Donnerstag 17 August 2023, 14:00

Erfolge und Wachstum im Fokus der FIFA-Frauenfussballtagung

  • Zweite Ausgabe der FIFA-Frauenfussballtagung am Freitag in Sydney/Gadigal eröffnet

  • Frauenfussball im Blickpunkt bei Reden, Podiumsdiskussionen und Fallstudien

  • Zweitägige Veranstaltung bis Samstag vor dem Finale der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ am Sonntag

Am ersten, inspirierenden Tag der FIFA-Frauenfussballtagung in Sydney/Gadigal befassten sich Vertreter der 211 FIFA-Mitgliedsverbände bei verschiedensten Präsentationen mit dem übergeordneten Ziel, den Frauenfussball zu fördern.

Die zweitägige Veranstaltung, die von Carol Tshabalala moderiert wird, steht im Zeichen der fünf Pfeiler der FIFA-Frauenfussballstrategie: Entwicklung und Wachstum, Aufwertung des Frauenfussballs, Kommunikation und Vermarktung, Verwaltung und Führung sowie Schulung und Förderung.

Führungskräfte, Legenden, Trainer und Funktionäre aus aller Welt wurden von indigenen Vertretern der beiden gastgebenden Ländern der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2023™ im International Convention Centre nach traditionellen Sitten herzlich empfangen.

Die australische Sportministerin Anika Wells eröffnete die Tagung, indem sie der FIFA dafür dankte, die Frauen-WM in Australien auszutragen und Australien in eine Fussballnation zu verwandeln.

FIFA-Präsident Gianni Infantino begrüsste die Delegierten, indem er die vielen Aspekte einer bahnbrechenden WM aufgriff, beispielsweise die schnelle Entwicklung auf und neben dem Platz bei einer WM-Ausgabe voller Rekorde.

Vor dem Finale am Sonntag dankte FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura den beiden Gastgebern Australien und Aotearoa Neuseeland und verwies auf die Chance für ein nachhaltiges Wachstum, ehe sie die zweite Ausgabe der FIFA-Frauenfussballtagung offiziell eröffnete.

1. Pfeiler: Entwicklung und Wachstum

Bei der einleitenden Podiumsdiskussion „Schaffen von Grundlagen“, die von Karina LeBlanc geleitet wurde, erörterten Lowri Roberts (Wales), Bruce Djite (Australien), Tsholo Setlhoko (Botsuana) und Hem Kaur Sidhu (Indien) die weitere Förderung und die Stärke des Frauenfussballs.

„Wir müssen mehr in den Frauenfussball investieren. Wir haben das Potenzial und die Möglichkeiten. Der Frauenfussball wartet nur darauf durchzustarten. Wir müssen handeln und mehr in den Frauenfussball investieren.“ Hem Kaur Sidhu

„Wir müssen die Frauen einbeziehen, damit wir vorwärtskommen und den Frauenfussball weiterentwickeln können. Die heute hier anwesenden Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle, damit Frauen unterstützt und akzeptiert werden. Ich glaube, dass wir als Frauen auch Mütter sind und Mütter bei der Entwicklung des Fussballs entscheidend sind, weil Frauen Türen öffnen und vorangehen können. Geben Sie uns die Möglichkeit, damit wir unser Potenzial voll ausschöpfen können.“ Tsholo Setlhoko

Die ehemalige kanadische U-20-Cheftrainerin und FIFA-Legende Carmelina Moscato blickte in ihrer Rede auf ihren inspirierenden Werdegang im Fussball zurück und erzählte von ihrer befriedigenden Arbeit als Trainerin.

„Ich bin fest überzeugt, dass der Trainerberuf ein Geschenk und ein Privileg ist. Für mich war es selbstverständlich, mein Wissen und meine Begeisterung für den Fussball weiterzugeben, mich zu vernetzen, die Menschen zum Lachen zu bringen und ihnen Wertschätzung zu vermitteln. Ich möchte ihnen dabei helfen, ihre Träume zu verwirklichen. Wir alle müssen uns um Träume kümmern. Wir alle haben die Möglichkeit und die Pflicht, unseren wunderbaren Sport wahrhaftig gross zu machen.“

Jill Ellis, die als Trainerin schon zweimal die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ gewonnen hat, interviewte Emma Hayes (Trainerin des FC Chelsea) und Arsene Wenger (FIFA-Direktor für globale Fussballförderung). Themen beim Gespräch, das unter dem Motto „Trainerinnen erobern die Welt“ stand, waren verschiedene Aspekte des Coachings im Spitzenfussball sowie die aktuellen Aufgaben und persönlichen Erfahrungen der beiden.

