Montag 03 Juni 2019, 12:44

Wenn eine Meisterschaft durch Menschlichkeit entschieden wird

  • Ein Teil der U-15-Mannschaft des VfB Peine verunglückte Anfang Mai schwer auf der Autobahn

  • Der ärgste Verfolger von Tabellenführer Peine sorgte dafür, dass die Konkurrenten Peine in den ausstehenden Spielen die Punkte überließen

  • Dankbarkeit für diese Fairplay-Aktion

Gut 100 Kilometer, fast ausschließlich über die Autobahn, liegen zwischen den niedersächsischen Städten Göttingen und Peine, nahe Hannover. Am 11. Mai stand für die U-15-Fussballer des VfB Peine ein Auswärtsspiel bei der JSG Sparta-Weende Göttingen an. Tabellenführer Peine legte beim Vorletzten aus Göttingen einen ungefährdeten 12:0-Erfolg hin und machte sich dann auf mehrere Pkw und einen Kleinbus verteilt auf die gut einstündige Heimreise.

Doch auf der Rückfahrt kommt es zu einem schrecklichen Unfall: Ein mit 14- und 15-jährigen Spielern voll besetzter Kleinbus kommt von der Fahrbahn ab und überschlägt sich. Der Bus ist völlig zerstört, Fahrer und mehrere Jugendliche erleiden schwere Verletzungen, einige von ihnen schweben sogar in Lebensgefahr. Glücklicherweise überleben alle Beteiligten dieses schwere Unglück.

"Nachdem ich das Bild vom zerstörten Mannschaftsbus gesehen habe, muss ich sagen: Die Jungs haben extrem viel Glück im Unglück gehabt", sagte der VfB-Vorsitzende Peter Konrad. Dennoch war schnell klar, dass für viele der Peiner Fussballer an Sport erst einmal nicht zu denken war.

Die körperlichen Verletzungen der jungen Fussballer sind das eine – doch auch die psychologische Belastung nach solch einem traumatischen Erlebnis dürfte sehr hoch sein. Das große Saisonziel, Meisterschaft und der eventuell damit verbundene Aufstieg, waren nur noch Nebensache, in weite Ferne gerückt.

Frank Mengersen, U-15-Trainer des härtesten Meisterschaftsrivalen BSC Acosta Braunschweig, zu diesem Zeitpunkt nur drei Punkte hinter Peine, schlug kurz nach dem Unfall in einer Email an den Verband und die noch ausstehenden Gegner Peines vor, angesichts des Unfalls nicht mehr gegen den VfB anzutreten und Peine so die Punkte und auch die Meisterschaft zu überlassen.

Eine einzigartige Fairplay-Geste, die umso höher zu bewerten ist, als dass es sich bei der Landesliga Braunschweig um die zweithöchste Ligastufe im deutschen U-15-System handelt und es um einen Platz in der Aufstiegsrelegation zur Regionalliga Nord geht, in der dann der U-15-Nachwuchs von Bundesligisten wie Werder Bremen, Hannover 96, Hamburger SV oder VfL Wolfsburg wartet.

"Das ist grandios, das haben wir alle nicht erwartet, dass es so etwas in der heutigen Zeit noch gibt", sagte Peines Trainer Christoph Hasselbach gegenüber dem NDR. "Die Jungs hatten einen Traum, die Teilnahme an dieser Relegation, denn so eine Chance gibt es im Fussballerleben nicht so oft."

"Es wurde nichts geschenkt. Es ist ein Akt des Mitgefühls und der Solidarität", erläutert Initiator Mengersen. "Wir sagten: 'Ihr könnt wahrscheinlich nicht weiterspielen, dann wollen wir auch nicht weiterspielen.'"

"Wir können unsere Gefühle, die wir zu diesem Zeitpunkt hatten, nur schwer in Worte fassen. Wahrscheinlich irgendetwas zwischen 'schlechtem Gewissen' und totaler Rührung", hieß es in einer Stellungnahme des VfB Peine. "Diese uneingeschränkte Solidarität im Sport hat uns in dieser Zeit überwältigt und unglaublich Stolz gemacht auf das, was wir zwischenmenschlich im Fußball haben! Uns hat diese ganze Situation gezeigt, dass es im Sport mehr als nur Rivalität gibt - das sollten wir auch weiter in die Welt tragen! Danke, dass unsere Ligakonkurrenten Vorreiter für diese Botschaft sind!"