Montag 19 September 2016, 12:01

Chishkala: Russische Frostigkeit in kolumbianischer Hitze

Das erste Tor bei einer FIFA Futsal-WM im Trikot seines Landes zu erzielen, und das auch noch mit 21 Jahren, wäre für Viele ein Grund zum Feiern. Es wäre sogar ein Anlass, der einen einstudierten Jubel, einen Kuss auf das Wappen oder eine Widmung in die Kamera rechtfertigen würde. Nicht für den Russen Ivan Chishkala.

"Ich bin einfach kein emotionaler Mensch", sagt der junge Mann im Gespräch mit FIFA.com, nachdem er beim 7:1-Erfolg gegen Kuba den zweiten Treffer erzielt hat. "Ich kann nicht sagen, dass ich etwas Besonderes gefühlt habe. Ich nahm es, wie es war, ein weiteres Tor. Für mich ist es wichtiger, die neun Punkte geholt und die K.o.-Runde erreicht zu haben."

Schwer zu sagen, inwiefern die Gefühlskälte Chishkalas von der Tatsache beeinflusst worden ist, dass er in Norilsk geboren wurde. Es ist die Großstadt Sibiriens, die am weitesten im Norden und sogar nördlich des nördlichen Polarkreises liegt. Ein Ort, an dem es jährlich 45 Tage völliger Dunkelheit gibt mit Temperaturen um die minus 50° Celsius und mit Winden, die mit einer Stärke von 25 Metern pro Sekunde über das Land fegen.

Aber Norilsk hat sicher eine große Rolle dafür gespielt, dass er gerade diesen Sport ausübt, der ihn nach Kolumbien geführt hat. "Es ist dort sehr kalt, es gibt keinen anderen Sport als Futsal", sagt er über seine Geburtsstadt.

"Ich trat mit sieben Jahren einer Futsal-Schule bei. Als ich 14  war, zog ich nach Moskau um und begann, bei Dinamo zu spielen. Ich fiel den Sichtern der Nationalmannschaft auf, die mich zu den Jugendauswahlen einluden. Über die U-20 kam ich in die A-Nationalmannschaft, und hier bin ich", sagt er mit einem zurückhaltenden Lächeln.

Zwischen Futsal und Studium Auf dem Weg dorthin gewann er den Futsal Studenten-Cup 2014, ein Turnier, an dem Russland mit einer Juniorenauswahl von Universitätsstudenten teilnimmt. Chishkala, der für den Verein Gazprom Ugra Yugorsk spielt, mit dem er kürzlich den UEFA Futsal-Pokal gewann, studiert nebenher an der Staatlichen Technischen Universität für Zivile Luftfahrt, um später im Transportwesen zu arbeiten.

In der wenigen Freizeit, die ihm bleibt, liebt er es, "auf dem Computer Counter-Strike zu spielen." Und Fussball-Simulationen? "Nein, die interessieren mich nicht. Auch der Rasenfussball nicht. Ich sehe mir vielleicht ab und zu bestimmte Champions-League-Partien an, aber ich gehe nie ins Stadion."

Mit dem Futsal ist es anders. "Ich schaue mir alles an, was ich kann, vor allem die Ligen in Italien und Spanien, aber ich verfolge keinen besonderen Spieler. Wenn es einen gibt, der gut ist oder dessen Spielweise mir gefällt, achte ich mehr darauf."

Klarer Blick für Gegenwart und Zukunft Dass er ein gutes Auge für seine Disziplin hat, ist nicht zu übersehen: Mit vier Vorlagen liegt er auf dem zweiten Platz der besten Vorbereiter in Kolumbien 2016. Nicht schlecht für den zweitjüngsten Spieler Russlands und den zwölftjüngsten der WM.

Diese Jugend wird Chishkala in einen der russischen Spieler verwandeln, die den Generationenwechsel herbeiführen werden. "Es gibt eine natürliche Erneuerung und ich hoffe, dass ich dabei eine große Rolle spielen werde."

In der Zwischenzeit gibt er freimütig zu, dass der Weg Russlands ins Achtelfinale durchaus so leicht war, wie er aussah. "Wir respektieren alle Mannschaften, aber wir wissen, dass wir einigen Teams überlegen sind. Unser Ziel war, für die K.o.-Runde bereit zu sein. Jetzt kommen die härtesten Spiele."

Im Achtelfinale trifft Russland auf einen schweren Gegner: Vietnam. "Es ist egal, auf wen du triffst, du musst es mit jedem aufnehmen." Auch, dass Russland im Vergleich zu Brasilien, Italien oder Portugal weniger Beachtung in den Medien findet, ist für ihn nicht von Belang. "Das stört mich nicht. Wir wissen, dass wir im Schatten von anderen Ländern stehen, aber auch, wozu wir hierhergekommen sind."

Für den Titelgewinn? "Ich glaube nicht, dass wir uns schon als Kandidaten bezeichnen können, obwohl ich weiß, wie stark unser Team ist. Jetzt müssen wir nur noch spielen, spielen und spielen."