Sonntag 15 Dezember 2019, 12:15

So funktioniert Liverpool

  • Drei taktische Erkenntnisse zum aktuellen Teams von Liverpool FC

  • Intensität und schnelle Außenverteidiger sind das Erfolgsrezept

  • Xavi verrät uns seinen Standpunkt zu dem von Jürgen Klopp aufgebauten Team

Liverpool wusste in den letzten Monaten mit fantastischem Fussball zu begeistern. Spielfluss und Stabilität verschmelzen zu einem reißenden roten Strom, der schwer aufzuhalten ist und die gegnerischen Stürmer und Verteidiger gleichermaßen zur Verzweiflung bringt.

Fans und Experten singen bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein Loblied auf das Team, das die englische Premier League in dieser Saison fest im Griff hat. Doch was steckt dahinter?

Wenn Sie es bisher versäumt haben, die jüngste Verkörperung von Klopps Team näher unter die Lupe zu nehmen, stellen wir Ihnen hier drei Aspekte vor, die im taktischen System des Siegers der UEFA Champions League eine entscheidende Rolle spielen.

1. Weltklasse-Außenverteidiger

Trent Alexander-Arnold und Andy Robertson sind gerade einmal 21 und 25 Jahre alt und doch waren sie in den letzten anderthalb Spielzeiten die treibende Kraft der Liverpooler Offensive. Mit Schnelligkeit, Selbstvertrauen und gekonnter Ballverteilung sorgen sie dafür, dass die Spitze zuverlässig mit Bällen versorgt wird und die Angriffe schwer ausrechenbar sind.

Vor allem aber stimmen sie sich hervorragend mit den inversen Flügelspielern Sadio Mané (linke Flanke, Rechtsfuß) und Mohamed Salah (rechte Flanke, Linksfuß) ab. Das Defensivduo zieht die Gegner auf die Flügel, reißt dadurch Lücken in den Angriffskanälen auf und beliefert die afrikanischen Tormaschinen nicht nur mit Bällen, sondern gibt ihnen auch Zeit und Raum.

2. Firminos Selbstlosigkeit

Während die Außenverteidiger dem Spiel der Reds eine ungeheure Dynamik verleihen, ist Roberto Firminos Beitrag subtiler, aber ebenso hervorragend. Der Brasilianer wusste oftmals mit seiner großartigen Lässigkeit zu glänzen, doch am stärksten ist seine Wirkung wohl durch seine intelligente Bewegung im Raum.

Bei Hoffenheim noch als offensiver Mittelfeldspieler eingesetzt, hat er sich zu einem präzisen Torschützen entwickelt, und die Position der "falschen Neun" ist ihm wie auf den Leib geschnitten. Wenn er sich zurückfallen lässt, öffnet er auch Wege, die seine Angriffskollegen nutzen können, um die gegnerischen Innenverteidiger aufzumischen. Ebenso überzeugend ist er jedoch, wenn er die Defensive unter Druck setzt und aus dem Mittelfeld vorstoßende Teamkameraden mit dem Rücken zum Tor bedient. Nach Ballverlusten wird er rasch zur ersten Verteidigungslinie.

3. Überragendes Umschaltspiel

Die Topteams dieser Welt sind allesamt technisch versiert und gut organisiert. Daher kommt es oftmals darauf an, Schwächen des Gegners innerhalb von Sekundenbruchteilen auszunutzen. Planvolle Zermürbung ist da häufig weniger effektiv. Wenn man Spitzentrainer fragt, worauf es in der Vorbereitung ankommt, wenn man siegreich sein will, steht ein effektives Umschaltspiel immer relativ weit oben auf der Liste. Dabei geht es um den Moment, in dem der Ballbesitz verloren geht oder der Ball zurückerobert wird.

Klopps legendäres Gegenpressing bei Borussia Dortmund (bei dem sein Team nach Ballverlusten schnell Druck auf den Gegner ausübte, um den Ball zurückzuerobern) wurde bei Liverpool weiterentwickelt. Das Team kann nach Balleroberungen ungeheuer effektiv sein und seine Chancen konsequent nutzen. Mané und Trent Alexander-Arnold erklärten nicht ohne Grund, dass ihr Team ihrer Ansicht nach aufgrund des Pressings, Gegenpressings und dessen Intensität Weltklasse sei.

Untermauert wird das Ganze von einem gut besetzten und ungeheuer dynamischen Mittelfeld, das ausgesprochen beweglich ist und mit intelligentem Passspiel überzeugt. Außerdem sind eine strikte Organisation, Disziplin und viele Optionen auf den Außenbahnen gegeben, über die sich das Spiel schnell in die Breite ziehen lässt. Gegen dieses Team kann das Vertändeln eines Balls dazu führen, dass die Stimmung in Sekundenschnelle von Frust in Verzweiflung umschlägt.

Stimmen von Experten

Xavi (ehemaliger Star des FC Barcelona und aktueller Trainer von Al-Sadd)

"Als Klopp das Amt übernahm habe ich mir als Liverpool-Fan Sorgen darüber gemacht, ob er das 4-3-3 mit stetigem Pressing weiterentwickeln, anpassen, verändern würde. Würden seine Teams irgendwann nicht mehr von vorne bis hinten Basketball spielen? Würde er die Abwehr in den Griff kriegen? Ich hätte nicht gedacht, dass ihm das gelingen würde. [Der Erfolg des Teams] ist auf die Änderungen zurückzuführen, die Klopp umgesetzt hat, und das ist sein größter Verdienst als Trainer."

Jamie Carragher (ehemaliger Verteidiger, Liverpool FC)

"Liverpool macht keine halben Sachen, wenn es darum geht, gegnerische Teams auseinanderzuziehen. Mit ihren Außenverteidigern Robertson und Alexander-Arnold ziehen Sie das Spiel enorm in die Breite. Sie machen das sehr, sehr gut. Sie machen einen fantastischen Eindruck auf mich."

Alan Shearer (Führender der ewigen Torjägerliste der Premier League)

"Ich glaube, ein Verlust dieser beiden Außenverteidiger würde Liverpool ebenso hart treffen wie der Verlust der beiden wichtigsten Stürmer [Mané und Salah]. Sie sind fabelhaft. Ein Ausfall dieser beiden würde die Offensive des Teams enorm schwächen."

Graeme Souness (zweimaliger Europapokalsieger mit Liverpool)