Sonntag 25 Dezember 2016, 09:09

Profis schreiben Buch über ihre Erlebnisse im Fussball

  • Ich schreibe gerade an einem Benefiz-Buch mit Geschichten aus dem Fussball. Würdest du vielleicht eine Geschichte dazu beitragen?

  • Eine Geschichte aufschreiben? Sollten wir nicht besser einfach ein Benefiz-Spiel organisieren?

Der, dem diese Frage galt und aus dem es daraufhin herausplatzte: "Was, ich soll eine Geschichte schreiben?", ist Pablo Aimar. Und für einen Moment dachte der Gefragte gar, dass Sebastián Domínguez, argentinischer Ex-Nationalspieler und derzeit Innenverteidiger der Newell's Old Boys, verrückt geworden sei. Vielleicht war er es ja auch ein bisschen. Denn wer wie er mit sämtlichen Denkschablonen und Vorurteilen bricht, um von etwas Großem zu träumen, muss in der Tat ein wenig überdreht sein.

Dabei wollte Seba Domínguez nur für sein Wunschprojekt werben. Seine Idee war es, ein Buch herauszubringen, ein Buch mit Geschichten rund um den Fussball, die von Spielern und Trainern niedergeschrieben wurden. Der Verkaufserlös sollte für wohltätige Zwecke verwendet werden. Und am Ende gelang es ihm auch, Pablo Aimar sowie 24 weitere Akteure aus der Welt des runden Leders davon zu überzeugen. Sie alle arbeiteten an dem Buch mit dem Titel "Pelota de Papel" (Papierball) mit, das nach seinem Erscheinen im argentinischen Buchhandel zu einem echten Bestseller des Jahres 2016 wurde.

Fortan machten sich Javier Mascherano, Jorge Sampaoli, Jorge Valdano, Nicolás Burdisso und Fernando Cavenaghi – um nur einige von ihnen zu nennen – daran, ihre eigene Geschichte zu Papier zu bringen. Aimar, der 2015 seine Karriere beendete, war einer der Ersten, die Domínguez kontaktierte, als er bereits klare Vorstellungen von seinem Buchprojekt hatte. Ebenfalls zum Kreis der ersten Unterstützer zählen sein Freund und Ex-Coach von Sporting Cristal Lima, Mariano Soso, sowie die uruguayischen Fussballer Jorge Cazulo und Agustín Lucas als Mitbegründer des Projekts.

"Wir haben deshalb den Kontakt zu Aimar und später auch zu Sandro alias Patón Guzmán, dem früheren Torhüter der argentinischen Nationalmannschaft, gesucht, weil wir sie am besten kannten. Schon nach zehn Tagen hatten wir acht oder neun Geschichten zusammen. Seither haben wir nicht mehr davon abgelassen", so Domínguez im Gespräch mit FIFA.com. "Gemeinsam mit Agustín Lucas und Juanky Jurado, einem befreundeten Journalisten, der für die Herausgabe verantwortlich zeichnete, legten wir die strukturelle Gestaltung des Buches fest. Demnach stellt ein Schriftsteller im Vorwort jeweils einen Spieler vor, der dann eine Geschichte erzählt, die auf die eine oder andere Weise mit dem Fussball zu tun hat. Diese wiederum wird von einem Zeichner oder Karikaturisten illustriert."

An der Fertigstellung und Herausgabe des Buches, das inzwischen in seiner fünften Auflage erschien und bereits 18.000 Mal verkauft wurde, waren insgesamt 73 Personen beteiligt. Bislang war es in Argentinien und Uruguay erhältlich. Demnächst wird es auch in Mexiko zu kaufen sein. Überdies wird eine E-Book-Version in spanischer Sprache erscheinen, die überall auf der Welt erworben werden kann. Sämtliche Verkaufserlöse gehen an die Stiftung "JA", deren vorrangiges Ziel die Förderung der sozialen Eingliederung benachteiligter Bevölkerungsgruppen in Argentinien ist, und an die uruguayische Stiftung "Pro Derechos", die sich vor allem für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzt.

Außerdem wird das Buch auch in Internaten, in denen die Jugendabteilungen der Klubs ihren Fussball-Nachwuchs beherbergen, sowie in Krankenhäusern und Schulen verteilt. "Damit wollen wir junge Menschen zum Lesen ermutigen, statt ihre Freizeit mit Videospielen zu verbringen. Denn Lesen ist für die Bildung enorm wichtig", meint Domínguez.

