Samstag 17 September 2016, 06:02

Fortino: Von Natur aus Italiener

Rodolfo Fortino hat alles andere als eine kalte und ausdruckslose Miene. Dennoch gab es etwas beim chirurgisch präzisen Kantersieg der Italiener gegen Guatemala, das an seinen Spitznamen Robocop denken ließ.

"Ich weiß nicht genau, wo der Name herkommt", sagt er im Vorfeld des letzten Gruppenduells gegen Vietnam im Gespräch mit FIFA.com. "Ich glaube, er tauchte in einem Interview auf, als mich einer meiner Teamkameraden, Lima, einfach Robocop nannte."

Der in Sao Paulo geborene Pivot scheint nichts dagegen zu haben, mit dem Robotermenschen von der Leinwand verglichen zu werden. "Ich bin sehr zufrieden damit", bestätigt er. "Ich verwende das auf meiner Facebook-Seite." Doch weiter geht die Identifizierung mit dem Namen nicht. Vor allem ist er sicher keine Anspielung darauf, dass seiner Spielweise etwa Leidenschaftslosigkeit anhafte. Obwohl sein dritter Treffer gegen die Mittelamerikaner, mit dem er die Marke von 50 Toren für sein Land überschritt und den ersten WM-Hattrick vollendete, geradezu lasergelenkt schien.

Eines indes ist sicher: Fortinos Spielweise ist alles andere als roboterhaft und vorhersehbar. Er kombiniert Schnelligkeit und Athletik und ist mit beiden Füßen gleichermaßen abschlussstark. Ein anderer Aspekt ist, dass er sich in seiner Mannschaft ausgesprochen wohl fühlt. Dies führt er in erster Linie auf sein Wesen zurück, das der italienischen Mentalität sehr nah ist. So hatte er keinerlei Mühe, sich an seine neue Heimat zu gewöhnen, in die er 2007 kam.

"Für mich ist Italien heute meine erste Heimat, nicht einfach eine Wahlheimat", sagt er, obwohl er gerade seine erste Saison außerhalb des Mittelmeerlandes bei Sporting in Portugal absolviert hat. "Es sind zwei völlig unterschiedliche Kulturen. Die Brasilianer sind sehr offen und immer zum Feiern bereit, während sie hier in Italien zurückhaltender sind. Vielleicht liegt das an der Kälte!"

"Mir fiel die Anpassung sehr leicht, weil ich ohnehin etwas schüchtern bin. Ich bin eher ein introvertierter und reservierter Typ. Aber ich habe viele Menschen getroffen, denen diese Umstellung etwas schwerer fällt", sagt er und zeigt lachend auf einen anderen Akteur im Trikot der Azzurri. "Wie Honorio zum Beispiel."

Diese Wesenszüge zeigen sich auch im Futsal. "Meiner Meinung nach spiegeln sich die beiden Kulturen auch auf dem Platz wieder. In Italien sind die Menschen konzentrierter, während bei den Brasilianern immer, sogar unmittelbar vor einem Spiel, mit Musik gefeiert wird."

Kontinuierlicher Aufstieg Für den inzwischen 33-Jährigen gab es eine Zeit, in der diese Herangehensweise an den Sport alles war, was er kannte. Wie so viele andere Jungs aus Sao Paulo verbrachte er absolut jede freie Minute auf einem Fussballplatz. Aber er musste sich seinen eigenen Weg durch die harte Konkurrenz im brasilianischen Amateurfussball bahnen.

Seine Mutter, die in einer Bank arbeitete, und sein Vater, der Zahnarzt war, die neben ihrer Berufstätigkeit wenig Zeit hatten, gaben ihm nach der Beendigung seiner Schulzeit ihren Segen, eine Sportlerkarriere zu verfolgen. Und er beschritt einen Weg, der ihn letztlich über den Atlantik nach Italien führen sollte.

Nachdem er seine Fähigkeiten auf den Plätzen in seiner Nachbarschaft gezeigt hatte, wurde er von einer neu gegründeten Mannschaft aus Sao Paulo aufgenommen und vertrat seinen Bundesstaat in der Folge bei landesweiten Futsalturnieren. Später begegnete er den damaligen brasilianischen Nationalspielern Leandrinho und Marinho. "Ich habe so viel gelernt und jede Bewegung analysiert, die sie gemacht haben. Das war mir eine riesige Hilfe, um diesen Punkt meiner Karriere zu erreichen."

Auch die Begegnung mit einem anderen Spieler - ein Torhüter namens Rogerio Santana - in seiner Zeit bei Santa Fe war für ihn wichtig. Indem dieser Fortinos Vorzüge beim sizilianischen Verein Augusto anpries, lieferte Santana den Anstoß zum Wechsel von einem futebol-verrückten in ein calcio-verrücktes Land. Dieser Schritt brachte ihm später einen dritten Platz und den adidas Silbernen Schuh in Thailand 2012 sowie den Titel bei der UEFA Futsal-WM 2014 ein.

Im Vorfeld der Partie gegen Thailand haben die Azzurri einen Platz im Achtelfinale bereits sicher. Da sich Fortino und seine Teamkameraden aber kein geringeres Ziel gesetzt haben, als das Ergebnis der letzten WM-Teilnahme zu verbessern, ist es nicht nur der ewige Druck, gute Ergebnisse zu erzielen, der sie antreiben wird. Ein Sieg würde zudem sicherstellen, in der nächsten Runde nicht auf den Gastgeber zu treffen.

"Sie haben das Publikum hinter sich", sagt Fortino zum Abschluss. "Wir können es nicht riskieren, auf sie zu treffen, nur weil wir den Fuß zu sehr vom Gas nehmen." Denn eines gilt sowohl für die italienische wie auch für die brasilianische Kultur: Auf Sieg zu spielen ist für sie der einzige Weg.