Montag 03 April 2017, 11:31

Santos: "Ich kann nicht erklären, wie glücklich ich war"

  • Portugals Coach über den Ausfall Ronaldos im Finale der EURO

  • Portugiesen als Europameister beim Turnier der Champions

  • Gegner in Gruppe A sind Russland, Neuseeland und Mexiko 

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Der wichtigste Tag deiner Sportkarriere steht an. Du hast im Vorfeld alles haarklein analysiert. Alles ist bereit. Das Spiel beginnt – und nach 25 Minuten löst sich die gesamte Planung in Luft auf. In dieser Situation sah sich Fernando Santos im Finale der UEFA EURO 2016.

"Du entwickelst einen Strategieplan für das Finale und zählst dabei auf den besten Spieler der Welt. Und dann stehst du plötzlich ohne den besten Spieler der Welt da." Der portugiesische Nationaltrainer stand unter Hochdruck, und doch fand er eine zufriedenstellende Lösung für das Schlamassel und führte Portugal zum ersten großen Titelgewinn in der Fussballgeschichte des Landes.

Im Vorfeld des FIFA Konföderationen-Pokals spricht FIFA.com mit dem portugiesischen Strategen darüber, wie er es mit seinem Team geschafft hat, den verletzungsbedingten Ausfall von Cristiano Ronaldo im Finale gegen Frankreich wegzustecken und am Ende mit dem Titel nach Hause zu fahren.

"Zunächst einmal war klar, dass wir unsere Strategie ändern mussten, denn wir spielten mit einem 4-2-2-System, bei dem Cristiano und Nani eng zusammenarbeiteten. Als dann Cristiano ausfiel und wir niemanden wie ihn hatten, der diese Position einnehmen konnte, mussten wir auf ein 4-3-3 umstellen, in dem Nani als Dreh- und Angelpunkt fungiert", erklärt der Ingenieur, der diesen Spitznamen aus gutem Grund erhalten hat, im Gespräch mit FIFA.com. Santos hat nämlich ein Studium der Elektrotechnik absolviert und weiß, wie man Verbindungsprobleme behebt, damit der Strom wieder fließen kann.

Mit seinem analytischen Verstand konzentrierte er sich darauf, eine Taktik zu entwickeln, mit der man Frankreich schlagen könnte. Gleichzeitig galt es jedoch, die richtigen Worte an seine Spieler zu richten, um sie mit ins Boot zu holen. "In der Pause habe ich versucht, ihnen die Strategie besser zu erklären. Für mich war in diesem Augenblick klar, dass wir die bessere Mannschaft waren." Die Botschaft an seine Spieler war klar: "Wir durften nie aufhören anzugreifen und auf Sieg zu spielen. Alles andere konnte für uns kontraproduktiv sein."

Schachmatt "Es ist gut gelaufen. Manchmal entwickelst du als Trainer eine Strategie, doch dann tritt das, was du dir vorgestellt hast, nicht ein. Aber dieses Mal hat es sehr gut funktioniert", erklärt er mit dem für ihn typischen halben Lächeln und lässt auch das Quäntchen Glück nicht außer Acht, das jeder Champion benötigt.

Einer seiner Geniestreiche an jenem Tag war die Einwechslung des bis dato relativ unbekannten Eder, der das alles entscheidende Tor erzielen sollte. "Es gab einen Moment, in dem mir alles klar wurde, und zwar Mitte der zweiten Halbzeit, als ich Eder ins Spiel brachte", meint er mit Blick auf die Auswechslung. "Zunächst einmal brauchte ich vorne jemanden, der den Ball halten konnte und dafür sorgen würde, dass mein Team sein Offensivspiel aufziehen konnte. Damit würden wir Frankreich Probleme bereiten."

Dieser Schachzug sollte sich als perfekt erweisen. Die Portugiesen gingen in der 109. Minute in Führung und stellten Frankreich damit in der Tat vor ein enormes Problem.

"Ich kann nicht erklären, wie glücklich ich nach diesem Sieg war, denn danach hatte Portugal bereits seit vielen Jahren gestrebt", meint er. Für den 62-jährigen Trainer hatte der Titelgewinn seinen Ursprung im Teamgeist seiner Mannschaft.

"Es war ein Kollektiv, in dem alle zu einem großen Ganzen verschmolzen waren: Trainer, Spieler und alle Mitarbeiter. Es ist ein sehr starker Teamgeist entstanden. Ich glaube, dass hier zwei Faktoren zusammengekommen sind, die entscheidend für unseren Erfolg waren: die Qualität der Spieler und unsere kollektiven und taktischen Fähigkeiten", betont er.

"Als die Spieler in Frankreich ankamen, wussten sie, dass sie für das Erreichen unseres Ziels kämpfen konnten, und unser Ziel war der Sieg", fährt er fort. Mit derselben Einstellung tritt man nun zum FIFA Konföderationen-Pokal in Russland an. "Bei diesem Turnier kommen die Meister der einzelnen Kontinente zusammen. Deshalb kommt ihm große Bedeutung zu", so der ehemalige Nationaltrainer Griechenlands, der sich mit großen Turnieren bestens auskennt. Schließlich war er bei den letzten drei Großereignissen dabei.

Die Seleçao das Quinas strebt nun nach weiteren Erfolgen, denn das Team hat eines begriffen: Der Chefingenieur kann die Maschine am Laufen halten, selbst wenn das wichtigste Rädchen im Getriebe ausfällt.