Dienstag 13 März 2018, 08:42

Kanouté: "Den Einfluss nutzen, um Positives zu bewirken"

Früher Fussballstar, heute Förderer und Wohltäter: Frédéric Kanouté gibt mit einer Fussballakademie und einem Waisendorf Hunderten von Kindern eine Zukunftsperspektive. "Sie brauchen Liebe, Zuwendung und Anerkennung", sagt er. "So wachsen sie hoffentlich zu starken, selbstbewussten Menschen heran und verwirklichen ihre eigenen Träume."

Frédéric, Sie leben heute in Dubai. Was machen Sie da? Nach dem Ende meiner Profikarriere zog ich nach Dubai und gründete vor vier Jahren die Kanouté Football Academy (Kafo Academy), weil ich sehr gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeite. Der Fussball ist hier unglaublich beliebt, hat aber noch viel Entwicklungspotenzial. Zurzeit trainieren wir rund 200 Kinder zwischen fünf und fünfzehn Jahren. Sie kommen aus unterschiedlichen Verhältnissen und bringen verschiedenste Talente mit – das macht die Arbeit mit ihnen so bereichernd. Zusammen haben wir schon viel gelernt und riesige Fortschritte erzielt.

In Mali haben Sie das Kinderdorf Sakina gegründet. Können Sie uns mehr darüber erzählen? Ich hatte die Idee dazu, als ich Anfang zwanzig war und in England spielte. Erziehung, Bildung, Herkunft, Glaube und Familie – sie alle haben meine Weltanschauung und meinen Lebensweg geprägt. Und als ich Profifussballer wurde, fühlte ich eine zusätzliche Verantwortung. Nach einigen Besuchen in Mali, von wo mein Vater stammt, spürte ich immer stärker das Bedürfnis, etwas Gutes zu tun und so zu einem Wandel beizutragen. Für mich war klar: Nachhaltige Veränderungen sind nur durch Bildung und den Fokus auf Menschen, insbesondere Kinder, möglich.

Was wussten Sie über Waisenkinder? Mein Vater war selbst Waise, und ich hatte auch auf den Straßen von Malis Hauptstadt Bamako viele Waisenkinder gesehen. So beschloss ich, für die bedürftigsten Kinder ein Dorf zu gründen, wo sie möglichst viel Unterstützung, Zuwendung und Bildung erhalten. In Sakina leben die Kinder mit Pflegemüttern zusammen. Es gibt einen Kindergarten, eine Primar- und Sekundarschule, ein Berufsbildungsprogramm sowie ein Gesundheitszentrum. All diese Angebote stehen auch den Kindern aus den umliegenden Gemeinden offen. Und ganz wichtig: Wir haben ein Landwirtschafts-, Vieh- und Handelsprogramm eingeführt, damit das Dorf in Zukunft auf eigenen Beinen stehen kann. Das ist für uns eine Priorität.

Was ist Ihres Erachtens das Wichtigste für Waisenkinder? Am wichtigsten ist es, zuerst die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes abzuklären. Man kann nicht einfach von "den Waisenkindern" sprechen. Sie sind alle einzigartig. Sie haben unterschiedliche Geschichten und Erfahrungen, darunter auch traumatische. Wie alle Kinder brauchen auch sie Liebe, Zuwendung und Anerkennung – das ist ihr gutes Recht. So wachsen sie hoffentlich zu starken, selbstbewussten Menschen heran und verwirklichen ihre eigenen Träume und Ziele. Dabei wollen wir sie nach besten Kräften unterstützen.

Kennen die Kinder Sie? Ja, sie kennen mich gut und nennen mich "Papa Kanouté"! Sie wollen, dass ich Zeit mit ihnen verbringe. Oft spielen wir mitten im Dorf zusammen Fussball.

Wie oft sind Sie dort? Ich gehe zwei- bis dreimal pro Jahr nach Mali, manchmal auch wegen meiner Arbeit. Aber ich versuche immer, Sakina zu besuchen.

Wie viele Kinder leben im Dorf? In Sakina leben 67 Kinder. Platz hat es für rund 150.

Müssen Sie auch Kinder ablehnen? Priorität haben zwar die bedürftigsten Kinder. Aber sowohl Sakina als auch die Kanouté Foundation glauben an den Schmetterlingseffekt: Wir wollen unser Dorf und die Organisation als Plattform und Inkubator für neue Ideen und Konzepte nutzen, sodass möglichst viele Menschen davon profitieren.

Erhalten Sie Unterstützung von anderen Fussballspielern? Ja. Während meiner Aktivzeit in Spanien organisierten die Kanouté Foundation und UNICEF zum Beispiel gemeinsam fünf jährlich stattfindende Benefizspiele unter dem Motto „Champions for Africa“. Viele Spieler aus europäischen Ligen und der ganzen Welt kickten für den guten Zweck mit. Diese Veranstaltungen waren ein voller Erfolg: Sie bescherten uns Aufmerksamkeit und Geldmittel für die Stiftung.

Für Sie war es immer wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Weshalb? Ich habe mich nie nur als Fussballspieler gesehen. Ich habe Fussball gespielt, er ist meine Leidenschaft. Aber Fussball ist nicht alles. Wir sind in erster Linie Menschen – samt Rechten, Pflichten und vor allem Verantwortung. Als Individuum, Bürger und gläubige Person bin ich Gott und meinen Mitmenschen Rechenschaft schuldig. Der Fussball ist für mich ein wichtiges Instrument. Er vermittelt, und er gibt mir eine Stimme. Dank dem Fussball kann ich mehr Menschen erreichen, und das äußerst wirksam.

Sollten sich mehr berühmte Leute für Benachteiligte einsetzen? Ich will niemandem Vorschriften machen. Aber natürlich hoffe ich, dass andere ihren Einfluss nutzen, um etwas Positives zu bewirken. Doch dem geht meist ein innerer Wandel, ein Erwachen, voraus.

Welches Ziel verfolgen Sie im Leben? Ich will jeden Tag mein Bestes geben, um dem Schöpfer näher zu kommen, indem ich die Talente nutze, die er mir gegeben hat. Muhammad Ali sagte es treffend: "Bereite dich darauf vor, Gott zu begegnen."

Wie möchten Sie, dass man sich in 30 Jahren an Sie erinnert? Als jemanden, der sein Bestes gegeben hat, trotz seiner menschlichen Schwächen ein gottgefälliges Leben zu führen. Und hoffentlich als jemanden, der das Leben seiner Kinder, seiner Familie und seiner Mitmenschen positiv berührt hat.