Dienstag 05 Juli 2016, 16:06

Kasachischer Higuita will Kolumbien begeistern

"Es ging mir schon vor der Playoff-Runde gegen Polen durch den Kopf: 'Ich darf die WM im Heimatland Higuitas auf keinen Fall verpassen!' Und ich bin mir sicher, dass die Kolumbianer dank meines Spitznamens Kasachstan anfeuern werden!"

Leonardo De Melo Vieira Leite lacht über seine Worte. Der in Kasachstan eingebürgerte Torhüter brasilianischer Abstammung ist allgemein unter seinem Spitznamen Higuita bekannt. Und er ist ein zentraler Bestandteil des kasachischen Nationalteams, das in Kolumbien 2016 seine zweite FIFA Futsal-Weltmeisterschaft bestreiten wird.

Richtig: In dem Land, in dem René Higuita geboren wurde und zum nationalen Idol aufstieg. Eine Persönlichkeit, mit der unser Gesprächspartner mehr als nur den Spitznamen gemeinsam hat.

"Natürlich verdankt sich mein Spitzname ihm", erklärt der Schlussmann im Gespräch mit FIFA.com. "Ich stand schon als Kind im Tor, verließ aber gerne den Strafraum und spielte mit den Füßen. Ich war risikofreudig und hatte lange Haare. Damals sagten alle zu mir: 'Higuita dies, Higuita das...' Der Spitzname begleitet mich, seit ich fünf Jahre alt bin. Ich mag den Vergleich."

Seinen fünften Geburtstag feierte der "neue Higuita" am 6. Juni 1991. Nur ein Jahr, nachdem der echte René bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft in Italien dank seiner für einen Torwart revolutionären Spielweise mit den Füßen und seiner schwarzen Mähne Weltruhm erlangt hatte.

"Ich begann ihn erst zu verfolgen, nachdem ich den Spitznamen bekommen hatte, doch er wurde zu einem meiner Idole", berichtet der kasachische Higuita, der heute 30 Jahre alt ist und die Haare kurz trägt. "Da ich auch Tore schieße, sagen manche, dass man mich eher mit Rogério Ceni vergleichen müsste. Aber mein Stil gleicht dem von Higuita. Ich hoffe, ihn bei der WM persönlich kennenzulernen."

Futsal der Zukunft Seiner technischen Klasse am Ball verdankt Higuita neben seinen Torhüterqualitäten die tragende Rolle, die er im System seines Trainers und Landsmanns Cacau im Nationalteam Kasachstans einnimmt. "Der Futsal ist ein dynamischer Sport. Meine Mannschaft spielt sehr offensiv und ich muss ein Teil dieses Systems sein. Daher nehme ich Schüsse, gebe Vorlagen und erziele manchmal sogar Tore", erklärt er.

Eines der wichtigsten gelang ihm im Rückspiel der europäischen Playoff-Runde gegen Polen. Nach dem 1:1 im Hinspiel wies Higuita seinen Mitstreitern den Weg und erzielte den 1:0-Führungstreffer. Am Ende stand ein deutliches 7:0 zu Buche, so dass Kasachstan nach Guatemala 2000 endlich wieder bei einer WM-Endrunde dabei ist.

Der Einsatz eines fliegenden Torwarts wird zwar immer üblicher, dennoch spielt für Higuita sein Nationalteam "den Futsal der Zukunft".

"Alle stellen einen Feldspieler ins Tor, wenn sie den Schlussmann im Angriffsspiel benötigen, aber wir nicht. Meine Aufgabe ist anders. Deshalb spreche ich davon, dass wir den Futsal der Zukunft spielen, denn wir werden immer mehr Torhüter sehen, die mit den Füßen spielen anstatt Feldspieler, die bei Bedarf für die Torhüter einspringen."

Hohe WM-Ziele Wie verschlug es ihn nach Kasachstan? "Auf der Suche nach einer besseren Zukunft für meine Familie", erklärt Higuita, der bis zu seinem 16. Lebensjahr Fussballtorhüter war. Bis ihm gesagt wurde, dass er mit 1,80 Meter dafür zu klein sei. Er wandte sich dem Futsal zu.

"2009 unterschrieb ich beim zweitbesten Klub des Landes, bei Astana-Tulpar, und zwei Jahre später wechselte ich zu AFC Kairat Almaty, dem bedeutendsten Verein." Dort gewann er nationale und internationale Titel, unter anderem zwei Mal den UEFA Futsal-Pokal und einen Interkontinental-Pokal.

Die Einbürgerung war "die logische Folge". In der Nationalmannschaft avancierte er zu einer tragenden Säule des Teams. 2015 wurde er von den Trainern und der Fachpresse gar zum Welttorhüter des Jahres gewählt.

Anfang 2016 folgte ein weiteres historisches Ereignis, als er mit seiner Mannschaft bei der ersten UEFA Futsal-EM in Kasachstan den dritten Platz erreichte. "Wir sind vielleicht kein Team, das die Menschen verzaubert, aber jeder von uns weiß, was er wann zu tun hat. So haben wir unsere Siege und das Selbstvertrauen erlangt, das uns bis zur WM geführt hat. Und wir wollen weit kommen."

Wie weit? "Bis ins Halbfinale."

Zum Auftakt wartet als Gegner Argentinien, "eine der fünf besten Mannschaften der Welt. Wir werden sie studieren müssen, so wie sie auch uns beobachten werden." Anschließend stehen mit Costa Rica und den Salomon-Inseln zwei weitere gefährliche Gegner auf dem Programm. "Sie waren bei den letzten WM-Turnieren schon dabei und verfügen über die Erfahrung, die uns noch fehlt. Doch wir sind nicht schwächer als sie."

Eines aber steht für Higuita fest: "Kasachstan liebt den Futsal inzwischen, es ist ein sehr wichtiger Sport. Ich habe keinen Zweifel, dass das ganze Land stillstehen wird, um unsere Spiele in Kolumbien zu verfolgen. Und das wird uns sehr viel positive Energie geben."