren bei Junior de Barranquilla als Profi. Und noch vor neun Jahren verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Fahrscheinverkäufer im Bus!

FIFA.com sprach nach dieser spektakulären Woche mit dem Ex-Spieler von Junior de Barranquilla, FC Brügge und FC Sevilla.

Herr Bacca, Sie gehören zu denjenigen Menschen, die warten können. Und mit Geduld kommt der Erfolg. Amen. Ich warte immer und vertraue auf Gott. Ich arbeite jeden Tag, um mich zu verbessern. Mit der Zuversicht, dass mein Moment kommen wird. Das Leben hat mich gelehrt, dass es so ist. Aber ich bin kein Konformist, sondern sehr ehrgeizig. Ich glaube, dass ich immer noch sehr viel mehr geben kann.

Haben Sie die prominenten Ausfälle im kolumbianischen Sturm zusätzlich unter Druck gesetzt? Die Nationalelf hat schon immer gute Stürmer gehabt, doch wir sind in erster Linie eine Mannschaft. Falcao, Teo oder Jackson hängen genauso wie Bacca, Luis Muriel oder Adrian Ramos von der Arbeit des gesamten Teams ab. Ich bin gelassen geblieben, weil ich wusste, dass mein Team gute Arbeit leistet und ich das Vertrauen des Trainerstabs genieße. Ich wusste, dass die Ergebnisse kommen würden. Im Fussball muss man zuversichtlich bleiben und Ruhe bewahren.

Aber nach den Ausrutschern gegen Uruguay und Argentinien oder dem Unentschieden gegen Chile gab es große Zweifel an der Mannschaft. Wie ist sie damit umgegangen? Es war schwer, doch wir sind ruhig geblieben. Zum Glück haben wir außerdem einen Trainerstab, der Erfahrung mit solchen Situationen hat. Wir mussten zusammenhalten und an uns glauben. Man muss auch verstehen, dass es seit der letzten Qualifikation und im Vergleich zur WM und Copa America Veränderungen im Team gegeben hat. Einige Spieler sind neu, andere haben einen Vereinswechsel hinter sich haben und müssen sich an die neuen Gegebenheiten gewöhnen, einige sind verletzt. Wir mussten zu uns selbst finden und wieder das Gefühl füreinander entwickeln. Das ist uns in diesen zwei Spielen gelungen. Gleichzeitig dürfen wir jetzt nicht zu selbstzufrieden werden, denn es sind viele Monate bis zum nächsten Länderspiel.

Beim Stichwort Vereinswechsel: Wie erging es Ihnen bei Ihrem Wechsel von Sevilla zum AC Mailand? Ehrlich gesagt war das etwas schwierig. Für einen Stürmer ist der Calcio eine große Umstellung. Aber der Trainerstab hat mir das Vertrauen ausgesprochen und meine Teamkameraden haben mir sehr geholfen. Der Verein hat es mir leicht gemacht, und nach und nach stellen sich die Ergebnisse ein.

Bei 16 Toren in 34 Spielen in Ihrer ersten Saison scheint es doch recht gut zu laufen. Worin bestanden die Schwierigkeiten? Für einen Stürmer ist es hier schwieriger, nur als Angreifer und mit Toren seinen Beitrag zu leisten. Hier muss ein Stürmer viel mehr im taktischen Bereich mitarbeiten und das Mannschaftsspiel in anderen Aspekten unterstützen. Doch es war mein Traum, in Italien spielen zu können, und ich genieße es jeden Tag aufs Neue.

Woher kommt dieser Wunsch, in Italien zu spielen? Als Kinder haben wir uns in Kolumbien oft die Spiele der italienischen Liga im Fernsehen angesehen, weil es dort viele Landsleute gab. Wir sahen uns oft (Faustino) Asprilla bei Parma, Iván Ramiro Córdoba bei Inter oder Jorge Bolaño bei Parma an - das waren damals Vorbilder. Und als Klub ragte immer der AC Mailand heraus, deshalb hatte ich immer diesen Traum, der sich nun erfüllt hat.

Bei der Rückkehr in die Nationalmannschaft einen Doppelpack zu erzielen, ist sicherlich ein tolles Gefühl. Und dann auch noch in Barranquilla: War das für Sie ein ganz besonderes Erlebnis? Es ist immer schön, Tore zu schießen, aber besonders schön natürlich dort, wo ich als Profi debütiert habe. An dem Ort, wo ich am meisten geliebt werde. Meine Familie war anwesend. Wenn du dann im Trikot der Nationalmannschaft ein Tor erzielst und dein Name skandiert wird, ist es das Schönste, was einem Spieler passieren kann. Das werde ich nie vergessen.

Kapitän James Rodriguez hat in beiden Spielen eine Spitzenleistung abgeliefert. Wie sehen Sie ihn? Ich denke, es geht ihm gut. Ein Spieler benötigt das Vertrauen seines Klubs. In seiner ersten Saison, die immer am schwersten ist, hat er es sehr gut gemacht. Momentan geht es ihm mit dem neuen Trainer und der neuen Arbeitsweise nicht so gut und er wurde kritisiert. Aber mit seiner Einstellung und harten Arbeit sowie mit seiner fussballerischen Klasse wird er große Dinge erreichen.

Welche Mannschaften haben Sie in dieser WM-Qualifikation am meisten beeindruckt? Die Südamerika-Qualifikation ist die schwerste der Welt, weil in ihr viele Spieler mit besonderem Können spielen, die sehr intelligent sind und dieses besondere Blut haben. Das zeigt sich darin, dass momentan sieben Mannschaften eng beieinander liegen und um die oberen Plätze kämpfen.

Überrascht Sie die Situation Brasiliens? Für Brasilien ist es schwer, nach den vier Jahren ohne Qualifikationsspiele wieder den Rhythmus zu finden. Sie haben diese Anspannung des Wettkampfs eingebüßt. Ein Fussballer benötigt diesen Druck, um sich zu motivieren und sein Bestes zu geben. Sie haben Probleme, weil es nicht das Gleiche ist, ein Freundschaftsspiel oder ein Qualifikationsspiel zu bestreiten.

Apropos Brasilien: Nach den wenigen Minuten Einsatzzeit bei der letzten WM werden Sie Russland 2018 mit besonderer Motivation entgegensehen? Aber klar, mit großer Sehnsucht, denn in Brasilien hinderte mich eine Verletzung daran, in Bestform zu sein. Leider gibt es dieses Risiko in unserem Sport. Hoffentlich bleibe ich bis 2018 davon verschont.

Nach dieser emotionsreichen Woche werden Sie sicherlich gestärkt nach Italien zurückkehren. In der dortigen Liga steht nichts Geringeres als das große Duell zwischen Milan und Juve auf dem Programm. Das ist die Partie, die jeder Spieler gern bestreiten würde. Wir treffen auf den italienischen Meister, europäischen Vizemeister und Tabellenführer der Liga, der großartige Spieler hat. Wir freuen uns sehr und wollen unsere Sache vor heimischem Publikum gut machen. Ich fühle mich gut und kehre mit der großen Motivation zurück, meinen Beitrag zu leisten.