Samstag 23 Juni 2018, 06:35

Auf "Shaq Attack" ist Verlass

  • Shaqiri schießt Schweiz zum ersten WM-Sieg

  • Vier Punkte aus zwei Spielen - Achtelfinale vor Augen

  • "Shaq Attack": 26 Jahre, dritte Weltmeisterschaft

Von Alan Schweingruber, Teamreporter Schweiz


Die 90. Minute im Kaliningrad Stadium am Freitagabend war gerade angebrochen, als die Schweizer Abwehr einen Angriff der Serben am eigenen Strafraum abfing. Ein kurzer Pass, ein kurzes Kopfheben und dann schickte der eingewechselte Mario Gavranovic seinen Teamkollegen Xherdan Shaqiri auf die Reise. Mit einem Spurt, als hätte er noch kein gesamtes Spiel hinter sich, lief er Gegenspieler Dusko Tosic davon und erzielte flach den 2:1-Siegtreffer. Es ist der erste Schweizer Sieg in Russland 2018. Jetzt steht die Tür zum Achtelfinale weit offen.

"Mir ist ein gutes Spiel gelungen. Sie hatten etwas Mühe mit meiner Spielweise", zeigte sich Shaqiri im Anschluss an die Partie zufrieden. "Ich bin ja nicht gerade der Langsamste. Das Zuspiel war aber auch schön. Dem gelingen sonst nie solche Pässe …"

Den letzten Satz hatte Shaqiri natürlich nicht ganz ernst gemeint. Er war einfach nur glücklich über den Sieg, über sein Tor, über den wunderbaren Abend, an dem die Schweiz so viel Moral gezeigt hatte. "Wie wir zurück ins Spiel gefunden haben nach dem Rückstand, sagt schon sehr viel über diese Mannschaft aus. Eine solche WM-Partie noch zu drehen – das wäre uns vor ein paar Jahren nicht gelungen." Wie schon gegen Rekordweltmeister Brasilien egalisierte das Team von Trainer Vladimir Petkovic einen 0:1-Rückstand.

Der wirblige Offensivmann erzielte nicht nur das wichtige Siegtor, sondern war über die gesamte Spieldauer der Mann, von dem stets Gefahr ausging, den die Serben nie in den Griff bekamen. Für ihn ist es mit 26 Jahren bereits seine dritte WM. Die letzte in Brasilien hatte er geprägt, etwa mit dem Hattrick gegen Honduras.

Überhaupt ist seine ganze Geschichte bemerkenswert. Shaqiri ist im Kosovo geboren, ehe seine Familie in die Schweiz emigrierte - damals war er vier Jahre alt. In Basel wuchs er in armen Verhältnissen auf, in einem alten Haus ohne Heizung. Einmal wollte er mit seinen beiden Brüdern an einem Juniorenturnier in Spanien teilnehmen. Aber die Reise war für seine Familie zu teuer. Da ging Shaqiri bei Leuten aus der Nachbarschaft über Wochen den Rasen mähen und finanzierte so die Reise nach Spanien. "Zu dem Zeitpunkt war ich sechzehn und spielte bei den Junioren des FC Basel. Zwei Jahre später fuhr ich als Teil des Schweizer Kaders nach Südafrika an die WM. Das war schon etwas verrückt, wie schnell das alles ging."

In Russland ist der Weg noch längst nicht vorbei - vor allem wenn es nach Shaqiri geht: "Jetzt wollen wird Mittwoch erstmal Costa Rica schlagen." Und dann könnte im Achtelfinale ein Duell gegen Titelverteidiger Deutschland warten...