Dienstag 12 Juli 2016, 00:25

Stunde der Revanche

Portugal hat endlich seinen ersten wichtigen Titel bei einem großen internationalen Turnier gewonnen. Mit dem Sieg gegen Frankreich im Finale der UEFA EURO 2016 haben die Männer von Fernando Santos die Serie der Enttäuschungen beendet, welche die Anhänger der Equipa das Quinas im Verlauf ihrer Geschichte erdulden mussten.

Zwei Mal scheiterte sie im Halbfinale einer FIFA WM, 1966 und 2006, drei Mal erlitt Portugal auf kontinentaler Ebene bittere Niederlagen in der Runde der letzten Vier: 1984, 2000 und 2012. Aber die größte Enttäuschung war das verlorene Endspiel vom 4. Juli 2004 im eigenen Land, als ein ganzes Volk den überraschenden Triumph von Griechenland miterleben musste. Es war eine wahre Tragödie für die goldene Generation um Luis Figo, Pauleta oder Deco, der auch schon der junge Cristiano Ronaldo angehörte.

Zwölf Jahre später haben die Portugiesen dafür gesorgt, dass erneut einem Gastgeber dieses Schicksal zuteilwird. Les Bleus waren in Saint-Denis vor heimischem Publikum zwar die überlegene Mannschaft, doch eine undurchdringliche Defensive und eine Einzelaktion von Éder in der Verlängerung ließen den Traum der Hausherren platzen. Mit diesem Sieg beendeten die Portugiesen zudem eine Negativserie von zehn Niederlagen in Folge gegen die Franzosen, drei davon jeweils im Halbfinale eines großen Turniers.

Aber bei dieser UEFA EURO 2016 konnten mehrere historische Flüche besiegt werden und es schlug mehr als einmal die Stunde der Revanche. FIFA.com fasst die Höhepunkte des Wettbewerbs zusammen.

Der Champion Unabhängig von der historischen Genugtuung hat der Titelgewinn für Portugal einen besonderen Geschmack, weil er aus dem Schmerz geboren wurde. Nach drei Unentschieden in der ersten Runde gegen Island (1:1), Österreich (0:0) und Ungarn (3:3) zogen die eigentlich favorisierten Portugiesen in Gruppe F nur knapp als einer der besten Gruppendritten in die K.o.-Runde ein.

Im Achtelfinale hielten sie die Kroaten mit einer Defensivtaktik in Schach, erst ein später Treffer durch Ricardo Quaresma in der Verlängerung brachte die Befreiung (1:0 n.V.). In der folgenden Runde gegen Polen musste die Entscheidung im Elfmeterschießen fallen, in dem erneut Quaresma sicher den entscheidenden Versuch verwandelte (1:1, 5:3 i.E.).

Die Fans mussten bis zum Halbfinale gegen Wales warten, bevor sie den ersten glatten Sieg in der regulären Spielzeit (2:0) miterleben durften, den Ronaldo und Nani mit einem Doppelschlag nach der Pause sicherstellten. Im Finale sollte CR7 erneut zum Hauptdarsteller avancieren, aber anders als erwartet. Nach einem Schlag durch Dimitri Payet in der Anfangsphase der Partie musste der portugiesische Superstar unter Tränen bereits nach 25 Minuten ausgewechselt werden. Humpelnd und mit bandagiertem Knie feuerte der Kapitän seine Mannschaft von der Seitenlinie aus an, bis Éder mit dem Siegtreffer aus 25 Metern den dramatischen Schlusspunkt setzte.

Am Ende durfte Ronaldo Freudentränen weinen und die begehrte Trophäe in die Höhe recken. "Als er zu mir sagte, dass er nicht weitermachen kann, habe ich zu meinen Teamkameraden gesagt, dass wir nun für ihn gewinnen müssen", erklärte der Verteidiger Pepe, der nach dem Finale als Spieler des Spiels ausgezeichnet wurde.

An diesem 10. Juli besiegte Portugal seinen Fluch, schlug mit diesem Triumph dem Schicksal ein Schnippchen und konnte außerdem beweisen, dass das Team nicht vom dreimaligen Gewinner des FIFA Ballon d’Or abhängig ist. Das Land wird nun erstmals in seiner Geschichte Europa beim FIFA Konföderationen-Pokal 2017 vertreten. Zweifellos wird diese Euphorie der Mannschaft auch in der Qualifikation für Russland 2018, die im September beginnt, Flügel verleihen.