„Die Hälfte der Weltbevölkerung hat keine Chance, zu spielen und sich zu entwickeln. Wir wollen allen eine Chance bieten. Wir möchten, dass Mädchen und Jungen überall auf der Welt eine Chance haben. Wir sind uns bewusst, dass das derzeit nicht der Fall ist. Wir wollen die Welt verändern und umgestalten. Alle unsere Mitgliedsverbände müssen uns dabei helfen. Ich bin wirklich überzeugt, dass der Fussball die Welt verändern kann. Nicht nur fussballerisch, sondern auch menschlich.“ Arsène Wenger

2. Pfeiler: Schulung und Förderung

Der zweite Teil begann mit einer Präsentation der renommierten Forscherin, Dozentin und Ärztin Dr. Nonhlanhla S. Mkumbuzi zum Thema „Frauenspezifische Trainings und Vorbereitungen“.

„Frauen werden laufend und systematisch aus der Forschung ausgeschlossen. Frauenspezifische Trainings, Vorbereitungen und Coachings sind ein Muss. Es ist aber nicht alles negativ, denn in den letzten Jahren sind verschiedene Akteure dem Ruf gefolgt und konzentrieren sich bei der Forschung verstärkt auf Athletinnen. Die FIFA-Frauenfussballdivision hat bei mehreren Projekten eine Führungsrolle bei der Frauenmedizin im Sport übernommen.“

Es folgte eine von Carol Tshabalala moderierte Podiumsdiskussion zum gleichen Thema mit Dr. Dawn Scott (Washington Spirit), Dr. Georgie Bruinvels (Orreco, Chelsea) und der ehemaligen neuseeländischen Nationalspielerin und FIFA-Legende Kirsty Yallop.

„Zwei Drittel der Athletinnen haben während ihres Menstruationszyklus manchmal das Gefühl, dass sie nicht die Leistung bringen können, die sie möchten, aber an einem bestimmten Tag dennoch trainieren oder spielen müssen. Athletinnen müssen deshalb mit dem Wissen ausgestattet werden, um solche Situationen zu bewältigen. Sie müssen lernen, damit umzugehen, statt dagegen anzukämpfen.“ Dr. Georgie Bruinvels

„Als ich spielte, wurde in dieser Hinsicht höchstens der Zyklus verfolgt. Aber das war es auch schon. Heute können wir anhand dieser Angaben die Leistung steigern. Das ist bahnbrechend. Wir können den Spielerinnen dabei helfen, ihr Niveau konstant zu halten, sodass sie sich nicht über Dinge Sorgen machen müssen, die ausserhalb ihrer Kontrolle liegen. Je mehr wir lernen und aufnehmen, desto mehr können wir an die Spielerinnen weitergeben, damit sie sich steigern können.“ Kirsty Yallop

Bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Frauenfussball als Motor für den breiten sozialen Wandel“ gewährten unter der Leitung von Dr. Vladimir Borkovic Amy Lasu (südsudanische Nationalspielerin) Kylie Bates (UN Women) und Lamia Bahaian (Vizepräsidentin des saudischen Fussballverbands) interessante Einblicke.

„Ich wünsche mir gleiche Chancen für Frauen. Ich wünsche mir soziale Gerechtigkeit ..., weil Frauen öfter Opfer von Diskriminierung und Gewalt sind. Ich wünsche mir eine stärkere Beteiligung von Frauen ... und ein anderes Bild des Frauenfussballs. Dies sind nur einige der Dinge, die ich mir wünsche.“ Amy Lasu

„Dank diesem Turnier versuchen neue Länder, bei sich den Frauenfussball aufzubauen. Millionen Mädchen in Saudiarabien verfolgen das Turnier. Durch den Fussball wird man stärker und lernt dazu. Der Fussball bringt Führungskräfte und Vorbilder hervor. Der Fussball ist eine ideale Plattform dafür.“ Lamia Bahaian

