Sonntag 11 September 2016, 18:50

Sarmiento: Jugendliche Unbekümmertheit für Argentinien

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass ein Torwart frühestens im Alter von 26 oder 27 Jahren die Zeit der Reife erreicht. Ein Umstand, der auch im Futsal gilt. Ist es angesichts dessen ratsam, einen 23-jährigen Jungen bei seiner ersten FIFA-WM gleich in die Startformation zu stellen?

Diego Giustozzi geht dieses Wagnis ein. Der argentinische Nationalcoach vertraut voll und ganz auf Nicolas Sarmiento, den fünftjüngsten der 55 in Kolumbien 2016 anwesenden Schlussmänner. "Das mit dem Alter ist relativ", wehrt die Nummer eins der Albiceleste im Gespräch mit FIFA.com diese Frage genauso souverän ab wie auf dem Feld die heranfliegenden Bälle.

"Es stimmt, dass man in höherem Alter und nach mehr Spielen oder WM-Teilnahmen vor allem wegen der gesammelten Erfahrung anders an die Dinge herangeht. Aber wenn ich auf dem Platz stehe, nehme ich das nicht so wichtig. Ich weiß nicht, wann ich meinen besten Moment erreiche. Hoffentlich jedes Mal aufs Neue, wenn ich ins Tor gehe!", ruft er heiter aus.

Dennoch räumt er wenige Stunden vor seinem WM-Debüt eine gewisse Nervosität ein. "Ich weiß, dass mein junges Alter und die fehlende Erfahrung ein Nachteil sein können. Deswegen versuche ich, das nicht als etwas Negatives anzusehen, mit dem ich nicht umgehen kann. Ich gehe so ruhig und ernst wie möglich an die Sache heran."

Auch zwischen ihm und Giustozzi ist es kein Gesprächsthema. "Diego hat mir sein Vertrauen ausgesprochen, indem er mich spielen ließ, als ich jünger war und er größere und erfahrenere Torhüter zur Auswahl hatte", sagt Sarmiento über seinen Trainer, der ihn bei der Copa de las Naciones 2014 in der Startformation debütieren ließ.

"Es war also nie nötig, dass er mir sagt: 'Das Alter wird sich nicht negativ auswirken.' Und jetzt ist auch nicht der Moment, um damit anzufangen", sagt er augenzwinkernd.

Außerdem hatte sich die Frage des Alters bereits vor zwei Jahren erledigt, als er in der spielstarken brasilianischen Liga für Intelli Orlândia zwischen den Pfosten stand und für Furore sorgte. "Es war aufsehenerregend für sie, weil es keine Ausländer gab. Und dann noch so jung und außerdem Torhüter. In dem Jahr brach ich also so manche Tabus."

Eine unschuldige Entscheidung führt zur WM* Schon als Kind hatte Nico* ein Tabu gebrochen: Während die meisten seiner Teamkameraden bei seinem Ausbildungsklub River Plate, von dem er ein großer Fan ist, davon träumten, im Rasenfussball erfolgreich zu sein, zog er Futsal vor. "Ich war schon immer Torhüter. Ich mochte Futsal, weil es ein schneller Sport ist und ich stärker beteiligt war und mehr Spaß hatte."

Ganz im Gegensatz zum Elf gegen Elf. "Richtig. Manchmal fand das Spiel 20 Minuten lang woanders statt, und da ich so klein war, kam ich nicht an den Ball, wenn er hoch getreten wurde. In diesem Alter fand ich das einfach langweilig und mit dieser Unschuld entschied ich mich für Futsal", erklärt Sarmiento, der mit seinen 1,68 Metern der drittkleinste all seiner Kollegen in Kolumbien ist.

Sein Vorbild und fast Mentor ist Santiago Elías, der bei den WM-Endrunden von 2008 und 2012 den Kasten hütete. Dabei sind ihre Stile ausgesprochen verschieden. "Er ist hochgewachsen und hat eine starke Präsenz. Seine Stärken liegen im Besetzen der Räume und in seinem Passspiel. Ich bin das genaue Gegenteil: schnell und beweglich. Ich versuche, ihn nachzuahmen, denn je größer mein Repertoire ist, desto besser."

Bisher ist es dem Torhüter von Palma Futsal aus der spanischen Spitzenliga mit seinem aktuellen Repertoire nicht allzu schlecht ergangen.

Zumal er im System von Giustozzi, der eine offensivere und aktivere Spielweise eingeführt hat, eine wichtige Rolle einnimmt. So feierte Sarmiento bei der Copa de las Naciones und der Copa Intercontinental von 2014 jeweils den Titelgewinn. In beiden Turnieren gelang ein Sieg gegen Brasilien. In der WM-Qualifikation wurde die Albiceleste Zweiter.

Das sind Erfolge, die aus Argentinien in Kolumbien einen Titelkandidaten machen. "Es ist nicht meine Aufgabe, mich um so etwas zu kümmern", stellt Sarmiento klar. "Ich kümmere mich um unsere Arbeit und um die Gelegenheit, die wir haben, unsere neue Identität als Team unter Beweis zu stellen."

Gleiches gilt für die vermeintliche Pflicht, die Gruppenphase überstehen zu müssen. "So etwas können nur Leute sagen, die nicht so sehr mit Futsal vertraut sind", stellt Sarmiento klar. "Weder Kasachstan noch Costa Rica mit ihren unterschiedlichen Stilen werden ein leichter Gegner sein. Es wäre unverantwortlich, anders zu denken. Wir werden schwere Momente überstehen und alles geben müssen, um uns zu qualifizieren."