Samstag 10 September 2016, 11:00

Hinks: "Miguel Lasso wird bei uns sein"

Am 22. Juli 2013 änderte sich für Oscar Hinks vieles. Zwar stand er wie immer um fünf Uhr morgens auf, um seiner Arbeit als Elektriker auf dem Bau nachzugehen, doch die Nachricht, dass ein panamaischer Fussballer beim Verlasen eines Nachtklubs in San Miguelito, einem Problemviertel von Panama-Stadt, ermordet worden war, schockte ihn.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Als er auf der Baustelle eintraf, fragte ihn ein Arbeitskollege: "Hast du gehört, dass sie Miguel Lasso umgebracht haben? Deinen Teamkollegen aus der Nationalmannschaft?" Von da an war nichts mehr beim Alten.

"Ich konnte es einfach nicht fassen", so der zweite Kapitän der panamaischen Nationalmannschaft wenige Stunden vor seinem Debüt bei der FIFA Futsal-Weltmeisterschaft Kolumbien 2016 im Gespräch mit FIFA.com. "Miguel hatte vorher nie Probleme gehabt. Er gehörte damals zu den wenigen, die vom Fussball leben konnten. Ihm war das Spiel mit dem Ball wichtig, nichts anderes."

Hinks telefonierte danach stundenlang mit seinen Teamkollegen. Die Erinnerungen an die CONCACAF-Meisterschaft 2012, bei der Lasso mit sechs Treffern Torschützenkönig wurde, oder an die WM in Thailand im selben Jahr, bei der die Canaleros ins Achtelfinale eingezogen waren, schienen irreal zu sein.

"Jeder hatte eine andere Version von dem Vorfall, doch das war egal: Miguel war nicht mehr unter uns. Das hat mich sehr getroffen, weil wir im selben Alter waren, 2006 gemeinsam unser Debüt in der Nationalmannschaft gegeben hatten und sehr vertraut miteinander waren. Wir träumten davon, eines Tages im Ausland zu spielen, um unseren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber Gott hatte anderes mit ihm im Sinn", erklärt der Abwehrspieler, der am 20. September seinen 31. Geburtstag feiert.

Umstellung auf allen Ebenen Was für ein Mensch war Lasso abseits des Spielfelds? "Er lachte viel, war aber zurückhaltend. Er sprach mit den Füßen. Im Umgang mit seinen engsten Vertrauten war er gelöst, wobei er immer für alle aufmunternde Worte fand. Er mochte es nicht, wenn jemand traurig war."

Hinks berichtet, dass niemand so sehr unter seinem Tod gelitten hat wie Carlos Pérez, der ebenfalls dem Team angehörte, das die WM in Thailand bestritt. "Carlos ist mit Miguels Schwester verheiratet und sie hatten ihr ganzes Leben lang zusammen gespielt. Er hat sich sogar eine Tätowierung mit seinem Namen machen lassen. Es war wichtig, ihn und uns gegenseitig zu unterstützen."

Das erste Training mit der Nationalmannschaft nach dem Tod von Lasso war schwierig. Hinks erinnert sich noch daran: "Wir fühlten uns nicht gut, das Zusammenspiel klappte nicht. In spielerischer Hinsicht war das ein harter Schlag. Wir sagten uns, dass wir keinen anderen Stürmer hatten, der uns bei direkten Freistößen und Strafstößen aus der Patsche helfen könnte. Doch dann haben wir beschlossen, dass wir weitermachen müssen, sind wieder in Tritt gekommen und haben ihm jedes Tor gewidmet."

Positive EnergieSeither ist Lasso für Hinks und seine Teamkameraden bei jedem Spiel und jedem Turnier eine Quelle der Inspiration. Das war auch bei der diesjährigen Futsal-CONCACAF-Meisterschaft nicht anders, dem Qualifikationsturnier für die WM. "Zunächst dachten wir, wir könnten es ohne Miguel nicht schaffen, aber dann haben wir uns geschworen, es für ihn zu schaffen."

Laut Hinks war nur selten so viel positive Energie zu verspüren wie in der Pause des Gruppenspiels gegen Mexiko. "Mit einer Niederlage wären wir ausgeschieden, und zur Pause stand es 0:2. Alle liefen mit hängenden Köpfen herum und ich sagte: 'Wir müssen mit breiter Brust auf den Platz gehen und für Miguel spielen. Es würde ihm nicht gefallen, uns so zu sehen.' Wir haben 6:2 gewonnen, und jetzt sind wir hier."

Hinks muss mittlerweile nicht mehr als Elektriker arbeiten. Tatsächlich kombiniert er den Futsal mit der Rasenvariante des Fussballs. Er steht als Innenverteidiger bei Municipal San Miguelito in der zweiten panamaischen Liga unter Vertrag. Der erklärte Bewunderer von Kike auf dem Parkett und Sergio Ramos auf dem Rasen überzeugt vor allem mit starker Physis und starken Worten.

Diese äußert er auch, als wir ihn nach seiner Meinung über die Gruppe fragen, in der Panama antreten muss. Hier sind außer dem Gastgeber Kolumbien noch Portugal und Usbekistan vertreten. "Wir sind an schwierige Spiele und Gruppen gewöhnt. Das ist besser. Gott gibt den Mutigsten die schwersten Aufgaben. 2012 mussten wir gegen Iran, Spanien und Marokko antreten und sind weitergekommen. Unser Ziel ist es, unsere Leistung von damals zumindest zu toppen und ins Viertelfinale einzuziehen."

Hinks ist sehr gläubig und überzeugt davon, dass sein Team zu sechst spielen wird: "Miguel Lasso wird immer bei uns sein."