3. Pfeiler: Verwaltung und Führung

Der letzte Teil des Tages begann mit einer Fallstudie mit dem Titel „Erfolgsgeschichte: Angel City m Fokus“. Im Gespräch mit Moderatorin Stephanie Rudnick präsentierten Kara Nortman (Mitgründerin von Angel City) und Julie Uhrman (Mitgründerin und Präsidentin von Angel City) die einzigartige Erfolgsgeschichte des in Los Angeles beheimateten NWSL-Klubs.

„Angel City ist eine Bewegung, die eine ganz eigene Struktur hat. Wir wollten in der Gemeinschaft vor Ort etwas bewegen. Wir wollen zeigen, dass die Menschen nicht nur zum Frauenfussball kommen, sondern auch investieren können, und zwar gewinnbringend. Das Vorurteil, dass es für den Frauenfussball an Interesse und Investitionen fehlt, wurde bei dieser WM einmal mehr entkräftet.“ Julie Uhrman

„Der Frauenfussball ist eine Kultur. Die Ränge von Angel City sind ein Abbild von Los Angeles.“ Kara Nortman

Bei der Podiumsdiskussion „Schrittmacher: stärkere Professionalisierung des Frauenfussballs auf und neben dem Platz“ ging es um Möglichkeiten zur Förderung des Klubfussballs. Unter der Leitung von Samantha Johnson, diskutierten Sarah Gregorius (FIFPRO), Carlos Valenzuela (Tigres UANL), Jessica Berman (NWSL) und Ian Wright (ehemaliger englischer Nationalstürmer und FIFA-Legende).

„Da ich ein Produkt systemischer sozialer Normen rund um Gleichberechtigung und Hürden für Frauen bin, habe ich leider zunächst automatisch im Männersport gearbeitet. Als ich ein Angebot im Frauenfussball bekam, lernte ich schnell, dass der Frauenfussball der Sport ist, der soziale Veränderungen anstossen kann, weil wir der Welt zeigen können, dass der Frauenfussball ein Geschäft ist, in dem Investitionen den Menschen eine andere Sicht auf soziale Normen eröffnen können. Ich habe jeden Tag das Gefühl, meinen Traum zu leben, etwas zu bewirken und mein Potenzial zu nutzen.“ Jessica Berman

Das letzte Podium des Tages hatte den Titel „Führungskultur: Diversifizierung als Erfolgsmodell“. Teilnehmer der Diskussion unter der Leitung von Amy Duggan (ehemalige australische Nationalspielerin und TV-Moderatorin) waren Aisha Falode (nigerianischer Fussballverband), Karina LeBlanc (Portland Thorns), Tsuneyasu Miyamoto (Generalsekretär des japanischen Fussballverbands) und Victoria Diaz (Uruguay).

„Führung kennt kein Geschlecht. Eine weibliche Führungskraft darf keine Angst davor haben, ihre Stimme zu nutzen. Wenn man sich nicht sofort äussert, wenn man etwas zu sagen hat, wird man an die Seite gedrängt.“ Aisha Falode

„In der japanischen Frauenliga müssen mindestens 50 % der Klubmitglieder Frauen sein. Zudem müssen im Entscheidungsprozess und im Trainerstab mindestens je eine Frau vertreten sein. Wir hoffen, dass dieses Modell funktioniert und sich noch mehr Frauen am Fussball beteiligen.“ Tsuneyasu Miyamoto

Abgeschlossen wurde der intensive Tag mit einer Rede der ehemaligen US-Generalstaatsanwältin Loretta Lynch zum Thema „Die Bedeutung einer vielfältigen Führungskultur“. Sie sprach dabei u. a. über die Bedeutung der Integration von Frauen in allen Gesellschaftsbereichen sowie ihre persönlichen Rückschläge aufgrund ihres Geschlechts.

„Unternehmen, die Frauen in die Geschäftsleitung aufnehmen, sind erfolgreicher. Alle in diesem Saal müssen ein Umdenken fordern. Ich rufe Sie alle dazu auf, Ihre Stimme zu erheben.“