Die Erkenntnisse Für Frankreich war es eine herbe Enttäuschung. Nachdem die EURO 1984 und die WM 1998 auf eigenem Boden gewonnen werden konnten, machte der Gastgeber die schmerzhafte Erfahrung eines verlorenen Finales vor heimischem Publikum. "Das ist eine enorme Enttäuschung. Es ist grausam, ein Finale auf diese Weise zu verlieren, aber man muss das akzeptieren. Ich gratuliere Portugal", sagte Didier Deschamps im Anschluss an die Partie. "Es war ein harter Schlag. Aber nun können wir einer interessanten Zukunft und schöneren Tagen entgegensehen", betonte der Nationalcoach dennoch und verwies auf mehrere positive Aspekte.

Die französische Abwehr konnte trotz der Ausfälle von Raphaël Varane und Mamadou Sakho beweisen, dass sie über zahlreiche Alternativen verfügt, was auch für das Mittelfeld gilt. Zudem stellte die Mannschaft den besten Angriff (13 Tore) des Turniers. Nicht zuletzt dank Antoine Griezmann, der mit zwei Vorlagen und sechs Treffern, zwei davon im Halbfinale gegen Deutschland, zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde.

Der Erfolg gegen den amtierenden Weltmeister war die gelungene Revanche für das verlorene Viertelfinale in Brasilien 2014 und der erste Sieg in einem offiziellen Wettbewerb seit der WM 1958. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet die Männer von Joachim Löw hatten zuvor ebenfalls einen Fluch besiegt und im Viertelfinale gegen Italien den ersten Sieg für die DFB-Elf in einem offiziellen Wettbewerb gegen diesen Gegner geholt.

Die Squadra Azzurra war trotz dieser Niederlage die große Überraschung des Turniers und schaltete auf brillante Weise den Titelverteidiger Spanien aus. In Gruppe G der WM-Qualifikation werden diese beiden Teams im Herbst erneut aufeinandertreffen. Es wird für beide Mannschaften einen Neuanfang markieren.

Belgien wiederum konnte sein Ergebnis in Brasilien nicht verbessern und schied erneut im Viertelfinale gegen Wales aus. Der Einzug der Briten in die Runde der letzten Vier war eine der Sensationen dieser UEFA EURO 2016. Gleiches gilt für den Auftritt von Island, das am Gastgeber scheiterte, nachdem es zuvor im Achtelfinale den großen Favoriten England bezwungen hatte.

Bei den Engländern, die nach einer starken Qualifikation nur mit Mühe die Gruppenphase überstanden und auf peinliche Weise scheiterten, wird nun schonungslos Bilanz gezogen werden müssen. Auch das Team Russlands, das zwei Jahre vor Beginn "seiner" WM mit einer besorgniserregenden Leistung in Gruppe B als Letzter ausschied, wird sich in der Heimat viele Fragen gefallen lassen müssen.

Die Statistik 45 - Cristiano Ronaldo war mit 45 Schussversuchen mit Abstand der aktivste Stürmer des Turniers vor Griezmann und Gareth Bale, die es auf jeweils 26 brachten. Gleichwohl weist der Portugiese mit einer Trefferquote von 7 Prozent den schwächsten Wert dieses Trios auf. Der Franzose kommt auf 23 Prozent und der Waliser auf 12. CR7 mag mit Portugal einen Fluch besiegt haben, doch seinen individuellen wurde er nicht los: Hartnäckig hält sich die Negativserie von 43 erfolglosen Freistoßversuchen bei Europa- und Weltmeisterschaften.

Das Zitat "Ich habe immer gesagt, dass Cristiano Ronaldo sehr wichtig für unsere Mannschaft ist und dass wir auf ihn bauen müssen. Wenn er auf dem Platz geblieben wäre, hätte er zu jedem Zeitpunkt den Unterschied machen können. Als er ausgefallen ist, habe ich mir gesagt, dass wir diese Schwierigkeit überwinden müssen." *Fernando Santos** (Trainer, Portugal)*

Auszeichnungen *Spieler des Turniers*: Antoine Griezmann (Frankreich)

Goldener Schuh: Antoine Griezmann (Frankreich), 6 Tore Silberner Schuh: Cristiano Ronaldo (Portugal), 3 Tore Bronzener Schuh: Olivier Giroud (Frankreich) 3 Tore

Bester Junger Spieler: Renato Sanches

Mannschaft des Turniers:

OFFICIEL: Le XI type de l'#EURO2016! Logique? pic.twitter.com/EPcirU5EFq

— UEFA EURO 2016 (@EURO2016) 11. Juli 2016