Sonntag 17 Juni 2018, 18:08

Mexiko und das Erfolgsrezept gegen den Weltmeister

  • Mexikos hatte zuvor nie bei der WM gegen Deutschland gewonnen

  • El Tri hat fünf der letzten sechs WM-Auftaktspiele gewonnen

  • Hirving Lozano mit Torerfolg bei seinem WM-Debüt

Von Martín Langer, Teamreporter Mexiko

Damit hatte wohl kaum jemand gerechnet. Wenn im Vorfeld jemand gesagt hätte, dass Mexiko die Deutschen besiegen würde, dann es hätte wohl kaum jemand geglaubt – außer Juan Carlos Osorio und einige seiner Spieler. Monatelang hatte der mexikanische Nationaltrainer an einem Plan gearbeitet, um den Weltmeister zu besiegen, und heute führte ihn sein Team im Luschniki-Stadion perfekt aus.

Wir erläutern die fundamentalen Aspekte seiner Taktik für diesen historischen Fussballabend für Mexiko in Moskau.

Konstanter Druck

"Wir kannten die Spielweise der Deutschen und wussten, dass der Erfolg ihres Systems von Toni Kroos abhängig ist. Daher war es unsere oberste Priorität, ihn zu neutralisieren", erklärt Javier Hernández. "Aber wir haben uns nicht nur auf ihn konzentriert. Ich sollte [Mats] Hummels so viel wie möglich stören. Das ist der ballgewandteste Verteidiger. Der Plan war, ihren Spielfluss zu unterbrechen."

Obwohl Deutschland über weite Teile des Spiels mehr Ballbesitz hatte, vor allem in der zweiten Halbzeit, sorgte der konstante Druck der Mexikaner dafür, dass der Weltmeister sich nie wirklich wohl fühlte. Ein Beleg dafür sind die 38 Balleroberungen von El Tri im Vergleich zu 31 auf Seiten des DFB-Teams.

Schnelle Konter

"Wir wussten, dass der Trainer monatelang an einer Strategie gearbeitet hatte, aber uns hat er sie erst kürzlich verraten. Es ging darum, Druck zu machen, aber auch im Spielaufbau so schnell wie möglich zu agieren, um die Schnelligkeit unserer Vorderleute zu nutzen." So erklärt Héctor Herrera, der selbst eine herausragende Leistung bot, die Spielidee.

Er war es nämlich, der den Spielzug einleitete, der zu Mexikos Tor führte. Mit einem großartigen Pass setzte er Chicharito in Szene, der seinerseits Hirving Lozano bediente. Der Stürmer von PSV Eindhoven brachte die Kugel dann im Netz unter. Und das war nicht die einzige Gefahrensituation, die El Tri herausspielen konnte. Die Mexikaner nutzten die Räume, die sich im deutschen Mittelfeld auftaten, ein ums andere Mal aus und kamen gefährlich vor das Tor von Manuel Neuer.

Selbstvertrauen und Zusammenhalt

"Dieser Sieg ist allen Spielern zuzuschreiben, insbesondere aber El Profe Osorio", erklärt Mittelfeldspieler Edson Álvarez, der im Spielverlauf eingewechselt wurde. "Wir wussten, dass er die Partie ausgiebig vorbereitet hatte und haben unser Schicksal in seine Hand gelegt. Er hat uns ebenfalls vertraut. Ich persönlich bin ihm ungeheuer dankbar, dass er mir mit gerade einmal 20 Jahren die Chance gibt, eine WM zu spielen."

Mit dieser Meinung steht er nicht allein da. Alle Spieler der mexikanischen Nationalmannschaft sprechen von der unglaublich guten Stimmung innerhalb der Mannschaft und von dem großen Vertrauen in Osorios Vorstellungen und Pläne. Chicharito bezeichnet seinen Trainer als "Genie". Das Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit. Nach dem Abpfiff erklärte der Kolumbianer: "Das Lob gebührt den Spielern. Die Routiniers haben die jüngeren angesteckt, und alle haben hervorragend mitgehalten. Wir sind mutig aufgetreten. Wir sind mit der Lust zu gewinnen angetreten, nicht mit der Angst zu verlieren.

Stetiger Lernprozess

Vor einem Jahr musste sich Mexiko beim FIFA Konföderationen-Pokal noch mit 1:4 gegen Deutschland geschlagen geben. Laut Héctor Herrera war dieses Ergebnis fundamental für den heutigen Triumph. "Natürlich haben wir etwas aus den Ereignissen an diesem Tag gelernt. Wir haben begriffen, dass wir ihnen nicht so viel Raum lassen dürfen und kontinuierlich Druck machen müssen. Dieses Spiel war fundamental.

Unter dem Gesichtspunkt des stetigen Lernens wollte Hernández sich auch nicht übermäßig über das Ergebnis freuen. "Was würde es nützen, wenn wir heute gewonnen haben und danach gegen Schweden und Südkorea verlieren? Natürlich haben wir in der Kabine gefeiert, aber nicht zu ausgelassen. Dies ist der erste Schritt auf einem langen Weg."

Bedächtige Worte, die jedoch in starkem Kontrast zu den ausgelassenen Feiern der Mexiko-Fans während und nach der Partie stehen. Es stimmt schon, dass bei der WM 2018 noch ein weiter Weg zurückzulegen ist. Doch dieser 17. Juni hat bereits einen festen Platz in den Geschichtsbüchern des mexikanischen Fussballs.