Montag 29 Oktober 2018, 23:13

Osorio: "Linksfüße, traditionelle Spielweise und ein Plan B"

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  • Der neue Trainer der Albirroja sprach im Exklusiv-Interview mit FIFA.com

  • Themen waren unter anderem seine Gründe für die Amtsübernahme und seine Ziele mit dem Team

  • Botschaft für die Mexikaner

Juan Carlos Osorio denkt gar nicht daran, die Hände in den Schoß zu legen. Nach seiner erfolgreichen Zeit bei der mexikanischen Nationalmannschaft, mit der er ins Achtelfinale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ einzog, steht der kolumbianische Trainer vor seiner zweiten Erfahrung am Ruder Paraguays, das sich seit Südafrika 2010 nicht mehr für eine WM qualifizieren konnte.

In einem seiner ersten Exklusiv-Interviews nach der Amtsübernahme Anfang September unterhielt sich der 57-Jährige mit FIFA.com. Gesprächsthemen waren seine Gründe für die Annahme des Angebots aus Paraguay, seine Arbeitsmethoden sowie seine Erwartungen an die Spieler.

Darüber hinaus hatte er nach seinem Abgang bei El Tri eine Botschaft für die mexikanische Fangemeinde: "Ich möchte mich bei allen bedanken, insbesondere bei den Funktionären und Spielern, die uns vertraut, an uns geglaubt und unsere Arbeitsweise respektiert haben. Das war eine unvergleichliche Erfahrung, die mich beruflich bereichert hat."

Juan Carlos, wie gehen Sie diese neue Etappe auf persönlicher Ebene an?

Nachdem wir uns für die WM qualifiziert hatten, habe ich darüber nachgedacht, ob ich nicht wieder Vereinstrainer werden sollte, weil ich so viel Spaß an der täglichen Arbeit habe. Doch in Russland wurde mir bewusst, dass es eine fantastische Erfahrung ist, auf diesem Niveau anzutreten. Daher habe versucht, eine Nationalmannschaft zu finden, bei der die Chance auf eine WM-Teilnahme, gleichzeitig aber auch die Aussicht auf einen Arbeitsalltag besteht.

Und bei Paraguay bietet sich diese Möglichkeit?

In Südamerika werden Mikro-Arbeitszyklen geschätzt, bei denen man von Montag bis Donnerstag mit den Spielern trainiert. Anschließend kehren sie dann zu ihren Klubs zurück, um die Spiele am Wochenende zu bestreiten. In Paraguay wird das so gehandhabt. In Asunción gibt es zehn Profiklubs. Wir werden daher mit einer Gruppe von Spielern arbeiten, die sich mit unserer Methodik vertraut machen können. Gleichzeitig werden wir versuchen, ihnen nicht nur durch die Trainingseinheiten zur Verbesserung zu verhelfen, sondern auch durch den Wettstreit mit den Besten im Lande.

Welche anderen Aspekte des paraguayischen Fussballs haben Sie überzeugt?

Es gibt einige spielerische Aspekte, die sehr gut passen, beispielsweise einen Kader mit vielen Linksfüßen. Für uns ist das sehr wichtig, insbesondere auf den entsprechenden Positionen im Mittelfeld und in der Abwehr. Es gibt zwei oder drei Spieler mit diesem Profil, die als Innenverteidiger oder linke Verteidiger eingesetzt werden können. Gleiches gilt für das Mittelfeld und den Angriff auf Schlüsselpositionen wie der Außenbahn. Außerdem haben wir die Kopfballstärke der Paraguayer berücksichtigt, eine Tugend, die immer wichtiger wird. Das zeigt die Anzahl der Tore, die bei den letzten Weltmeisterschaften nach Standardsituationen erzielt wurden.

In einer der ersten Pressekonferenzen haben sie davon gesprochen, den Fans die Nationalmannschaft näherzubringen. Im Anschluss haben Sie dann die Trainingseinheiten öffentlich gestaltet. Was versprechen Sie sich davon?

