Felipe Caicedo und das Nationalteam Ecuadors sind derzeit in aller Munde. Sie sind die Sensation der südamerikanischen Vorausscheidung zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™. Der Stürmer, weil er in bisher vier Partien ebenso viele Treffer erzielt hat und damit die Torschützenliste anführt. Ecuador, weil es entgegen allen Prognosen mit vier Siegen in Folge als einziges Team mit weißer Weste einsam an der Spitze der Tabelle rangiert.
Der kraftvolle 28-jährige Stürmer, der in sechs verschiedenen Ländern Erfahrung gesammelt hat, kehrte in die spanische Liga zu Espanyol Barcelona zurück. In dieser anspruchsvollen Meisterschaft will er das Beste aus seinem Talent herausholen. Im Exklusiv-Interview mit FIFA.com analysiert er den jüngsten Höhenflug der Tricolor und gesteht mit entwaffnender Offenheit: "Nicht einmal wir selbst hätten das erwartet."
Herr Caicedo, Ecuador ist momentan in beeindruckender Form. Wie lässt sich das erklären? Ehrlich gesagt hätten wir nicht erwartet, dass es so perfekt laufen würde. Es ist eine sehr schwere und ausgeglichene Qualifikation. Vier Spiele in Folge zu gewinnen, hatten wir definitiv nicht auf dem Zettel. Traditionell ist Ecuador eine sehr heimstarke Mannschaft. Das hatten wir uns auch dieses Mal als Ziel gesetzt, aber es ist noch sehr viel besser gelaufen. Wir sind sehr zufrieden und hoffen, dass wir so weitermachen können.
Was hat sich im Vergleich zu anderen Jahren verändert, dass nun diese Auswärtssiege möglich waren? Es liegt im mentalen Bereich. Der neue Nationaltrainer Gustavo Quinteros kam mit neuen Ideen und klaren Vorgaben, er hat dem Team eine offensivere Ausrichtung verpasst. Er versucht dabei, sich an die Eigenschaften der Spieler, über die Ecuador verfügt, anzupassen. Das führt dazu, dass wir uns wohler fühlen. Unabhängig davon, ob wir das Heim- oder Auswärtsteam sind, besteht sein Ansatz immer darin, die Initiative zu ergreifen. Das hat uns in diese privilegierte Lage gebracht. Natürlich liegt es auch am Team selbst. Wir spielen schon lange zusammen, haben eine WM und die Qualifikation für Südafrika 2010 zusammen bestritten. Es hilft, dass wir uns kennen, als ob wir eine Familie wären.
In welchem Moment haben Sie gespürt, dass Ecuador in dieser Vorausscheidung etwas Bedeutendes gelingen könnte? Zweifellos beim Sieg gegen Argentinien. Das war unglaublich, ein historisches Ereignis. Wir haben als Gäste noch nie gegen sie gewonnen. Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was für eine Erfahrung das vor, während und nach dem Spiel für uns war. Es ist das beste Spiel, das ich mit der Nationalmannschaft erleben durfte.
Wie haben die Fans diesen Sieg aufgenommen? Sie waren natürlich begeistert - aber sie haben schließlich ebenfalls großen Anteil an diesem Triumph! Die Menschen haben uns von der ersten Sekunde an unterstützt, indem sie nach Argentinien gereist sind. Fast ein Drittel der Zuschauer war aus Ecuador! Dank dieser Unterstützung konnten wir gegen eines der besten Teams der Welt für einen Paukenschlag sorgen. Es hat uns großen Schwung verliehen, so in die Qualifikation zu starten.
Wird es möglich sein, diese Siegesserie beizubehalten? Träumen Sie von einer Qualifikation ohne Niederlage? Uns stehen zwei schwere Partien bevor, zu Hause gegen Paraguay und anschließend in Barranquilla gegen Kolumbien. Wir müssen realistisch bleiben. Wir denken vor allem daran, unsere Heimstärke auszuspielen. Wir haben uns zweimal für eine WM qualifiziert, indem wir zu Hause immer gewonnen und auswärts den einen oder anderen Punkt geholt haben. Was wir bisher erreicht haben, wird uns dabei helfen, doch ausschlaggebend sind die Heimspiele.
Zumal eine weitere historische Leistung nötig sein wird, um Kolumbien im eigenen Stadion zu schlagen... Kolumbien ist ein sehr schwerer Gegner mit unheimlich starken Spielern. Sie haben eine tolle WM gespielt und wir wissen, dass es eine enorme Herausforderung ist, bei ihnen zu Hause gegen sie zu bestehen. Dennoch werden wir auf Sieg spielen, wie wir das die gesamte Qualifikation über versucht haben. Ich hoffe, es gelingt uns. Wir dürfen aber auch Paraguay nicht unterschätzen, unseren ersten Gegner an diesem Termin. Ein Heimsieg würde uns den nötigen Schwung für die zweite Begegnung als Gäste geben.
Sie selbst haben vier Tore in vier Spielen erzielt und führen die Torschützenliste an. Wie erklären Sie sich die herausragende Form mit Ecuador? Dafür sind verschiedene Faktoren verantwortlich. Zunächst einmal hat die Mannschaft ihren Beitrag dazu geleistet. Wir sind reifer und erfahrener geworden, kennen uns sehr gut. Es ist eine große Hilfe, dass meine Teamkameraden meine Bewegungen und Aktionen antizipieren. Ich versuche, dem zu entsprechen, indem ich meine Gelegenheiten nutze. Ich spüre, dass jetzt Ecuadors Stunde gekommen ist, und das betrifft auch mich selbst. Ich habe in allen Spielen getroffen und hoffe, so weitermachen zu können. Ich werde weiter die Ruhe bewahren und auf dem Platz konzentriert bleiben.
Es muss sehr wichtig für Sie sein, wieder Vertrauen zu fassen, nachdem Sie in Brasilien 2014 nicht getroffen haben. Sie haben noch eine Rechnung offen. Ja, natürlich. Doch das gilt nicht nur für mich, es ist mehreren Spielern so ergangen. Wir fuhren mit großen Erwartungen nach Brasilien, konnten aber nicht die entsprechenden Ergebnisse erzielen. In meinem Fall war es so, dass ich aus keiner sehr starken Liga kam [Anm. d. Red.: Caicedo spielte für Al Jazira in den VAE), deshalb war ich in Brasilien nicht in bester Verfassung. Das soll auf keinen Fall eine Ausrede sein! Aber diese Rechnung ist noch offen. Es war sehr hart, sich nicht für das Achtelfinale zu qualifizieren, denn das war Ecuador schon einmal gelungen. Ich werde in Russland 2018 für Wiedergutmachung sorgen müssen.
Sie haben in Russland für Lokomotive Moskau gespielt. Würde es Sie freuen, mit ihrer Nationalmannschaft wieder in dieses Land zurückzukehren? Das wäre fantastisch, denn Russland ist ein sehr fussballbegeistertes Land. Die Menschen sind sehr leidenschaftlich und die Stadien sind immer voll. Es wird eine sehr schöne WM werden. Wenn wir uns qualifizieren sollten, wäre das für mich sehr bewegend. An diesem Ort habe ich gute Freunde. Hoffentlich gelingt uns das.