Montag 18 Juni 2018, 06:23

Akanji: "Ein toller Abend"

  • 'Eidgenossen' trotzen Brasilien Punkt ab

  • Akanji schwingt sich zum neuen Abwehrchef auf

  • "Ich habe keinen Plan im Kopf"

Von Alan Schweingruber, Teamreporter Schweiz

Seine Teamkollegen waren schon längst zurück im Hotel. Es gab noch ein spätes Abendessen von Chefkoch Emil Bolli, und das sollte man eigentlich nicht verpassen. Aber bei Manuel Akanji gings nach dem 1:1 gegen Brasilien ein bisschen länger, er musste noch zur Antidopingkontrolle, und als er damit durch war, kam auch schon die Putzkolonne um die Böden der Umkleidekabine zu wischen.

Manche Spieler hätten da vielleicht die gute Laune verloren. Aber Akanji kam nun angeschlendert, mit einem Lächeln im Gesicht, dass einem morgens um halb eins nochmals bewusst werden ließ, was da gerade geschehen war an diesem warmen Sommerabend in Rostow: Die Schweiz hatte den fünffachen Weltmeister und Titelfavoriten vor einem Millionenpublikum in Bedrängnis gebracht und ihm einen Punkt abgetrotzt. Was für ein WM-Auftakt.

Was für eine Leistung des 22-Jährigen auch, der – es hat sich abgezeichnet – zum neuen Abwehrchef avanciert ist im Schweizer Nationalteam. Das Spiel gegen Brasilien war sein erst siebtes Länderspiel. Und er hat es mit einer Souveränität und Ruhe gemeistert, wie das sonst erfahrene Abwehrspieler im Format eines Ramos oder Boateng tun. Akanji geht gezielt in die Zweikämpfe, konzentriert und sauber. Er lässt von heiklen Tacklings ab und macht selten einen Schritt in die falsche Richtung. Das wirkt dann, wenn er sich durch die Abwehrzone bewegt, alles so geschmeidig und einfach. Gegen Brasilien war er oft letzter Mann. Das Team vertraut ihm.

"Ich dachte natürlich schon länger an dieses Spiel gegen Brasilien", sagt er gegenüber FIFA.com. "Und ich ging davon aus, dass ich, sobald das Spiel näher rückt, nervös werden würde. Aber die Nervosität kam nicht. Ich ging dann aufs Feld und habe da wie immer meinen Fussball gespielt. Ein toller Abend."

Das hört sich jetzt banal an. Aber so einfach war es nicht immer in der jungen Karriere von Akanji. Der Schweizer mit nigerianischen Wurzeln ist außerhalb von Winterthur aufgewachsen und hat beim heimischen Stadtklub die Juniorenabteilungen durchlaufen. Aufgefallen war er lange Zeit niemandem, er war schmächtig und der Trainer hatte ihn als Flügelstürmer eingesetzt. Dann hatte Akanji im späten Teenager-Alter einen Wachstumsschub. "Mein Körper entwickelte sich auf einmal rasant. Ich bekam mehr Muskeln und gleichzeitig stieg mein Selbstvertrauen. Ich war auf einmal ein Fussballer, den man ernst nahm. Ein neues Gefühl."

Auf seine Gefühle hört Akanji. Er hatte sich später für ein Angebot des FC Basels entschieden, obschon ihm manche davon abgeraten hatten. Und er war letzten Winter zu Borussia Dortmund gewechselt, obgleich viele meinten, der Schritt käme zu früh. "Ich habe keinen Plan im Kopf", sagt er. "Wer weiß schon, was morgen ist. Es wird alles gut werden. Es wird doch meistens gut, nicht?"

Jetzt lächelt er wieder. Und aus dem Kabinengang ruft jemand seinen Namen. Höchste Zeit ins Hotel zurückzukehren. Die Vorbereitungen laufen ja längst. Am Freitag spielt die Schweiz gegen Serbien (20 Uhr).