Dienstag 20 September 2016, 01:30

"Lass diesen Sport, den niemand kennt"

Die Romanze begann im Auftaktspiel gegen Portugal. Der quirlige Spieler mit der Rückennummer 14 kam ins Spiel, trat ein oder zwei Mal gegen den Ball, überzeugte mit einigen Finten und die Fans in Cali schlossen ihn direkt ins Herz – obwohl er gar nicht so lange auf dem PIatz stand.

Doch dann kam die Partie gegen Usbekistan am zweiten Spieltag der FIFA Futsal-Weltmeisterschaft 2016. Kolumbien wollte einfach nichts gelingen, und der kleine Blondschopf saß auf der Bank. Da schallte es plötzlich von den Rängen: "Reeeeyes, Reeeeeyes, Reeeeeyes!".

"Natürlich habe ich das gehört, aber ich wollte mich weiterhin auf das Spiel konzentrieren", so Andrés Camilo Reyes im Gespräch mit FIFA.com. "Wenn ich darüber nachdenke, ist das etwas sehr Schönes für jeden Spieler, insbesondere in einer Sportart wie dem Hallenfussball, die noch im Wachsen begriffen ist. Das macht mich stolz."

Dabei muss festgehalten werden, dass der 27-jährige kolumbianische Libero, der ein Tor und zwei Vorlagen zum wichtigen Sieg gegen Panama beigesteuert hat, noch nicht einmal aus Cali stammt. "Ich komme aus Bogotá, genau wie meine gesamte Familie. Ich bin im Stadtteil Suba im Viertel Aures 1 aufgewachsen. Dort habe ich mich als Spieler und Persönlichkeit entwickelt."

Dort war es auch, wo seine Mutter immer wieder darauf drang, dass er den Ball ab und an weglegte und sich den Schulbüchern widmete. "Wir haben den ganzen Tag auf den Bolzplätzen des Viertels gespielt, und meine Mama schimpfte mit mir: 'Lass doch jetzt diesen Sport, den niemand kennt, und lern lieber'. Aber am Ende habe ich es immer vergessen."

Er hatte auch keine Angst vor Fouls, und das verschaffte ihm eine gewisse Überlegenheit. "Ich machte das, was mich begeisterte: den Ball führen, täuschen, dribbeln… Die Größeren gingen nicht zimperlich mit mir um, aber das hat mir nie etwas ausgemacht", so der nur 1,62 Meter große Spieler, der sechstkleinste des Turniers.

Hoffnungsträger Dabei war sich Reyes im Vorfeld keinesfalls sicher gewesen, dass er den Sprung in den kolumbianischen WM-Kader schaffen würde. Doch dann kam die Nominierung und mit ihr die verlorene Wette gegen seine Frau und eine neue Haarfarbe.

"Ich war aus dem Rhythmus und physisch nicht gut drauf. Fast ein Jahr lang hatte ich meine Sache nicht mehr wirklich gut gemacht", erklärt der Spieler, der auf Vereinsebene für Saeta Futsal Club aktiv ist. "Daher sagte meine Frau drei Tage bevor die Liste herauskam: 'Wenn du nominiert wirst, färbst du dir die Haare in der Farbe, die mir gefällt.' Und dann ging für uns beide ein Traum in Erfüllung!", meint er lachend.

Reyes ist Vater von María Paula (3 Jahre) und Juan Camilo (4), der "dem Papa am Ball schon nacheifert". Er verbringt gern Zeit mit seiner Familie. Angesichts seiner zahlreichen Verpflichtungen als Vater und im Futsal hat er sein Studium zum Systemingenieur zunächst einmal auf Eis gelegt. "Ich werde es aber beenden. Wie es weitergeht, werde ich nach all dem hier sehen."

"All das" ist die Weltmeisterschaft, bei der Kolumbien alles geben musste, um die Gruppenphase zu überwinden. Der Einzug in die nächste Runde gelang schließlich mit einem hart erkämpften 4:3 gegen Panama. "Man hat gemerkt, dass wir nervös waren, vor allem in den letzten Sekunden. Uns allen ging dieser letzte Spielzug gegen Portugal durch den Kopf. Wir mussten einen kühlen Kopf bewahren, um nicht wieder denselben Fehler zu begehen, und es ist uns gelungen. Das ist auf jeden Fall positiv."

Die Cafeteros, für die es in Cali weitergeht, treffen im Achtelfinale auf Paraguay und müssen dabei ohne die gelbgesperrten Leistungsträger Angellott Caro und Jorge Abril auskommen. Daher wird Reyes im Spielaufbau noch mehr Verantwortung übernehmen müssen.

"Sie werden schwer zu ersetzen sein. Das sind Spieler, die viel auf dem Platz stehen und uns fehlen werden. Wir beten zu Gott, dass Yulián schnell wieder fit wird, denn er ist ein weiterer Leistungsträger. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass der Rest der Mannschaft und ich mithalten können."