Neben dem reinen Solidareffekt spielte bei der Entstehung des Buches auch der Anspruch, den Fussballern einen Raum zu geben, der sie möglichst vollständig abbildet, eine nicht unwesentliche Rolle.

"Auch wenn viele Spieler, die es nach ganz oben geschafft haben, aus einfachen Verhältnissen kommen, auf der Suche nach geeigneten Mitstreitern wird man immer fündig", ist sich Domínguez sicher. "Cazulo zum Beispiel ist ein hochgebildeter Mensch. Auf diese Weise sind wir auf eine ganze Menge interessanter Fussballer gestoßen. Ich persönlich zwar nicht, dafür waren Agustín und Cazulo umso beharrlicher, um ein für alle Mal mit dem Mythos des Fussballs aufzuräumen, dass wir alle einfach ein wenig dumm seien."

Literarische Vielfalt und geplante Fortsetzung Ariel Scher ist einer der namhaftesten Journalisten Argentiniens, und er ist zudem Schriftsteller. Er übernahm die redaktionelle Bearbeitung der einzelnen Beiträge. Bei einigen geschah dies Schritt für Schritt und in ständigem Kontakt mit dem jeweiligen Autor, bei anderen kümmerte er sich um die Endfassung des erstellten Manuskripts. Unter anderem auch im Fall von Mascherano, der eine Geschichte über Tito Vilanova schrieb, ohne dessen Namen zu nennen.

"Es sind Geschichten, die mir emotional sehr nahe gehen", sagte Scher vor wenigen Tagen anlässlich einer Werbeveranstaltung für das Buch in Buenos Aires, bei der der Eintritt in Form einer Spielzeugspende gewährt wurde.

"Domínguez verfasste eine Geschichte, die auf zwei Ebenen projiziert ist. Während die eine von Dingen handelt, die tatsächlich geschehen, befasst sich der andere Teil mit dem, was nicht stattfindet. Das ist alles andere als leicht. Der Beitrag von Mascherano ist sehr berührend. Er zeigt, dass die Literatur auf wunderbare Art und Weise die Erfahrungen des wirklichen Lebens widerspiegeln kann. Die Geschichte von Aimar beschäftigt sich mit dem Thema Familie, einem der Kernbereiche unserer Gesellschaft. Ich selbst könnte so eine bewegende Geschichte gar nicht schreiben. Andere wiederum siedeln ihre Geschichte nicht innerhalb einer bestimmten Zeitschiene an. Dies ist zum Beispiel bei Cavenaghi der Fall, dessen Beitrag es in mehrerer Hinsicht verdient, hervorgehoben zu werden. Burdisso schrieb eine voluminöse und gut strukturierte Geschichte. Sie ist derart detailliert, dass ich während der Arbeit an diesem Buch jeden Morgen eine E-Mail von ihm erhielt. Wir sind sie quasi Wort für Wort durchgegangen", so Scher über seine Autoren.

"Den Traum, ein solches Buch herauszugeben, hatten wir schon vor vielen Jahren. Nur hätten wir das damals vielleicht nicht gekonnt. Jetzt haben uns die Jungs dabei geholfen, mit einer ganzen Reihe von Vorurteilen aufzuräumen."

Der kreative Schaffensprozess war dennoch nicht ganz einfach. "Mitunter vergingen mehrere Tage, an denen mir überhaupt nichts einfiel. Dann kam mir wieder die eine oder andere Idee. Das ist wie ein Abenteuer, von dem man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt", so Aimar gegenüber FIFA.com. "Bei mir ist eine Menge Zeit vergangen, in der ich überhaupt nichts schreiben konnte. Und das, obwohl ich ständig unter Druck stand, schreiben zu müssen", sagte Cavenaghi. "An einem Nachmittag war ich mit dem Auto unterwegs. Und als ich dabei über alles Mögliche nachdachte, fiel mir plötzlich wie aus dem Nichts eine Geschichte ein. Das war ein sehr schönes und einschneidendes Erlebnis, zumal das Buch ja einem guten Zweck dient."

Pablo Aimar, der inzwischen vom Schreibfieber gepackt scheint, meint dazu ergänzend: "Für die allermeisten von uns war es das erste Mal, dass wir uns ans Schreiben gewagt haben. Da kann man nur hoffen, dass es nicht das letzte Mal war." Domínguez, der sich im Team stets als Führungspersönlichkeit hervortut, ist schon jetzt von der Idee der Herausgabe eines zweiten Teils begeistert. "Wir meinen, dass dieses Buch eine Fortsetzung braucht. Dafür haben wir viel Kraft, wir müssen also nur noch loslegen."