Es ist unsere Pflicht, eine größere Nähe zwischen der Nationalmannschaft und den Fans herzustellen. Wenn die Paraguayer das Gefühl haben, dass die Mannschaft zugänglich ist, dann wird das allen zugutekommen. Der Fussball ist ein Mannschaftssport und ein Sport der Meinungen. Das ist so, war schon immer so und wird auch so bleiben. Es ist daher unsere Pflicht, für all diese Meinungen offen zu sein, sie zu analysieren und darüber zu diskutieren.

Anlässlich der eben genannten Pressekonferenz haben Sie gesagt, dass auch alle Klubs in diesen Prozess eingebunden sind.

Ja, wir möchten kein Team, das sich nur auf einen Klub oder eine Stadt beschränkt. Alle müssen daran glauben, dass sie die Chance haben, Spieler für die Nationalmannschaft bereitzustellen. Und es ist wichtig, dass sie wissen, was wir tun, denn manchmal werden Spieler nicht freigegeben, weil man bei den Klubs davon ausgeht, dass die Arbeit mit der Nationalmannschaft in den Länderspielpausen nur eine Zusatzbelastung darstellt. Sie sollen wissen, dass wir uns auf die Fahnen geschrieben haben, die Fähigkeit der Spieler zu entwickeln, auf dem Platz bessere und schnellere Entscheidungen zu treffen. Davon profitieren letztendlich auch die Klubs.

Welches Ziel verfolgen Sie mit Paraguay bei der Copa América 2019?

Wir wollen so weit wie möglich kommen, denn wir werden dort gegen einige der besten Mannschaften wie Argentinien, Brasilien, Uruguay, Kolumbien und Chile antreten. Das ist eine Riesenherausforderung und eine hervorragende Gelegenheit, uns gegen hochklassige Gegner auszuprobieren.

Danach steht die WM-Qualifikation auf dem Programm. Welche Probleme sehen Sie in der Vorbereitung für die Vorrunde von Katar 2022?

Die Schwierigkeit, andere internationale Gegner zu finden. Wir würden gern gegen die europäischen Teams antreten, die bei der WM unter den besten Acht waren, beispielsweise gegen Kroatien oder die Schweiz, aber mit der neuen Nations League dürfte das schwierig werden. Unser Ziel ist es, uns mit der Konkurrenz vertraut zu machen, die uns bei der WM erwartet, denn da wollen wir hin.

Sie haben bereits Mexiko trainiert und auch Erfahrungen in Südamerika gesammelt. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen der CONMEBOL- und der CONCACAF-Qualifikation?

Die Konkurrenz ist in der Südamerika-Qualifikation sehr hochklassig, was auf die große Anzahl der Spieler zurückzuführen ist, die in den wichtigsten europäischen Wettbewerben antreten. Meiner Ansicht nach werden die Teams im Vorteil sein, die die größte Anzahl von Spielern in den Spitzenklubs der vier oder fünf besten Ligen haben.

Glauben Sie, dass mit den Spielern, die Ihnen in Paraguay zur Verfügung stehen, ein Rotationssystem wie bei Mexiko möglich sein wird?

Es wird immer Chancen für unterschiedliche Spieler und Strukturen geben, ohne dabei die Ziele, die wir zu erreichen hoffen und auf die wir im Training hinarbeiten, aus den Augen zu verlieren. Das wird man hoffentlich sehen, wenn wir gegen unterschiedliche Gegner antreten. Für mich ist jedes Spiel und jeder Gegner mit unterschiedlichen Herausforderungen und Spielweisen verbunden.

Was für ein Team möchten Sie den Menschen in Paraguay am liebsten präsentieren?

Ein Team, das an der Spielweise festhält, für die Paraguay bereits seit vielen Jahren bekannt ist und die traditionell gute Ergebnisse gebracht hat – mit durchschlagskräftigen und charakterstarken Spielern. Außerdem sollte die Mannschaft einen Plan B haben, wenn der Spielverlauf es erlaubt. Die Leute sollten wissen, dass der Ballbesitzfussball eine Option ist, die auch Paraguay offen steht.