Donnerstag 09 November 2023, 08:30

Gesundheit und Wohlbefinden von Fussballspielerinnen im Fokus

  • FIFA-Expertin Dr. Georgie Bruinvels: „Es braucht mehr Forschung zu frauenspezifischen Gesundheitsthemen“

  • Verbreitung von Informationen und Bereitstellung von Ressourcen für die Unterstützung, Entwicklung und Vorbereitung von Spielerinnen durch die FIFA

  • Wissensvermittlung im Zentrum des von der FIFA im August lancierten Projekts für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistung von Frauen im Rahmen ihrer Frauenfussballstrategie

Ein verstärkter Fokus auf frauenspezifische Sportwissenschaft ist für das zukünftige Wachstum des Fussballs und den Schutz der Spielerinnen unerlässlich, zeigt sich Dr. Georgie Bruinvels überzeugt.

Nach Ansicht von Dr. Bruinvels, für Orreco tätige FIFA-Expertin und Referentin an der diesjährigen FIFA-Frauenfussballtagung in Sydney, braucht es unbedingt mehr Forschung, um den Frauenfussball in dieser beispiellosen Phase des Wachstums und der Professionalisierung zu begleiten. Dieser Bereich fällt unter einen der Pfeiler der FIFA-Frauenfussballstrategie (Schulung und Förderung).

Gemäss Dr. Bruinvels konzentrieren sich zurzeit nur sechs Prozent der sportwissenschaftlichen Forschung ausschliesslich auf Frauen: „Offensichtlich besteht hier noch enormer Spielraum für Verbesserungen, mit entsprechend vielen Möglichkeiten und grossem Potenzial.“

„Frauenspezifische Forschung ist teuer, klar. Und sie ist kompliziert. Allzu oft beschäftigen wir uns nur mit Männern, weil wir das bisher immer so gemacht haben und es gewohnt sind, die erlangten Erkenntnisse mehr oder weniger eins zu eins auf Frauen zu übertragen. Aber natürlich wissen wir, dass Frauen nicht einfach Männer mit anderen Geschlechtsorganen sind. Wir müssen wirklich mehr über die weibliche Anatomie und Physiologie verstehen, um Sportlerinnen besser unterstützen zu können.“

An der diesjährigen FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ konnten mehrere bekannte Stars wegen Verletzungen des vorderen Kreuzbands (VKB) nicht teilnehmen. Laut Dr. Bruinvels gibt es keine einzelne, einfache Erklärung für die Häufung von VKB-Verletzungen im Frauenfussball: „Viele glauben, das habe den einen oder anderen bestimmten Grund, aber so einfach ist das nicht. Von der Spielfeldqualität über die Trainingsbelastung bis zu den Schuhen und anderen Teilen der Ausrüstung gibt es unzählige potenzielle Risikofaktoren, die zu berücksichtigen sind.“

„Natürlich könnten hormonelle Veränderungen ein solcher Risikofaktor sein, insbesondere in Anbetracht dessen, wie schnell sie innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgen können. Wir müssen aber davon wegkommen, uns auf diese eine mögliche Ursache zu fokussieren, und stattdessen darüber nachdenken, wie wir die Spielerinnen ganzheitlich unterstützen können, vom Kinder- bis zum Spitzenfussball.“

„Im Zentrum sollte dabei meines Erachtens die Schulung rund um die weibliche Gesundheit stehen, wofür angemessene und zugängliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen sind. Genauer betrachten sollten wir auch, wie die Infrastruktur rund um das Spiel das allgemeine Verletzungsrisiko von Fussballerinnen senken kann, und uns dabei ständig fragen: Was können wir tun, um Frauen besser zu unterstützen?“

Die beispiellose Aufmerksamkeit, die die WM in Australien und Neuseeland für den Frauenfussball generiert hat, stellt ein perfektes Sprungbrett dar, um Fussballerinnen und Fussballverbänden wertvolles Wissen zu vermitteln.

Die FIFA wird – auf der Grundlage der Arbeit von Dr. Bruinvels und einer Reihe anderer weltweit führender Fachleute – im Rahmen ihres Projekts für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistung von Frauen die bestehenden FIFA-Plattformen nutzen, um Informationen zu verbreiten, Bildungslücken zu schliessen und Ressourcen für die Unterstützung, Entwicklung und Vorbereitung von Spielerinnen bereitzustellen.

„Die Informationen werden sich über verschiedene Aspekte des Trainings und der Betreuung von Frauen erstrecken, von Physiologie und Psychologie über Ernährung, Erholung, Schlaf und Reisen bis zu vor- und nachgeburtlichen sowie menopausalen Anpassungen“, erklärt Dr. Bruinvels. „Wichtig ist aber auch, wie das erworbene Wissen in die Praxis umzusetzen ist. Wie sollten zum Beispiel Spielerinnen rund um ihren Menstruationszyklus unterstützt werden, und welches sind die Grundlagen einer frauenspezifischen Ernährung?“

„In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der erforderlichen Infrastruktur. Nicht alle FIFA-Mitgliedsverbände verfügen über die entsprechenden Mittel. Deshalb richten wir uns auch direkt an Trainer, Gesundheitsfachleute, Spielerinnen und Eltern, damit all diese Anspruchsgruppen Schritt für Schritt dazulernen und punktuelle Änderungen vornehmen können.“

„Die Wissensvermittlung ist ein Grundpfeiler des Projekts im Zeichen des Engagements der FIFA für Forschung, Bildung und Aufklärung. Ich denke, uns ist noch immer nicht bewusst, wie gut Frauen tatsächlich sein können. Indem wir erkennen, was wir für sie tun können, erschliessen wir ihnen ein ganz neues Potenzial. Es ist eine überaus spannende Zeit für Mädchen und Frauen im Fussball!“