Donnerstag 03 Dezember 2020, 08:49

Als Spanien die Futsalgeschichte neu schrieb

  • 20 Jahre sind seit dem ersten Futsal-Weltmeistertitel Spaniens vergangen

  • La Roja setzte sich bei der WM 2000 in Guatemala mit 4:3 gegen den Favoriten Brasilien durch

  • Der damalige Trainer Javier Lozano erinnert sich

Auf dem Weg zum Titel mussten viele Hürden überwunden werden, einschließlich eines Rückstands in einem epischen Finale. Dann war es endlich soweit und die Spanier hatten Geschichte geschrieben. Dennoch nahm sich Javier Lozano nach dem Abpfiff einen Moment Zeit, den Erfolg auf seine Weise zu genießen.

"Die Jungs sprangen wild herum, und ich umarmte zunächst meinen Assistenten und ließ dann einfach alles auf mich wirken. Ich schoss im Geiste Fotos von den Szenen, die mir für immer im Gedächtnis bleiben sollten. In diesem Augenblick denkst du nicht an das Erreichte, du versuchst nur, Gefühle einzufangen, die du im Leben nicht mehr vergisst. Die Fans, die Spieler, der Assistenztrainer, die Gegner ... Ich war in diesem Augenblick sehr ernst und wollte das alles mitnehmen."

Guatemala, 3. Dezember 2000. Spanien hatte gerade seinen ersten Weltmeistertitel im Futsal errungen, und damit die brasilianische Vormachtstellung gekippt. Die Seleção hatte nämlich die drei vorherigen Auflagen für sich entschieden. Außerdem gelang den Spaniern die Revanche für die Finalniederlage vor eigenem Publikum vier Jahre zuvor.

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Der Sieg, der den Sport in Spanien veränderte

Lozano betont noch einmal, wie wichtig die WM 2000 war. "Die Einstellung im spanischen Hallenfussball hat sich komplett verändert. Wir hatten Brasilien, das zuvor ein unerreichbarer Mythos war, wieder zurück auf den Boden geholt. Danach sind wir innerhalb von vier Jahren sechsmal auf die Brasilianer getroffen und haben fünf Spiele gegen sie gewonnen. Außerdem haben wir die Botschaft in die Welt gesendet, dass es ein spanisches Modell gibt. Jetzt war auf internationaler Ebene nicht mehr Brasilien das Vorbild, und spanische Trainer waren auf der ganzen Welt heiß begehrt."

Das ging sogar über die Futsalszene hinaus. Die Anerkennung im Land war einhellig. "Wir hatten ein beispielloses Medienecho, denn damals konnte Spanien in den Mannschaftssportarten keine großen Erfolge verbuchen. Nach uns holten dann die Handball- und Basketballteams Titel ... und später kam der Fussball. Wir waren die ersten."

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Drei Sternstunden auf dem Weg zum WM-Sieg

Der Weg zum Titel war steinig. "Das war ein Masterkurs in Belastbarkeit und Personalmanagement, und ich habe den Doktortitel erlangt", meint er lächelnd. Für Lozano gab es drei entscheidende Situationen für den Titelgewinn.

I. Dickes Fell gegenüber Kritik

Die Turniervorbereitung fand in einer merkwürdigen Atmosphäre statt. "Bei der Bekanntgabe der Kaderliste habe ich Javier Lorente, einen der wichtigsten Spieler in der Geschichte des Nationalteams, außen vor gelassen und jeden Tag hagelte es Kritik. Unsere Vorbereitungszeit in Spanien war unerträglich. Dass wir das ausgehalten haben und das Team nicht auseinandergebrochen ist, war der erste Triumph." Mit der Ankunft in Guatemala, dem Austragungsort des Turniers, entspannte sich die Situation. Die erste Hürde war überwunden.

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II. Clavería als unerwarteter Held

Beim Aufwärmen für die erste Partie der zweiten Runde brach sich der zweite Torwart einen Finger, und während des Spiels verletzte sich dann auch noch der Stammtorhüter Luis Amado. Uns blieb nur noch der dritte Torwart, Jesús Clavería, den wir mitgenommen hatten, um ihn zu ehren und damit er sich bei einem großen Turnier aus dem Nationalteam verabschieden konnte. Der Abend im Hotel war wirklich dramatisch. Das Team war verzweifelt, weil alle dachten, der Traum sei jetzt ausgeträumt."

Da kam der Motivator in Lozano zum Vorschein. Ich habe mich allein mit den Spielern getroffen, und wir hatten ein ungeheuer emotionales Gespräch. Alle haben geheult. Ich musste etwas finden, an dem sie sich festhalten konnten. Am Ende des Gesprächs schlug bei allen die Trauer in Wut um, sie kamen zusammen und brüllten sich Mut zu und wir konnten das Blatt wenden."

Clavería spielte im Finale mit seinen Glanzparaden eine Schlüsselrolle und avancierte zum großen Helden des Teams. "Er hat allen eine Lektion fürs Leben erteilt", so Lozano. "Statt sich zu beklagen, war er bereit, als seine Chance kam."

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III. Motivationen verschmelzen

Als der Einzug ins Finale perfekt war, zog Lozano für die Partie gegen das mächtige Brasilien ein letztes As aus dem Ärmel. "Die Teambesprechung am Vorabend des Finales spielte eine wichtige Rolle. Wir haben alle gefragt, warum sie gewinnen wollten. Jeder hatte ein ganz eigenes Motiv, und es ist uns gelungen, die Interessen der Einzelnen mit dem Interesse des Teams zu verknüpfen. Wir verließen den Raum, und ich erinnere mich noch, dass ich zu einem Interview gerufen wurde und gesagt habe: 'Wir werden gewinnen.' Ich war absolut überzeugt davon, weil ich gesehen habe, dass das Team gewinnen wollte. Deshalb konnte ich das Spiel ganz gelassen leiten."

Das Traumfinale

Und damit kommen wir zum letzten Kapitel dieser Geschichte: zum großen Finale gegen Brasilien. "Sie hatten das beste Team aller Zeiten", versichert Lozano. Doch der spanische Trainer hatte die Brasilianer ausgiebig analysiert und eine Strategie entworfen, bei der nichts dem Zufall überlassen blieb. Selbst für den Fall eines Rückstands gab es einen Plan. In der zweiten Halbzeit ging Brasilien dann mit 3:2 in Führung. "Wir dachten, wenn wir den Ball weiter lange in unseren Reihen halten, würden sie nervös werden und Fehler machen." Und so kam es dann auch. Es verlief alles nach Drehbuch, wie bei Spielberg", meint Lozano lachend. "Wir haben durch direkte Freistöße gewonnen." Das Duell wurde erst kurz vor Schluss entschieden und endete mit einem 4:3 für Spanien.

Vier Jahre später, erneut mit Lozano am Ruder, errang La Roja ihren zweiten Weltmeistertitel. Doch nichts ist vergleichbar mit dem ersten Mal. "Den ersten Kuss vergisst man nie, auch wenn man im Laufe seines Lebens noch viele bekommt, bleibt der erste für immer im Gedächtnis", so der Trainer abschließend.