Donnerstag 26 Januar 2017, 14:24

Ein besonderer Tag für Suriname

"Dieser Sieg war so wichtig für uns, für das gesamte Land und für den Fussball hier", so Roberto Godeken, der Cheftrainer der surinamischen Nationalmannschaft, nach dem 2:1-Sieg gegen Trinidad und Tobago in der Qualifikation der Karibiknationen für den CONCACAF Gold Cup 2017. Bei dem im Zweijahresrhythmus stattfindenden Wettbewerb wird das Topteam der Region gekrönt. "Über 30 Jahre hatte Trinidad und Tobago auf dem Platz die Nase vorn. Dieses Spiel zu gewinnen, noch dazu auswärts, in deren Land, hat für uns die Welt bedeutet. Das war ein ganz besonderer Tag."

Im Leben ist oftmals die Perspektive entscheidend, ebenso wie im Fussball. Der Wert eines Ergebnisses hängt in großem Maße davon ab, ob man von unten nach oben oder von oben nach unten schaut. Für zahlreiche Nationalmannschaften wäre ein knapper Sieg gegen Trinidad und Tobago sicherlich höchstens eine bescheidene Errungenschaft. Doch für Suriname, das kleinste Land Südamerikas, in dem es keine Profiliga und beträchtliche Hürden für Erfolge auf internationalem Parkett gibt, ist ein solcher Sieg Grund für eine lange und ausgelassene Feier.

Nur ein surinamischer Spieler, nämlich der 22-jährige Stürmer Dimitrie Apai, ist Fussballprofi. Und er spielt nicht etwa in der EPL, der Serie A oder La Liga, sondern in der relativ unbekannten TT Pro League in Trinidad und Tobago, wo er für den Klub W Connection aktiv ist. Die restlichen Akteure der A-Selektie, wie das surinamische Nationalteam auch genannt wird, gehen tagsüber einer anderen Tätigkeit nach und kommen dann abends zusammen, wenn sich eines der seltenen Länderspiele am Horizont abzeichnet.

"Der Jüngste in unserem Team ist 19", fügt Godeken mit Blick auf das Nachwuchstalent Serencio Juliaans hinzu. "Er geht noch zur Schule, doch der Rest steht im Arbeitsleben. Sie arbeiten den ganzen Tag hart, und dann kommen wir bei Flutlicht zum Training zusammen und müssen mit der Kraft auskommen, die noch übrig ist."

Die Kraft reichte auf jeden Fall aus, um das bereits erwähnte historische Ergebnis in Trinidad zu erzielen, doch sie reichte nicht, um sich zwei Tage später auch gegen Haiti durchzusetzen und in die Playoff-Runde gegen Nicaragua einzuziehen, bei der ein Startplatz beim CONCACAF Gold Cup 2017 zu vergeben ist. Die Teilnahme an diesem prestigeträchtigen Wettbewerb wäre jedoch auch weit über alles hinausgegangen, was man realistischerweise erwarten kann. "Wenn man berücksichtigt, dass wir im Grunde ein reines Amateurteam sind, waren zwei Spiele in einer Woche einfach zu viel für uns", so Godeken nach der 2:4-Niederlage, bei der seine Mannschaft sich jedoch keinesfalls blamiert hat. "Wir konnten nach den 120 Minuten gegen Trinidad nicht mehr über die volle Spielzeit Gas geben und Druck machen. Das war einfach nicht möglich."

Nach Surinames Formsteigerung und dem hervorragenden Auswärtsergebnis in Couva machte das Team in der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste einen Riesensatz nach vorn und konnte im Monat Januar von allen Teams die meisten Plätze gutmachen. Suriname schoss vom 150. auf den 122. Platz vor und rangiert damit noch immer in der unteren Hälfte der globalen Rangliste, pirscht sich jedoch langsam an die beste Platzierung aller Zeiten heran. Dies war ein 104. Platz im Jahr 1994. Von der schlechtesten Platzierung aller Zeiten, dem 191. Rang, ist das Team mittlerweile ein gutes Stück entfernt.

Godeken führt das augenblickliche Hoch auf eine ganz besondere Mischung aus Jugend und Erfolgshunger im Team zurück. "Unsere größte Stärke ist, dass wir ein sehr junges Team sind. Die Spieler hören auf das, was ich ihnen sage", so der 42-Jährige, der außerdem den SV Nishan 42 in der 17 Teams umfassenden surinamischen Landesliga trainiert. Die aktuelle Mannschaft als jung zu bezeichnen, ist fast noch untertrieben, denn alle Spieler bis auf zwei sind unter 28. "Diese jungen Kerle haben die richtige Einstellung und sind bereit, hart füreinander zu arbeiten. Sie kämpfen in der Abwehr und auch im Angriff füreinander. Sie arbeiten auch beim Umschaltspiel zusammen. Das ist eine Stärke, die man nicht unterschätzen sollte."

** **Glorreiche Zeiten in der Vergangenheit

Trotz zahlreicher Hürden, einschließlich einer Bevölkerungszahl von gerade einmal einer halben Million, blickt Suriname in der karibischen Subregion auf eine stolze Tradition zurück. 1977 gewann das Land einen Vorläufer des Karibik-Cups. Zwei Jahre später belegte man den zweiten Platz und in den Jahren 1994 und 1996 landete das Team auf Rang vier. Doch diese stolzen Errungenschaften liegen lange zurück und werden im Rückspiegel von Tag zu Tag kleiner.

Suriname ist eine ehemalige Kolonie der Niederlande und auch dafür bekannt, einige der besten Spieler in der Geschichte des niederländischen Fussballs hervorgebracht zu haben. Clarence Seedorf, Edgar Davids, Ruud Gullit, Frank Rijkaard und Aron Winter sind nur einige ehemalige Stars der niederländischen Nationalmannschaft, die entweder in dem feuchtheißen Außenposten am Äquator geboren wurden oder deren Wurzeln dorthin zurückreichen.

Doch ein besonderer Passus in der staatlichen Politik Surinames verbietet es Spielern, die als Fussballprofis in die Niederlande gehen, zurückzukehren und für die A-Selektie aufzulaufen. Derzeit trifft dies schätzungsweise auf über 100 Spieler zu. "Spieler, die im Fussball weiterkommen wollen, verlassen Suriname bereits in jungen Jahren", so der Trainer. "Wenn du das Land verlässt und nach Holland gehst, kannst du nicht mehr für unsere Nationalmannschaft spielen. Das ist eine politische Entscheidung zweier Länder, und wir können nichts dagegen tun."

Doch Godeken und sein bunt zusammengewürfelter Haufen von Teilzeitfussballern halten sich nicht lange mit negativen Gedanken auf. Stattdessen blicken sie lieber mit Optimismus in die Zukunft und bauen nach dem jüngsten Aufstieg in der Weltrangliste auf Zusammenhalt und einen starken Glauben an die eigenen Fähigkeiten. "Wir sind nicht die stärksten, aber wir sind hier mit Leidenschaft bei der Sache", meint er abschließend. "Wenn wir Trainer aus dem Ausland hereinbringen und noch einiges mehr über taktische Entwicklung lernen können, gibt es keinen Grund, warum wir uns in Zukunft nicht für den Gold Cup qualifizieren sollten. Und, wer weiß, vielleicht bringen wir es sogar noch weiter."